Sicherer im Galopp

Jena (sh/FSU) Als Neil Armstrong 1969 auf dem Mond lief, schlenderte er nicht etwa im Spazierschritt zwischen den Kratern umher, sondern er galoppierte vor allem. Mit einem Bein holte er Schwung, mit dem anderen bremst er ab. Auch Kinder etwa im Alter zwischen vier und sechs Jahren können eher galoppieren als rennen. Erwachsene hingegen – wenn sie sich nicht gerade außerhalb der Erde aufhalten – bevorzugen zwar eher eine symmetrische Fortbewegungsart – das heißt, beide Beine wechseln sich ab und übernehmen die gleichen Aufgaben. Wenn sie aber in höherem Tempo eine Treppe hinunterlaufen, verfallen auch sie oft in den Galopp. Welche Vorteile bietet diese eigentlich vertraute und doch irgendwie exotisch anmutende Gangart, dass wir sie ausgerechnet dann verwenden, wenn wir uns nicht ganz sicher auf den Beinen fühlen?

Größere Stabilität bei kleinerem Kontrollaufwand

Bewegungswissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben darauf jetzt eine Antwort gefunden. „Das Galoppieren verleiht uns eine größere Stabilität bei kleinerem Kontrollaufwand“, erklärt Dr. Roy Müller vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Jena. Gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Emanuel Andrada hat er für seine Untersuchungen Probanden im Galopp über unebenes Gelände laufen lassen und dabei genau beobachtet, wie die Läufer auf oberflächliche Hindernisse reagieren. „Dabei haben wir festgestellt, dass nur das Bein, das zuerst aufsetzt, Anpassungen vornimmt, um Standfestigkeit zu gewährleisten“, erklärt Müller. „Das zweite Bein wird eher nachgezogen und betreibt keinerlei Kontrollaufwand.“ Diese einseitige Bewegung geht aber nicht zu Lasten der Stabilität – im Gegenteil: „Wir haben unsere Beobachtungen auf ein zweibeiniges Masse-Feder-Modell übertragen und herausgefunden, dass die gewählten Anpassungen das gesamte System robuster machen.“

Ganzes Menschenleben im Galopp nicht möglich

Doch warum galoppieren wir dann nicht unser ganzes Leben, sondern wechseln noch als Kinder die Gangart? „Für Erwachsene ist diese asymmetrische Fortbewegung auf Dauer zu anstrengend, da sie einen höheren Energieaufwand erfordert und das Knie stärker belastet“, erklärt Emanuel Andrada. „Möglicherweise ist die Beziehung zwischen Masse und Muskelkraft bei Kindern vorteilhafter für den Galopp angelegt, verändert sich aber im Laufe des weiteren Wachstums.“
Für ihre Vermutung haben die Jenaer Wissenschaftler Parallelen in der Tierwelt gefunden. So bewegen sich Lemuren, wenn sie auf zwei anstatt auf vier Beinen unterwegs sind, asymmetrisch fort. Und sogar Vögel, etwa Raben, wählen vor allem diese Gangart. Neben der Geometrie der Beine spielt auch hier die Beziehung zwischen Muskelkraft und Masse eine entscheidende Rolle. Um die Frage endgültig zu klären, sind aber weitere Experimente notwendig.
Mit ihren Untersuchungen haben Müller und Andrada nicht nur neue grundlegende Erkenntnisse für ihre Wissenschaft gewonnen, sondern sie können auch die Weltraumforschung mit wertvollen Informationen versorgen. „Das Galoppieren hat sich während der Mondlandung als effektivste Gangart herausgestellt, da es Sicherheit gewährleistet und aufgrund der anderen Schwerkraftverhältnisse die Belastung des Körpers weit weniger stark ist“, sagt Andrada. „Deshalb könnte ich mir gut vorstellen, dass sich Roboter zukünftiger Landemissionen auf dem Mond oder Mars galoppierend fortbewegen.“

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