Auf 4.000 Seiten Grenzen überschreiten

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Prof.Dr. Giesela Rühl, Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht, Internationales Privat- und Prozessrecht, Europäisches Privatrecht und Rechtsvergleichung, Friedrich-Schiller-Universität- Jena, aufgenommen am 26.10.2017. Foto: Anne Günther/FSU

Jena (jd) Das Leben der Menschen im 21. Jahrhundert ist in hohem Maße grenzüberschreitend. Sie bereisen die ganze Welt, kaufen Waren aus aller Herren Länder oder heiraten ihre Erasmusliebe. Doch was passiert, wenn der Flug annulliert wird, das Auto kaputtgeht oder die große Liebe nicht hält? „Das Recht hat mit der dramatischen Internationalisierung unseres Lebens nur unvollständig Schritt gehalten. Es ist immer noch weitgehend national und sieht in Deutschland anders aus als in England, Frankreich oder Italien“, erzählt Prof. Dr. Giesela Rühl von der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU). Ihr Fachgebiet, das Internationale Privatrecht, beschäftigt sich mit der Frage, wie sich die Probleme grenzüberschreitender Rechtsverhältnisse bewältigen lassen.
Mit der Globalisierung, schildert Rühl, sei auch die Zahl der internationalen Streitigkeiten und Gerichtsverfahren gewachsen. Darauf hätten nationale und internationale Gesetzgeber, vor allem aber die Europäische Union in den letzten Jahrzehnten reagiert und entsprechende Regelungen verabschiedet. Ein Überblick über dieses unübersichtliche, enorm wachsende Rechtsgebiet fehlte allerdings – bis jetzt. Denn jüngst erschienen ist die von Prof. Rühl mit herausgegebene „Encyclopedia of Private International Law“.

Uni Jena koordiniert in die ganze Welt
Das vier Bände umfassende, englischsprachige Werk bildet das Internationale Privatrecht auf über 4.000 Seiten in seiner gesamten historischen, methodischen und inhaltlichen Breite ab. Neben der Jenaer Wissenschaftlerin gehören Prof. Dr. Jürgen Basedow vom Hamburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, der Italiener Prof. Dr. Franco Ferrari von der NYU Law School in New York und der Spanier Prof. Dr. Pedro de Miguel Asensio von der Universidad Complutense de Madrid zu den Herausgebern. Als zentrale Koordinierungsstelle sind am Lehrstuhl von Giesela Rühl alle Fäden des Mammutprojekts zusammengelaufen.
„In erster Linie stellt die Veröffentlichung eine gigantische Teamarbeit dar“, erklärt Rühl. „181 renommierte Autoren aus 57 Ländern waren daran beteiligt, dazu zahlreiche Übersetzer sowie wissenschaftliche Mitarbeiter.“ Eine großartige und harmonische Zusammenarbeit mit Kollegen aus aller Welt sei das Ganze gewesen – trotz mancher durch die Größe des Projekts bedingten Herausforderung. „Dass wir die Enzyklopädie innerhalb von nur fünf Jahren von der Idee bis zur Publikation bringen konnten, ist eine kleine Sensation und nur der tatkräftigen Unterstützung vieler Menschen zu verdanken“, sagt Prof. Rühl und meint damit auch ihr Team am Lehrstuhl für Internationales Privatrecht der FSU und ihre beiden Doktoranden Marc Dietrich und Rick Sprotte. Wesentlich zum Erfolg beigetragen habe auch die großzügige und flexible Förderung durch die Fritz Thyssen Stiftung.

Bislang privatrechtlich unerschlossene Länder enthalten
Die ersten zwei Bände der Enzyklopädie enthalten 247 rund zehnseitige Beiträge zu privatrechtlichen Themen, beispielsweise zum Umgang mit grenzüberschreitenden Verträgen, internationalen Straßenverkehrsunfällen oder gemischt-nationalen Ehen. Band drei enthält Länderberichte zum Internationalen Privatrecht von 80 Staaten, darunter zum Beispiel auch Thailand, Tunesien oder Nigeria, die bislang weitgehend unerschlossen waren. Im vierten Band befindet sich schließlich eine Materialiensammlung: ins Englische übersetzte Gesetzestexte aus aller Welt. „Dieser Band ist zentral für die weitere Forschung zum Internationalen Privatrecht, da viele Gesetze hier erstmalig einem internationalen Publikum zugänglich gemacht werden“, berichtet Prof. Rühl. Vor allem in Hochschulbibliotheken und Bildungseinrichtungen soll das gesammelte Werk dementsprechend bald in den Regalen stehen.
Eine Zweitauflage sei nicht geplant, denn das Lexikon zielt nicht auf Tagesaktualität ab, sondern zeigt die großen Leitlinien nationaler Rechtskonzepte auf. Die „Encyclopedia of Private International Law“ ist beim englischen Wissenschaftsverlag Edward Elgar Publishing erschienen und auch in einer Onlineausgabe erhältlich.

Bibliographische Angaben:
Jürgen Basedow, Giesela Rühl, Franco Ferrari, Pedro de Miguel Asensio (Hg.): Encyclopedia of Private International Law, Edward Elgar Publishing, Großbritannien, 4184 Seiten, Preis: 995 Pfund, ISBN: 978-1-78254-722-8

H&H Makler

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