Der Orient in Jena

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Die Cheops-Pyramide in Gizeh (vor 1864). Fotografie von Wilhelm Hammerschmidt (Alphons-Stübel Sammlung früher Orientfotografien der Universität Jena).

Jena (FSU/jd) Nie war der Orient so nah wie jetzt und hier: Vom 18. bis 22. September richten die Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) und die Deutsche Morgenländische Gesellschaft (DMG) den 33. Deutschen Orientalistentag (DOT) in Jena aus. Erstmals findet die größte Fachveranstaltung der deutschen Orientwissenschaften in Thüringen statt – und stellt gleich einen Rekord auf. Etwa 950 Vorträge werden in der Tagungswoche gehalten, so viele wie nie zuvor.

„Asien, Afrika und Europa“ als Schwerpunkt
Das für den 33. DOT gewählte Motto „Asien, Afrika und Europa“ soll auf die vielseitigen Wechselbeziehungen zwischen den drei Kontinenten aufmerksam machen. Dazu gehören die prägenden Einflüsse des Ostens auf die abendländische Kultur in Antike und Mittelalter ebenso wie das wachsende Interesse der europäischen Wissenschaft am Orient in jüngerer Zeit. „Zahlreiche Vorträge sind auch aktuellen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen gewidmet. Das ist aber nur ein Teilanliegen der unter dem Dach der DMG versammelten Fachbereiche“, erzählt Organisator PD Dr. Peter Stein. Denn zunächst müsse man die Ursprünge der orientalischen Kulturen verstehen, um Fragestellungen der Gegenwart zu bewerten. „Wer zum Beispiel zum Islam forscht, muss den Koran kennen und wissen, ob die Argumente in den derzeitigen Auseinandersetzungen überhaupt eine historische Fundierung haben“, erklärt Arabist Prof. Dr. Tilman Seidensticker vom Organisationskomitee. „Oft stellen wir fest, dass die vorgebrachten Begründungen noch gar nicht so alt sind.“

Damit umreißt er bereits das „Markenzeichen“ der deutschen Orientalistik: „Wissenschaftler weltweit schätzen die sprach- und literaturwissenschaftliche Grundlagenforschung in Deutschland“, berichtet Semitist Stein. Dementsprechend international ist auch der DOT – mehr als ein Drittel der 1.100 Teilnehmer kommt aus rund 50 Ländern in aller Welt.
Um ihren nationalen wie internationalen Gästen die Thüringer Kulturlandschaft näherzubringen, haben die Jenaer Organisatoren ein wissenschaftliches Ausflugsprogramm vorbereitet. Exkursionen zu den mittelalterlichen jüdischen Stätten in Erfurt und ins Herzogliche Museum Gotha stehen ebenso auf dem Plan wie die Gothaer Kartenwochen zum Thema „Äthiopien in Gotha“ auf Schloss Friedenstein. Ergänzend werden an der FSU zwei Ausstellungen gezeigt: Zur „AusLese. Objekte aus den orientalischen Sammlungen der Universität Jena“ im Universitätshauptgebäude (Ausstellungskabinett, Fürstengraben 1) sowie zu „Haeckel und der Orient“ im Ernst-Haeckel-Haus (Berggasse 7) ist auch die Öffentlichkeit herzlich eingeladen.

Daneben stehen interessierten Bürgern die Abendvorträge um jeweils 18.15 Uhr kostenfrei offen (Hörsaal 1, Carl-Zeiß-Str. 3). Die Referenten stellen dabei ausgewählte Forschungsergebnisse aus dem gesamten Spektrum der Orientalistik vor, zum Beispiel „Die babylonischen Grundlagen der rechnenden Astronomie“ (19.09.) oder die „Archäologie der Osterinsel“ (20.09.).

Orientalistik eng verwoben mit anderen Fächern
Das wissenschaftliche Programm des 33. DOT veranschaulicht auch die Verflechtungen der Orientwissenschaften mit anderen Fachdisziplinen. So thematisiert beispielsweise der Jenaer Astronom Prof. Dr. Ralph Neuhäuser die arabischen Beobachtungen der Supernovae der Jahre 1006, 1572 und 1604. Dazu hat er eng mit dem amerikanischen Sinologen Jesse Chapman und dem Münchner Arabisten Prof. Dr. Paul Kunitzsch zusammengearbeitet, um die historischen Berichte zu übersetzen und zu deuten. Nicht zuletzt sind die entschlüsselten Details zu Helligkeit, Position und Farbentwicklung der Sternexplosionen von Nutzen für die aktuelle Astrophysik.

Vom DOT in Jena wünscht sich Prof. Seidensticker, „dass unsere Gäste die Orientwissenschaften, die in Jena eher klein aufgestellt sind, dennoch in ihrer Tiefe wahrnehmen. Unser zweites Anliegen ist, den Jenaern und Thüringern den Orient näherzubringen und ein größeres Bewusstsein für unsere Disziplinen zu schaffen.“

Der DOT ist einer der bedeutendsten wissenschaftlichen Kongresse für orientalistische Studien weltweit. Seit 1921 findet er regelmäßig im Abstand von drei bis fünf Jahren statt. Das fachliche Spektrum umfasst den Alten und Modernen Vorderen Orient einschließlich Nordafrika sowie den gesamten asiatischen Raum. Weitere Informationen zum 33. DOT und zum Programm sind zu finden unter: http://www.dot2017.de/.

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