„Die Vergangenheit ist der Schlüssel zur Zukunft“

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Prof. Dr. Roland Zech, Lehrstuhlinhaber der Physischen Geographie am Institut für Geographie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, aufgenommen am 04.05.2017. Foto: Anne Günther/FSU

Jena (FSU/US) Mit gewohnt großer Inszenierung verkündete US-Präsident Donald Trump Anfang Juni, dass die Vereinigten Staaten aus dem Pariser Klimavertrag aussteigen werden. Ihren Verpflichtungen, die Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase zu drosseln, wollen die Vereinigten Staaten nicht nachkommen, weil – so Trump – hohe Kosten für die amerikanische Wirtschaft damit verbunden seien. Stattdessen wolle er weiter auf fossile Energieträger wie Öl, Gas und Kohle setzen.

„Einen Schritt zurück in die Vergangenheit“, nennt das Prof. Dr. Roland Zech von der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU). „Aber ein Zurück in die Zeit, in der Industriestaaten ungebremst Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen, wird es dennoch nicht geben“, ist sich der Geograph sicher, der in diesem Sommersemester den Lehrstuhl für Physische Geographie der Jenaer Uni übernommen hat. Denn ein Gutes habe die Ankündigung Trumps bewirkt: Die Weltgemeinschaft habe in seltener Einhelligkeit darauf reagiert und halte an ihren Klimazielen fest, die durch Treibhausgase verursachte Erderwärmung auf maximal 1,5 °C im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu beschränken.

Der Klimawandel ist eines der zentralen Forschungsthemen von Prof. Zech. Der 40-Jährige, der von der Universität Bern an die FSU wechselte, hat dabei allerdings weitaus größere Zeiträume im Blick als in den Debatten unserer Tage üblich. Er liest in den „Archiven“ des Weltklimas und rekonstruiert dessen Verlauf viele zehntausende Jahre zurück. „Archive sind zum Beispiel Ablagerungen von früheren Vergletscherungen oder etwa Seesedimente und Böden, die sich in der Vergangenheit gebildet haben“, erläutert Zech. „Aus diesen lassen sich mithilfe moderner quantitativer Methoden die Prozesse, die zur Entstehung von Landschaften geführt haben, sehr genau bestimmen und damit auch Rückschlüsse auf das zur damaligen Zeit herrschende Klima ziehen.“

Ein Beispiel: In seiner Diplomarbeit, mit der er 2003 sein Geoökologie-Studium in Bayreuth abschloss, hat Roland Zech die Vergletscherungsgeschichte Zentralasiens untersucht. Mit der Methode der Oberflächenexpositionsdatierung hat er Gesteine aus dem Pamirgebirge in Tadschikistan analysiert und festgestellt, dass die letzte Eiszeit dort ihren Höhepunkt bereits vor etwa 60.000 Jahren erreicht hat. In Europa dagegen erreichten die Eismassen ihre maximale Ausdehnung erst vor etwa 20.000 Jahren. „Klimawandel“, so betont der Forscher, „bedeutet nicht, dass sich die Veränderungen auf der ganzen Erde gleichmäßig vollziehen.“ Es gebe regional große Unterschiede, insbesondere was die Verteilung der Niederschläge angeht.

Nach dem Studium wechselte Zech an die Universität Bern, wo er 2006 mit einer Arbeit zur Vergletscherungsgeschichte der Anden in Südamerika promoviert wurde. Auch darin nutzte er vorwiegend die Oberflächenexpositionsdatierung. Dabei werden Radionuklide an Gesteinsoberflächen bestimmt, die durch den Kontakt mit kosmischer Strahlung entstehen. Je länger Gestein kosmischer Strahlung ausgesetzt ist, also nicht von Gletschereis bedeckt, umso mehr reichert sich beispielsweise das Berylliumisotop 10Be an. In den Mineralen ticke eine „chemische Uhr“, die man nur ablesen müsse, so der gebürtige Rosenheimer Zech. Es folgten 2008 bis 2010 Forschungsaufenthalte in Pittsburgh und an der Brown University in Rhode Island (USA). Anschließend wechselte Zech zurück in die Schweiz: zunächst an die ETH Zürich und 2014 gefördert vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung als Professor an die Uni Bern. Von dort zog es den Vater zweier Töchter nun an die Saale.

Hier möchte Zech auch die Studierenden stärker an das Thema Klimawandel heranführen und bringt seine methodische Expertise derzeit unter anderem in die Neugestaltung des Studiengangs Geographie ein. „Durch die Analyse vergangener Klimaveränderungen lassen sich Ansätze zum Verständnis und vielleicht auch zur besseren Bewältigung der aktuellen Situation finden“, ist er überzeugt. Die Vergangenheit sei der Schlüssel zur Zukunft. Außerdem möchte er gerade die künftige Geographen-Generation für ihre Verantwortung sensibilisieren: „Wir sind diejenigen, die Themen wie Klimawandel und nachhaltige Lebensweise in die Gesellschaft tragen müssen.“

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