Mitteldeutsche Universitäten rufen gemeinsames Forum ins Leben

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2008
Prof. Dr. Benno Werlen, Lehrstuhl für Sozialgeographie am Institut für Geographie der Chemisch-Geowissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität, aufgenommen in Jena am 08.09.2015. Foto: Anne Günther/FSU

Die Universitäten Leipzig, Halle-Wittenberg, Jena und Erfurt gründen zum 1. Dezember 2016 ein gemeinsames Forschungsforum in den Geistes- und Sozialwissenschaften
 
Das „Forum for the Study of the Global Condition“ führt Wissenschaftler zahlreicher Fächer zusammen, die globale Verflechtungen von gegenwärtigen Gesellschaften und deren historische Wurzeln untersuchen. Neben den vier Universitäten beteiligen sich daran das Leibniz-Institut für Länderkunde Leipzig, das Max-Planck-Institut für Ethnologie Halle, das Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur Leipzig und das Geisteswissenschaftliche Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig, das zum 1. Januar 2017 in die Leibniz-Gemeinschaft überführt wird.

Die Initiative ist von der Überlegung bestimmt, dass die mitteldeutschen Hochschulen gemeinsam mit den Instituten der Max-Planck-Gesellschaft und der Leibniz-Gemeinschaft mit ihrer Fächervielfalt und ihren Erfahrungen in der Verbundforschung über eine hervorragende Expertise zur Analyse globaler Prozesse verfügen. Vorhandene Verbund- und Einzelvorhaben sollen miteinander verknüpft und durch passende Formen der Doktorandenqualifizierung und der forschungsorientierten Lehre flankiert werden.

Inhaltlich geht es um das Paradox, dass immer mehr Menschen in globale Verflechtungen einbezogen und von ihnen betroffen sind, sich aber aus unterschiedlichen Motiven Skepsis gegenüber einer globalisierten Zukunft breitmacht. Das Forum untersucht nicht „die Globalisierung“, sondern erforscht, wie verschiedene Akteure mit grenzüberschreitender Migration, Warenaustausch, Finanzflüssen und dem Transfer von Ideen umgehen und damit „das Globale“ überhaupt erst erschaffen und für sich jeweils bestimmen.

„Durch eine standortübergreifende Kombination unserer Kompetenzen in dem neuen Forum werden wir gemeinsam in der Lage sein, ein konkurrenzfähiges Zentrum zu bilden, dessen Forschungen international Beachtung finden und damit auch für exzellente Nachwuchswissenschaftler und Masterstudierende hochattraktiv sind“, sagt Prof. Dr. Beate Schücking, Rektorin der Universität Leipzig. „In Mitteldeutschland stellen wir immer wieder unter Beweis, welch gute Ergebnisse die inter-institutionelle Zusammenarbeit hervorbringen kann. Der Unibund Halle-Jena-Leipzig besteht nun seit mehr als 20 Jahren, Sonderforschungsbereiche wie jener zu den nomadischen Gesellschaften haben dieses Fundament bestens für sich genutzt, und das noch relativ junge Deutsche Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung entwickelt sich zu einem international sichtbaren Leuchtturm. Darauf baut nun auch die Untersuchung globaler Prozesse auf.“

In der jüngeren Vergangenheit wurden weitere wichtige Verbundprojekte bewilligt, in diesem Jahr zum Beispiel der Leibniz-Wissenschaftscampus „Eastern Europe – Global Area“ zwischen Leipzig, Halle und Jena, im Jahr zuvor der Sonderforschungsbereich „Verräumlichungsprozesse unter Globalisierungsbedingungen“ (Universität Leipzig, Leibniz-Institut für Länderkunde, Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas). Das neue Wissenschaftsforum knüpft thematisch auch an Themen und Projekte des weltweiten „International Year of Global Understanding“ an, das seinen Ursprung an der Universität Jena hat und in dem Fragen der Nachhaltigkeit und des Verständnisses globaler Zusammenhänge im Fokus vielfältiger Aktionen stehen.

„Das Forschungsforum wird Ausdruck gelebter Kooperation zwischen den Universitäts- und außeruniversitären Forschungsstandorten in Mitteldeutschland sein“, unterstreicht der Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU), Prof. Dr. Walter Rosenthal. Die exzellente geistes- und sozialwissenschaftliche Expertise zu bündeln, sei ein wichtiger Schritt, „um die interdisziplinäre Forschung auf diesen Gebieten nachhaltig zu befördern“, macht Rosenthal deutlich.

Inhaltlich bringt die Universität Jena unter anderem ihre Schwerpunkte in den Literatur- und Geschichtswissenschaften sowie in der Soziologie ein. Die bestehenden Forschungs- und Graduiertenkollegs wie auch die Kolleg-Forschergruppen stellen für die erfolgreiche Zusammenarbeit eine hervorragende Ausgangsbasis dar. Der Präsident der FSU betont weiterhin, dass die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein besonderes Anliegen des neuen Forums sei. So wolle man durch ein gemeinsames Exzellenzprogramm den Anteil internationaler Promovierender in Mitteldeutschland deutlich erhöhen.

„Halle steuert seine Expertise vor allem zu Fragen des Rechts und zur möglichen Umsetzung nationaler Rechtssysteme in den Kontext internationaler Normen bei“, sagt Prof. Dr. Udo Sträter, Rektor der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Von Seiten der Universität beteiligen sich unter anderen Forscher des fakultätsübergreifenden Forschungsschwerpunkts „Gesellschaft und Kultur in Bewegung“ sowie des Aleksander-Brückner-Zentrums für Polenstudien, das von den Universitäten Halle und Jena betrieben wird. Ein weiterer wesentlicher Partner ist das Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle.

An der Universität Erfurt konzentrieren sich die soziologisch-historischen Forschungen am dortigen Max-Weber-Kolleg vor allem auf den Wandel von Weltbeziehungen Einzelner und ganzer Gesellschaften, die in Zeiten zunehmender Unsicherheit über das Resultat der vielen überlappenden globalen Verflechtungen eine immer größere Herausforderung bilden. „Die kulturvergleichende Analyse von Weltbeziehungen bezieht hier insbesondere auch geschichtliche Aspekte weit vor dem 19. Jahrhundert und unserer Zeit mit ein“, erklärt dazu der Präsident der Universität Erfurt, Professor Walter Bauer-Wabnegg.

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