Schockmoment beseitigt Sand im Getriebe

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Es gibt wenig Gutes, was man derzeit über den aktuellen US-Präsidenten sagen kann. Doch möglicherweise hat er einen enorm positiven Einfluss auf die Zusammenarbeit internationaler Organisationen. Denn nicht selten sind es gemeinsame Schockerfahrungen, die enger zusammenschweißen. Und das sei dringend nötig, meint Prof. Dr. Rafael Biermann von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Politikwissenschaftler hat gemeinsam mit seinem Brüsseler Kollegen Joachim Koops in den vergangenen vier Jahren die Beziehungen internationaler Organisationen untersucht und die umfassenden Ergebnisse im „Palgrave Handbook of Inter-Organizational Relations in World Politics“ vorgelegt. Insgesamt waren 38 Autoren aus zwölf Ländern an dem Projekt beteiligt, aus dem nun ein neues Standardwerk hervorgeht. „Wir tragen im Buch zum einen den Stand der Forschung zusammen und geben zum anderen einen Ausblick darauf, welche Bereiche wir in Zukunft stärker ausleuchten müssen und wie das geschehen kann“, sagt Biermann. Impulse erhalten sie dabei auch aus den Wirtschaftswissenschaften und der Soziologie.

Oftmals wird der Blick auf das gemeinsame Ganze behindert

Derzeit gebe es ungefähr 250 internationale Regierungsorganisationen, darunter große Vertreter wie die Vereinten Nationen (UN), die Weltbank oder die Europäische Union (EU). „In nahezu allen Politikbereichen bündeln Organisationen ihre Kompetenzen sowie Kapazitäten, und die Ergebnisse aus diesem gemeinsamen Wirken sind immer besser, als wenn jeder isoliert voneinander tätig ist“, resümiert der Jenaer Experte zunächst. Allerdings sei nicht selten Sand im Getriebe. Autonomiewahrung, Kompetenzgerangel und sogar Eifersüchteleien behinderten oftmals den Blick auf das gemeinsame Ganze. „Man kooperiert vor allem erst dann miteinander, wenn man selbst nicht zurechtkommt“, sagt Rafael Biermann. „NATO und EU etwa sind aufeinander angewiesen, da der eine die militärischen Mittel hat, der andere aber beispielsweise die Logistik, um Truppen zu transportieren.“ Doch diese Zusammenarbeit könnte weitaus effizienter sein, wenn nicht etwa die Türkei als NATO-Mitglied eine eigene Agenda verfolgen würde. Jede Kooperation ist also abhängig vom Konsens der beiden Parteien. Auch gemeinsame negative Erfahrungen können die Zusammenarbeit über Jahre hinaus ausbremsen. So beeinflusst etwa das Versagen der Kooperation zwischen den UN und der NATO während des Bosnienkrieges noch immer die gemeinsame Kooperation.

Internationale Zusammenarbeit ist abhängig vom guten Willen der Parteien

„Das Problembewusstsein in diesem Bereich ist durchaus sehr hoch, etwa seitens der deutschen Regierung, doch anders als bei der Zusammenarbeit auf staatlicher Ebene gibt es hier keine regulierende Instanz“, erklärt Biermann. „Internationale Zusammenarbeit zielt immer auf den Konsens ab und ist abhängig vom guten Willen beider Parteien.“ Dass dieser durchaus wachsen kann, haben in der Vergangenheit etwa gemeinsame Schockmomente gezeigt. So verbesserten der Internationale Währungsfond und die Weltbank ihre Zusammenarbeit mit Blick auf die Entwicklungsländer erheblich durch die Erfahrung der jüngsten Wirtschaftskrisen. Der Schock der Balkankriege motivierte die Kooperation zwischen vielen Organisationen, die in der Konfliktbearbeitung tätig wurden. Und auch von der Präsidentschaft Donald Trumps könnte eine solche Wirkung ausgehen.
Um Kooperationen in Zukunft effizienter zu gestalten, kann auch ein Blick zurück helfen. Rafael Biermann etwa erforscht derzeit, wie die EU und ihre Vorgängerorganisationen mit ihren Partnern weltweit zusammenarbeitet: „Die Kontakte entstanden hier oft auf der administrativen Ebene, um bei der Lösung sehr konkreter Probleme Informationen auszutauschen, sich zu koordinieren und Projekte gemeinsam zu starten. Daraus sind einige sehr fruchtbare und dauerhafte Partnerschaften hervorgegangen.“

Bibliografische Angaben:
Rafael Biermann und Joachim A. Koops (Hrg.): Palgrave Handbook of Inter-Organizational Relations in World Politics, Palgrave Macmillan, 2017, 708 Seiten, Preis: 168,95 Euro, ISBN 978-1-137-36038-0; auch als eBook erhältlich

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