Science City feiert historischen Derbysieg

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Rockets-Spieler Andreas Obst versucht den Jenaer Oliver Clay am Korberfolg zu hindern. Foto: Karim El Boujdaini.

Es war das erste Kräftemessen beider Thüringer Basketballclubs auf BBL-Niveau, mit dem besseren Ende für Science City Jena. Die Ostthüringer gewannen am Sonntagabend in der Messe Erfurt trotz des verletzungsbedingten Ausfalls von Anführer Immanuel McElroy gegen die Gastgeber der Oettinger Rockets mit 101:97, feierten neben ihrem ersten Hunderter der Saison einen historischen Derbysieg in der obersten Etage des deutschen Basketballs. Knapp 3700 Zuschauer, darunter zirka 500 Fans aus Jena, sahen eine enge, umkämpfte und bis zum Schluss hochdramatische Partie, die ihren Sieger erst auf den letzten Metern fand. Während die Hausherren bis zum dritten Viertel mit Fabelquoten aus der Distanz (59 Prozent) glänzen konnten, drehte Jenas Backcourt spät am Ergebnispendel und überließ den mitgereisten Anhang von der Saale neben dem Gewinner-Uffta die lang anhaltenden Derbysieger-Schlachtrufe.

Am Ende war es das Jenaer Trio um Skyler Bowlin (28 Punkte), Martynas Mazeika (28) und Julius Jenkins (22), dass verhältnismäßig straffe 78 Zähler in den Statistik-Bogen meißelte und einen erfolgreichen Raketenstart in der Messehalle abwürgte. Einmal mehr stellten die „Comeback-Thüringer“ aus der Stadt der Wissenschaft ihre unglaubliche Schlussphasenkompetenz unter Beweis und kippten einen zwischenzeitlichen 15-Rückstand in der 21. Minute (49:64) in die richtige Richtung. „Das war echte Werbung für den Sport, insbesondere für den Basketball in Thüringen“, zeigte sich Jenas Trainer Björn Harmsen nach dem Sieg seines Teams beeindruckt. „Eine emotional beeindruckende Kulisse hat diesem Derby einen würdigen Rahmen verliehen. Die Qualität des Spiels war der Atmosphäre angemessen. In einem knappen Duell sind wir bis zum Ende der Partie ruhig geblieben. Das war in dieser Begegnung ausschlaggebend“, so Harmsen.

Während die Rockets früh ihr Gaspedal fanden, nach zwei Distanzwürfen von Retin Obasohan mit 8:2 in Front lagen, benötigte Science City nur zwei Wimpernschläge um sich zu sammeln. Ein Floater von Julius Jenkins erledigte in der 4. Minute den 10:10-Ausgleich, bevor sich im weiteren Verlauf des Startabschnitts zahlreiche ausgeglichenen Spielstände sowie Führungswechsel die Klinke in die Hand gaben. Stolze sechsmal pendelte der Vorsprung zwischen Jena und den Gastgebern bis zur Pausensirene des Auftaktviertels, welches die Rockets nach einer zweiminütigen Lesic-Show mit 28:25 in den zweiten Spielabschnitt starten ließ. Auch in der Folge gingen die beiden Thüringer Erstligisten ergebnisorientiert Hand in Hand, warfen sich den Spalding bis zur Halbzeitsirene hochprozentig um die Ohren. Die besseren Quoten und der Pausenstand sprachen zu diesem Zeitpunkt für die Rockets, die bis zur 20. Minute sagenhafte zehn Dreier (bei 14 Versuchen = 71 Prozent) verwandeln konnten. Den Schlusspunkt unter eine unterhaltsame erste Hälfte setzte der erstmalig für die Oettinger Rockets auflaufende Jan Niklas Wimberg, natürlich aus der Distanz, zur 54:47-Führung des Pavic-Teams. Nachdem die Raketen im Verlauf ihrer 54:94-Klatsche am vorletzten Wochenende in der Ludwigsburger MHP Arena mit drei von 21 Versuchen hinter dem 6,75m-Bogen (14,3 Prozent) noch alle Lampen ausgeschossen hatte, präsentierten sie sich nun ausgerechnet gegen den Thüringer BBL-Rivalen jenseits des Perimeters wie im Tunnel.

Mit hochgeklappten Visier auf das Parkett der Messehalle zurückkehrend, setzten die Raketen zunächst ihre Dreier-Gala fort. Unmerklich bis auf 64:49 (21.) enteilt, schien die Partie einen aus Jenaer Sicht ungewollten Verlauf nehmen zu wollen. Doch Science City konterte umgehend mit scharfer Klinge. Nach einer taktischen Auszeit von Björn Harmsen leitete Julius Jenkins mit einem Dreier die Jenaer Aufholjagd ein, welche von Derrick Allen und Skyler Bowlin bis zum 64:57 erfolgreich verfeinert wurde. Zwei Mazeika-Freiwürfe sowie ein Bowlin-Floater zum 64:61-Anschluss (25.) nötigten dann auch Rockets-Coach Ivan Pavic zu einem Timeout (25.). Doch der Versuch den eigenen, mittlerweile zusammengeschmolzenen Vorsprung zu konservieren und Jenas Rhythmus zu unterbrechen schlug fehl. In Eichhörnchen-Manier sammelten die Ostthüringer kontinuierlich Punkt um Punkt, um die Partie mit zwei Dreiern von Skyler Bowlin zum 66:65 (26.) und Martynas Mazeika zum 72:71 (28.) auf Neuanfang zu stellen. Zwar gelang es den Westthüringern pausenübergreifend ihren Vorsprung noch einmal auf 78:73 zu erhöhen, doch das Derby war längst wieder so offen wie ein Späti in Berlin.

Zuschauer, die ihren Sitzplatz gegen abgekaute Nägel getauscht hatten, wurden auch von der Dramaturgie des finalen Viertels nicht enttäuscht. So übernahm zunächst die Ü35-Abteilung von Science City die Last der Jenaer Offensive. Von Julius Jenkins und Kapitän Derrick Allen wieder auf Kurs gebracht, leuchtete eine 80:78-Führung der Saalestädter von den Anzeigetafeln der Messe, bevor ausgerechnet Daniel Schmidt gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber schoss. Sein Dreier zur erneuten 81:80-Führung der Rockets sollte glücklicherweise nur eine Randnotiz bilden, bevor das Duell in die entscheidende Phase abbog. In der Folge war es Obersohan mit vier aufeinanderfolgenden Punkten zum 87:82 (34.), der die Weichen auf Heimsieg stellen wollte, bevor Jenas Riesen in ihrer letzte Auszeit ganz offensichtlich die richtigen Dinge besprachen, um dieses Vorhaben zu vereiteln. Unmittelbar nach dem Timeout blieben zunächst beide Konkurrenten mit den Nerven zu Fuß unterwegs. Insgesamt sechs Fahrkarten der jeweiligen Offensiv-Reihen ließen die Tür zum Derbysieg offen, bevor sich Skyler Bowlin ein Herz nahm und 224 Sekunden vor dem finalen Gong auf 87:84 verkürzte. Center Ekene Ibekwe konterte per Dreier zum vermeintlich vorentscheidenden 90:84 – noch 197 Sekunden – bevor „Jenas Wikinger“ Martynas Mazeika mit einem sportlich überlebenswichtigen Dreipunkte-Spiel anfing die Stimmung auf den Tribünen der Raketen zu löschen. Vertauschte Rollen zwischen Ibekwe (2er) und Bowlin (3er) sorgten 113 Sekunden vor Ultimo beim Stand von 92:90 für die erste taktische Auszeit der Gastgeber im Schlussviertel. Das zweite Oettinger-Timeout ließ nicht lang auf sich warten. Exakt 76 Sekunden vor der Schlusssirene bekam Skyler Bowlin den Ball in die Hände, zog völlig freistehend ab, um Science City Jena mit einem Distanzwurf zum 93:92 erneut in Führung zu bringen. So überschlugen sich in der verbleibenden Spielzeit Ereignisse und Würfe. Nachdem Martynas Mazeika sein Team innerhalb von zwei Angriffs-Sequenzen inklusive der zu erwartenden Stop-the-Clock-Fouls mit drei Freiwürfen zum 96:92 in Richtung Ziellinie schob, verkürzte Ibekwe auf 96:94. Auch Skyler Bowlin blieb 21 Sekunden vor Derby-Ende nach einem Foul cool genug, um beide Schüsse zur Jenaer 98:94-Führung sicher zu verwandeln. Die letzte Antwort der Hausherren gab 15 Sekunden vor der Sirene Nemanja Jaramaz mit einem Dreier zum 98:97, bevor Martynas Mazeika – wiederholt an die Linie geschickt – auf 101:97 erhöhte und Jenas Anhang sich in die Arme fallen ließ.

H&H Makler

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