(aktualisiert) „Cold Case“: Seit drei Jahren wird zum Tod eines Babys ermittelt

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Gotha (red/ra, 3. Mai). Das Osterwochenende 2019. Es dämmert schon, als zwei Spaziergänger am südöstlichen Ortsrand der Gemeinde im Ilmkreis mit ihren beiden Hunden entlanglaufen. Sie haben den Hunden nach dem Passieren der Kleingartenanlage Auslauf gegeben, als die plötzlich anschlagen. Als die beiden bei ihren Vierbeinern ankommen, bietet sich ihnen ein schreckliches Bild: In einem der Büsche liegt eine Babyleiche – offensichtlich schon länger, denn der kleine Körper ist bereits kaum noch zu erkennen; nicht zuletzt, weil auch schon Wildtiere Spuren hinterlassen haben.

Noch ganz unter Schock alarmiert das Paar die Polizei in Ilmenau. Die wiederum wendet sich an die Kriminalpolizei in Gotha. Dort rückt man mit allen Kräften aus, die man vor Ort braucht. Neben den Spezialisten des Kriminaldauerdienstes kommen auch die Tatortgruppe des LKA vor Ort, die Rechtsmedizin Jena wird alarmiert, die Bereitschaftspolizei rückt mit Technik an, um den Tatort auszuleuchten. Ein Leichenhund wird geordert.

Es folgen Tage, Wochen, Monate, Jahre angestrengter Ermittlungen. Eine Arbeitsgruppe „Baby“ wurde mit sieben Polizeibeamten gebildet, die der Gothaer Kriminalhauptkommissar Lars Fabig führte. Es gab Befragungen der Bevölkerung in Geschwenda. Doch die Erkenntnisse blieben spärlich: Man konnte feststellen, dass das Baby nicht älter als 3 Monate war. Ungewöhnlich an dem Fall war indes, dass das kleine Mädchen bekleidet und offenkundig auch bis kurz vor dem Ablegen gut gepflegt und ernährt worden war.  Darauf ließen entsprechende Spuren in den Windeln des toten Kindes schließen.

Die Nachforschungen wegen der Bekleidung ergaben keine Spur: Sowohl die Mütze der Marke „Matcholino“, der Body der Größe 50/56 und die Damenbluse, in die das Kind eingewickelt worden war, ergaben keine neuen Spuren. Nicht zuletzt deshalb, weil sie länger schon nicht mehr im Handel waren (Foto).

Die Beamten ermittelten unter anderem auch alle 42.000 Kinder, die in den Jahren 2017 und 2018 in Thüringen geboren worden waren. Sie alle waren am Leben, wie die Ermittlungen ergaben – auch jene 15, die nicht bei der ersten, vom Jugendamt geforderten Untersuchung vorgestellt wurden.

Inzwischen haben die Polizisten neue Erkenntnisse, konnten auf Daten aus sehr speziellen Untersuchungsmethoden zugreifen. Darüber informierten sie die Öffentlichkeit (Video).

„Oft kommen in den ersten Tagen, nachdem wir über solche Kriminalfälle die breite Öffentlichkeit informieren, wertvolle Hinweise, die zur Aufklärung der Tat führen können. Es gab auch zunächst 69 Meldungen, denen wir nachgingen. Doch leider führte keine der vermutlichen Spuren zu einem Ergebnis“, erklärte Lars Fabig.

Deshalb suchten die Kriminalisten Unterstützung bei rechtsmedizinischen Instituten in München, Jena, Freiburg und Amsterdam. Von dort gab es dann erste entscheidenden Hinweise. Ein Gutachten aus der Uni Jena erlaubte nun, den möglichen Geburtszeitraum des Mädchens auf Ende November, Anfang Dezember 2018 zu fixieren. Weitere Untersuchungsmethoden erbrachten den Zeitraum, in dem das Baby in Geschwenda abgelegt wurde: „Dies müsse zwischen dem 3. Und 12. Dezember gewesen sein“, erklärte Fabig. Wegen der fortgeschrittenen Verwesung des Leichnams sei aber keine Aussage darüber möglich, ob das Kind lebend dort abgelegt wurde oder bereits tot war.

Der leitende Ermittler Jens Fabig.

Das Amsterdamer Isotopen-Gutachten ergab aufgrund von Analysen des Bleigehalts in den Zellen zudem einen weiteren, nun schon fast entscheidenden Hinweis: Demnach müsse die Mutter des Kindes in der ersten Hälfte der Schwangerschaft in den USA gelebt haben, erst in der zweiten Hälfte bis zur Geburt dann wieder in Europa, „im nordwesteuropäischen Raum“, präzisierte Ermittler Fabig (Foto).

Jetzt haben sich die Ermittler zu einem schweren Schritt entschieden: Drei Jahre nun schon liegt das tote Baby in der Rechtsmedizin in Jena. Man wolle nun dessen Beisetzung in Geschwenda; „auch wenn wir damit nicht der Mutter diese Pflicht abnehmen wollen“, wie Fabig unterstrich.

Der dortige Pfarrer unterstütze diesen Plan, damit das unbekannte, namenslose Kind nun endlich seine letzte Ruhestatt finden möge. Das wird am 29. April um 14 Uhr geschehen.

Ermittelt wird weiterhin wegen Totschlags. Fabig, sein Kollege Jens Büchner, der das Kommissariat 1 in Gotha leitet, und der stellvertretende Leiter der Kriminalpolizeiinspektion Gotha, Steven Mayer, geben den Fall aber nicht auf. Sie werden weiter nach der Mutter, nach dem Vater des Kindes suchen und alles unternehmen, damit diese grausame Tat nicht ungesühnt bleibt.

 

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