DAK-Gesundheitsreport untersucht Missbrauch von verschreibungspflichtigen Medikamenten durch Arbeitnehmer

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Hirndoping im Job: Rund 18.600 Beschäftigte in Thüringen nutzen regelmäßig verschreibungspflichtige Medikamente, um am Arbeitsplatz leistungsfähiger zu sein oder Stress abzubauen. Das geht aus dem aktuellen DAK-Gesundheitsreport 2015 hervor.

Die Studie zeigt auch die Entwicklung der Fehlzeiten bei den psychischen Erkrankungen. Sie nahmen im vergangenen Jahr um achtzehn Prozent zu und kamen auf Platz drei der Gründe für Ausfallzeiten in Thüringen. Insgesamt blieb der Krankenstand stabil. Er lag mit 4,8 Prozent erneut deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 3,9 Prozent.

Für die repräsentative Studie wertete das IGES Institut die Fehlzeiten aller erwerbstätigen DAK-Mitglieder in Thüringen aus. Es wurden zudem Arzneimitteldaten der Kasse analysiert und bundesweit mehr als 5.000 Beschäftigte im Alter von 20 bis 50 Jahren befragt. Demnach haben sich 5,4 Prozent der Berufstätigen in Thüringen schon einmal gedopt – mit Dunkelziffer sogar bis zu 9,7 Prozent. Hochgerechnet auf die Erwerbstätigen in Thüringen sind das bis zu 101.600 Menschen, die schon einmal leistungssteigernde oder stimmungsaufhellende Medikamente genommen haben.

Derzeit betreiben etwa 18.600 Erwerbstätige in Thüringen regelmäßig und gezielt Hirndoping. „Auch wenn Doping im Job noch kein Massenphänomen ist, sind diese Ergebnisse ein Alarmsignal“, warnt Steffi Steinicke, Chefin der DAK-Gesundheit in Thüringen. „Nebenwirkungen und Suchtgefahr sind nicht zu unterschätzen. Deshalb müssen wir auch beim Thema Gesundheit vorausschauen und über unsere Wertvorstellungen und Lebensstilfragen diskutieren.“

Drei Viertel der Befragten in Thüringen kennen den vermeintlichen Nutzen des Hirndopings. Häufig werden dafür Betablocker und Antidepressiva eingesetzt, aber auch Wachmacher und ADHS-Pillen – Medikamente also, die eigentlich zur Behandlung von Krankheiten verschrieben werden. In Thüringen stieg zum Beispiel die Zahl der DAK-Versicherten, die von ihrem Arzt eine Methylphenidat-Verordnung (Ritalin) erhalten haben, von 2011 bis 2013 um 63 Prozent an. Methylphenidat ist zur Therapie von Aufmerksamkeitsstörungen zugelassen. Für jedes neunte Ritalin-Rezept, das DAK-Versicherte bekamen, konnte die Kasse in den Behandlungsdaten keine Hinweise auf ADHS finden. Auffällig auch das Medikament Fluoxetin: Die Verordnungsraten für dieses Antidepressivum blieben zwar stabil, doch auch hier fehlten bei vielen Rezepten (10,6 Prozent) nachvollziehbare Diagnosen. „Die Ergebnisse unseres Reports zeigen, dass es eine deutliche Grauzone bei den Verordnungen gibt. Wir vermuten, dass aus dieser Grauzone ein Teil der zur Leistungssteigerung und zur Stimmungsaufhellung missbrauchten Medikamente stammt“, sagt Steinicke.

Männer wollen mehr Leistung: Auslöser für den Griff zur Pille sind meist hoher Leistungsdruck sowie Stress und Überlastung. Männer greifen eher zu leistungssteigernden Mitteln, Frauen nehmen häufiger stimmungsaufhellende Medikamente ein. Entgegen der landläufigen Meinung sind es nicht primär Führungskräfte oder Kreative, die sich mit Medikamenten zu Höchstleistungen pushen wollen. Der DAK-Report zeigt, dass vor allem Erwerbstätige mit einfachen Jobs gefährdet sind. Auch Beschäftigte mit einem unsicheren Arbeitsplatz haben ein erhöhtes Doping-Risiko. „Hirndoping ist mittlerweile bei ‚Otto Normalverbraucher‘ angekommen, um den Arbeitsalltag besser zu meistern. Das Klischee der dopenden Top-Manager ist damit vom Tisch“, so Steinicke.

Der DAK-Gesundheitsreport untersucht auch den Krankenstand in Thüringen. Er blieb gegenüber dem Vorjahr unverändert hoch und lag bei 4,8 Prozent. Das heißt, 2014 waren von 1.000 erwerbstätigen Arbeitnehmern in Thüringen im Schnitt pro Tag 48 krankgeschrieben. Zum Vergleich: In Baden-Württemberg, dem Bundesland mit dem geringsten Krankenstand, waren es im Schnitt nur 33. Für fast ein Viertel aller Ausfälle in Thüringen waren Probleme des Muskel-Skelett-Systems verantwortlich, beispielsweise Rückenschmerzen. Die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen, wie Depressionen und Angstzustände, stiegen um 18 Prozent an und machten gut ein Achtel aller Fehltage aus. Seelenleiden lagen damit in Thüringen auf Platz drei der wichtigsten Krankheitsarten, knapp hinter den Atemwegserkrankungen auf Platz zwei mit einem Anteil von 14 Prozent.

Die Branchen mit dem höchsten Krankenstand waren 2014 das Gesundheitswesen mit 5,2 Prozent sowie die Öffentliche Verwaltung und der Handel mit jeweils 4,8 Prozent. Den niedrigsten Krankenstand hatte der Wirtschaftszweig Bildung, Kultur, Medien mit 3,9 Prozent.

Die DAK-Gesundheit ist die drittgrößte Krankenkasse Deutschlands. Für die Analyse wurden die Daten von 68.300 erwerbstätigen DAK-Mitgliedern in Thüringen durch das IGES Institut ausgewertet.

Die gesamte Pressemeldung und ein Foto zum Download finden Sie im Internet unter: http://www.dak.de/dak/regionale_themen/Gesundheitsreport_Thueringen_2015-1619332.html