Enteignung oder Verfall?

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Schon Rapunzel residierte im Schloss und wandelte durch den Park Reinhardsbrunn – zwar nur im DEFA-Märchen von 1957, aber die Kulisse des Schlosses ist bis heute einmalig und märchenhaft. Das Interesse an den über 1000 Jahren gelebter Geschichte ist groß. Die Schlossparkführungen zwischen April und Oktober sind gut besucht. Immer wieder erkundigen sich Einheimische und Touristen: Was wird aus dem Schloss?

Von 1085 bis in das erste Drittel des 16. Jahrhundert befand sich an der Stelle des heutigen Schlosses Reinhardsbrunn ein Kloster gleichen Namens. Der europäische Aufbruch im Hochmittelalter, der in Thüringen eng mit den Ludowingern verbunden ist, bescherte Reinhardsbrunn den vergangenen Reichtum. Heute gleicht das Schicksal des Schlosses einer unendlichen Geschichte: Eine schier unübersichtliche Eigentümerhistorie, hochfliegende Luxusherbergenpläne, Verdacht der Geldwäsche, schwebende Gerichtsverfahren und ein zuständiger russischer Ansprechpartner, der nie erreichbar ist.
 
Um ein Gesamtkonzept für das Schloss auf die Beine zu stellen, gründete sich am 29. November vergangenen Jahres der „Förderverein Schloss und Park Reinhardsbrunn e.V.“. Unter dem Vorsitz des Pfarrers Christfried Boelter (im Ruhestand) soll aus Thüringens ehemals wichtigstem Kloster ein wertvoller, geschichtsträchtiger Standort entstehen. In den vergangenen 20 Jahren engagierten sich immer wieder Einzelpersonen und Gruppen. Diese Kräfte werden nun gebündelt. 33 Mitglieder, unter ihnen Bürgermeister, Anwälte, Architekten, Restauratoren, Stadträte und vor allem Geschichtsinteressierte kämpfen dafür, dass der Verfall aufgehalten und eine Vision erarbeitet wird. Christfried Boelter setzt sich besonders für ein tragfähiges Nutzungskonzept ein: „Seit 20 Jahren bin ich Nachbar dieses historisch wertvollen geistigen Zentrums. Wenn Kulturgüter so in Gefahr sind, müssen ein Maßnahmeplan erstellt, die Öffentlichkeit und Politik eingebunden werden. Das Land könnte sogar eine Enteignung in die Wege leiten. Wir werden, ob mit oder ohne Eigentümer, den Verfall des Schlosses stoppen, den Erhalt konzipieren und Visionen Taten folgen lassen.“ Fachhochschulen und Hochschulen für Bau und Architektur bekundeten bereits ihr Interesse an einer Zusammenarbeit. Denkbar wäre es, in der Schlosskirche ein Klostermuseum unterzubringen und viele Räume bieten sich dafür an, Unterkünfte und Bildungseinrichtungen zu schaffen. Sabine Ortmann, Abteilungsleiterin beim Landesamt für Denkmalpflege ist weniger optimistisch: „Das Amt hat über die Jahre immer wieder Kontakt zu den Eigentümern aufgenommen, das Gespräch  gesucht, Mittel bereitgestellt und Sicherungsmaßnahmen verfügt. Es ist nichts passiert, man kann den Eigentümer nicht zwingen und eine Enteignung halte ich für unrealistisch. Man kann den Verein derzeit nur dabei unterstützen, ein fundiertes Nutzungskonzept zu erstellen und sollte von politischer Ebene Druck ausüben. Es ist schade, wenn solch bedeutende Denkmäler verfallen.“
 
Der erste Schritt ist zunächst, den Bestand genau aufzunehmen. Steinrestaurator Stephan Scheidemann aus Friedrichroda kennt das Objekt seit Jahrzehnten: „Der Schaden potenziert sich mit den Jahren. Die kaputten Dächer und Fassaden zerstören durch eindringendes Wasser und Salze die Innenräume. In den nichtklimatisierten Räumen gehen die Malereien unwiederbringlich verloren. Der Park wurde vernachlässigt, Bäume und Mauern stürzen ein und der Teich ist versifft.“ Die Gefahr ist groß, dass das Schloss zu einer verwalteten Ruine verkommt, mahnt Scheidemann und: „Es muss schnell gehandelt werden, um das Schlimmste zu verhindern. Das Schloss Reinhardsbrunn ist eine der bedeutendsten frühromantischen Anlagen überhaupt und einmalig in Thüringen.“
  
Die Substanz des Kavalierhauses ist bis auf statische Unzulänglichkeiten noch recht gut, hier könnte als Erstes angesetzt werden. Zuvor gilt es jedoch, den derzeitigen Eigentümer Roman Sushkow, einen russischen Oligarchen, und seinen Ansprechpartner und Verwalter Aleksandr Harcenko in die Pflicht zu nehmen. Eigenmächtige Maßnahmen an Gebäuden und Grundstücken wären Hausfriedensbruch. 2012 gründet sich laut Büroleiter Meik Schmidt im Spirituellen Tourismuszentrum das Projekt „Klostervision“ und: „Es wird ein fester Gebäudekomplex entstehen in dem ein virtuelles Kloster in 3 D wiederaufersteht. Danach könnte das Schloss in das Gesamtkonzept der Reinhardsbrunner Klostervision des Vereins Kirche und Tourismus einbezogen werden.“
 
Wer weiß: Vielleicht ist die wunderschöne Kulisse des Schlosses eines Tages wieder ein märchenhafter Drehort…