Gothaer Winterpalais wird umfangreich saniert

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Mit der Grundsteinlegung durch Oberbürgermeister Knut Kreuch wurde heute im Beisein zahlreicher Gothaer und Vertreter der Baufirmen der offizielle Startschuss für die umfangreiche Sanierung des Gothaer Winterpalais und dessen künftige Nutzung als Stadtbibliothek gegeben. Für das gesamte Projekt wird eine Bauzeit von zwei Jahren veranschlagt, die Baukosten betragen rund 5,5 Millionen Euro.

Das Gothaer Winterpalais wurde im 18. Jahrhundert vom Gothaer Hofmarschall von Frankenberg als kleines Palais erbaut. Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg kaufte im Jahre 1798 das Wohnhaus mit einem Gartengrundstück am Siebleber Tor. Sein Nachfolger Herzog August ließ das Haus für seine Witwe Caroline von Sachsen-Gotha-Altenburg, eine Tochter des hessischen Kurfürsten Wilhelm I. herrichten.

Als die Herzogin das Haus zum Witwensitz nahm stand in der Urkunde dazu „Ihre Hoheit hatte 38 beheizbare Zimmer, 25 Kammern und Kabinette mit Einschluss des Speisesaals in der Größe wie der in Schloss Friedrichstal befindliche….“. Caroline Amalie, Enkelin des Dänenkönigs war auch eine Urenkelin von König Georg II. von England und damit eine Nichte des Thronfolgers Friedrich Ludwig (Frederick), der mit der Gothaer Prinzessin Augusta vermählt war. Herzogin Caroline Amalie lebte bis zu ihrem Tode 1848 in dem Palais. Als Queen Victoria und ihr Gatte Prinzgemahl Albert von Sachsen-Coburg und Gotha am 29. August 1845 erstmalig gemeinsam Gotha besuchten, wurden sie zuerst von der Großmutter Herzogin Caroline Amalie im Winterpalais begrüßt.

Nach dem Tode der Herzogin-Witwe zog das Herzogliche Staatsministerium im Palais ein. Gothaer Politik wurde über viele Jahrzehnte von diesem Platze aus gestaltet. Berühmte Familien wohnten im Winterpalais. Da waren die Familie von Malotki, von Westernhagen, von Treskow, die Staatsminister von Bonin und von Hentig und Hofmarschall von Rüxleben zu Hause. Die Handwerkskammer, die Kriegsgeneralkasse und die Fürsorgestelle betreuten im Winterpalais die Belange der Menschen.

Schon immer war der prächtige Bau an Gothas großer Magistrale für repräsentative Aufgaben und wichtige Entscheidungsträger eine bevorzugte Lage. Selbst die Mächtigen der DDR schätzten diesen Standort und ließen ihn gleichzeitig gnadenlos verfallen. Die Kreisorganisationen der Freien Deutschen Jugend, des Deutschen Turn- und Sportbundes und der Gesellschaft für Sport und Technik leiteten vom Winterpalais durch alle Monate und viele Jahre die Geschicke im Gothaer Land. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde in diesem Haus die Zeitung „Der Stürmer“ herausgegeben, von 1946 bis 1990 war hier die Redaktion der SED-Tageszeitung „Das Volk“.

Mit der Deutschen Einheit kamen die Zeiten der Träume und der großen Investoren. Ob Spielbank oder hochklassiges Seniorenheim, viele dieser Träume platzen so, wie sie ausgesprochen waren. Doch dem Haus lief die Zeit davon und ohne Nutzung zog der Hausschwamm ein. Die Stadtverwaltung suchte nach Lösungen, das Haus von Queen Victoria, das Haus einer glücklichen Kindheit des Prinzen Albert in Gotha zu erhalten.

Im Jahre 1999 erfolgten Sicherungsmaßnahmen gegen den Schwammbefall. Die in den  Folgejahren unternommenen Versuche, das Grundstück mit dem Gebäude zu verkaufen, zu sanieren und wieder zu nutzen schlugen fehl und der Bauzustand verschlechterte sich bedrohlich. Ein bautechnisches Gutachten  bestätigte eine Substanzschädigung von 80%.

Der schlechte Zustand des Gebäudes offenbarte sich im Rahmen weiterer Sicherungsmaßnahmen und bei der Einrüstung der Gebäudehülle im Frühjahr 2011. Die akute Einsturzgefahr von Teilen des Winterpalais konnte durch einen Teilrückbau  beseitigt werden, die jetzt noch bestehenden und abgestützten Außenwandbereiche werden erhalten und im Neubau integriert.

Anfang Juni dieses Jahres wurde eine bedruckte 560 m² große Gerüstplane vor den Fassaden angebracht. Sie zeigt die Fassadenansicht des zu errichtenden Gebäudes. Diese Plane ist in der Friedrichstraße 43,95 m lang und 9,50 m hoch, im Philosophenweg 14,95 m lang und 10 m hoch. Der Betrachter hat so ein genaues Bild von dem dahinter entstehenden Gebäude. Mit Beginn der Sicherungs- und Rohbauarbeiten wurden Plane und Gerüst zwischenzeitlich entfernt, um Platz für eine Abstützkonstruktion aus Holzbalken zu schaffen. Diese großen Abstützböcke stabilisieren die weiter zu verwendenden Außenwandbereiche bis in das kommende Jahr hinein.

Seit August baut die Rohbaufirma die noch im Hintergrund befindlichen Raumstrukturen, welche momentan die Fassaden stabilisieren, zurück. In der nachfolgenden Rohbauphase werden die zu erhaltenden Fachwerkwände ausschließlich durch die Abstützkonstruktion gehalten. Nach Fertigstellung der Rohbaukonstruktion werden die alten Fachwerkwände am Rohbau befestigt. Danach können die Abstützböcke wieder entfernt werden.

An dem nun sowieso notwendig werdenden Fassadengerüst kann dann wieder die bedruckte Plane befestigt und somit zum zweiten Mal eingesetzt werden. Während der nun folgenden Ausbauphase hat der Betrachter wieder die schöne fertige Fassade des Winterpalais vor Augen.

Während der Errichtung der Dachkonstruktion und der Dacheindeckung vervollständigt sich das Bild für den Betrachter in so weit, dass hinter der bedruckten Plane mit der Fassadenansicht nun im Maßstab 1:1 die Wandansicht durch die Entstehung des Daches ergänzt und vervollständigt wird. Für den Betrachter „wächst“ das Gebäude sozusagen aus der bedruckten Plane hinaus.

Die Aufträge für den Rohbau des Winterpalais und für die allgemeinen Bauarbeiten am Hofgärtnerhaus wurden vergeben. Die Firmen haben die Arbeiten bereits aufgenommen. Im Hofgärtnerhaus wurde mit Entkernungsarbeiten begonnen. Am Winterpalais wird momentan die Baugrube für das Kellergeschoß des Seitenflügels am Philosophenweg hergestellt. Geplant ist noch in diesem Jahr die Arbeiten am Kellergeschoss und an der Gründung abzuschließen. Die Rohbauarbeiten werden sich bis in die Mitte des kommenden Jahres erstrecken. Alle weiteren Gewerke werden, parallel zum Ablauf der Rohbauarbeiten, im Thüringer Staatsanzeiger ausgeschrieben, geprüft und vergeben.

Während der Ausführung der gesamten Rohbauarbeiten muss der Philosophenweg gesperrt bleiben. Erst nach Rohbaufertigstellung können die Abstützböcke entfernt und die Straße wieder geöffnet werden.
Zur heutigen Grundsteinlegung überreichte der Verein für Altstadtgeschichte und Stadterhaltung e.V. einen Scheck in Höhe von 1.000 Euro für die Rekonstruierung des Balkonzimmers. Bereits 2007 hatte die Praxis Dr. Löwicke und Dr. Schulz eine Geldspende in Höhe von 2.600 Euro die Förderung und Erhaltung des Winterpalais an Oberbürgermeister Knut Kreuch übergeben, der damals zu einer Hilfsaktion zu Gunsten des historischen Gebäudes aufgerufen hatte.