Gunther Emmerlich über sich

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Gunther Emmerlich, 66, ist der einzige Entertainer aus Ostdeutschland, der auch nach dem Fall der Mauer dem Showgeschäft und Publikum erhalten blieb und sich immer noch größter Beliebtheit erfreut. Am 16. Juli gastiert der 66-Jährige mit der Semper Hous Band in Tambach-Dietharz. Oscar-Redakteur David Ortmann sprach mit Gunther Emmerlich.

Herr Emmerlich, haben Sie sich im vergangenen Jahr zu viel zugemutet? Das klingt ja so, als hätte ich 365 Tage lang flach gelegen. Ich lag drei Tage im Bett. Am vierten stand ich schon wieder auf der Bühne. Wenn man sich mal drei Tage eine Auszeit nimmt, weil man sich beim EKG etwas übernommen hat, ist das eigentlich nicht der Rede wert.

Im Juli kommen Sie nach Thüringen – und treten mit der Semper-House-Band in Tambach-Dietharz auf. Worauf kann sich das Publikum freuen? Die Semper-House-Band gibt es ja schon seit 26 Jahren. Das sind die jazzenden Herren der sächsischen Hofkapelle aus Dresden, die normalerweise mit Brahms, Bach und Beethoven vertraut sind und in ihrer Freizeit einem Hobby frönen. Wir gehen also nicht wie eine Schlagertruppe auf Tour. Freuen kann sich das Publikum auf ein musikalisches Fremdgehen, wo Adaption aus Oper und Klassik erklingt und natürlich auch Dixiland und Swing Standards dabei sind. Ich führe durchs Programm und singe. Und dieser Ort an der alten Talsperre in Tambach-Dietharz bietet natürlich ein ganz besonderes Ambiente. Da ist ja zumindest von der Ahnung her ein Hauch von Sintflut, was einen da erwartet.

Sie sind sehr viel auf Achse. „Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an!“ Ist das ein Motto, über das Sie nur müde lächeln können oder leben Sie es wirklich? Erst einmal ist es ja ein Schlager. Und Schlager sind für das Leben nicht ernst zu nehmen. Es ist der Lebenswille von Udo Jürgens gewesen, der damit zum Ausdruck gekommen ist. Ich bin nicht der Meinung, dass das Leben mit 66 anfängt, aber es kann sehr erfreulich weitergehen. Das stelle ich im Moment gerade fest. Ich hatte in den vergangenen acht Tagen drei Fernsehauftritte und einen Liederabend, einen Duettabend, eine Lesung und zwei Kirchenkonzerte. Mir macht die Arbeit Freude und das soll auch noch eine Weile so bleiben.

Sie sind ja der einzige Entertainer aus der DDR, der dem Showgeschäft bis heute erhalten geblieben ist und der auch jetzt noch unglaublich viele Fans hat. Warum ist das ausgerechnet Ihnen gelungen? Das dürfen Sie mich nicht fragen. Dann gerate ich ja in die Versuchung, irgendwelchen eitlen Kram daher zu reden. Also werde ich es meiden. Ich erfreue mich jedenfalls daran. Vielleicht liegt es an der Vielseitigkeit.

Sie waren in der DDR mit Ihrem Programm Showkolade auch ziemlich kritisch und haben die ein oder andere Spitze losgelassen …
… und das ist sicher auch ein Grund, warum mich die Leute auch heute noch gut leiden können. Sie wissen und das ist eben auch medial prüfbar, dass ich kein angepasster Arsch war. Auch wenn ich kein Widerstandskämpfer war. Ich habe versucht, die Enge dieses Landes verbal auszuloten.

War Ihnen vor den Auftritten immer klar, wie weit Sie gehen können? Ist das keine Gratwanderung? Das ist ein sehr kompliziertes Feld. Es hat ja auch ein paar Hasenfüße gegeben, die dann gesagt haben, der Emmerlich durfte das. Als hätte ich damals so einen Freifahrtsschein bekommen. Das ist natürlich Quatsch. Ich hab’s einfach gemacht. Ich habe es gemacht und ich habe auch gewusst, dass man dieses und jenes rausschneidet. Kabarettisten haben das zu DDR-Zeiten ähnlich gemacht. Das hieß „Porzellanfiguren schaffen“. Man hat sich Dinge einfallen lassen, wo man wusste, da stürzen sie sich drauf. Und dadurch ging anderes wieder durch. Es war ein Spielchen, das man da gemacht hat. Aber es hat auch Spaß gemacht, die Funktionäre auszutricksen.

Welche Konsequenzen hätten Sie denn befürchten müssen? Noch bevor ich beim Fernsehen angefangen habe, hatte ich in einigen Bezirken, zum Beispiel dem Bezirk Gera, Auftrittsverbot. Später durfte ich im Fernsehen nie live auftreten. Das waren alles aufgezeichnete Sendungen. Und im Ernstfall, das weiß ich aus meiner Stasi-Akte, wäre ich in ein Internierungslager bei Tautenhain gekommen.

Waren Sie schockiert, als Sie das gelesen haben? Ich war erfreut, dass es nicht dazu gekommen ist. Der ganze Aufwand hat denen nichts genützt, der Apparat ist zusammengebrochen wie ein Kartenhaus. Es war auch keine Wende. Es war win Zusammenbruch.

Publiziert am 03. Juli 2011, 14:36 Uhr; Erschienen in der aktuellen Ausgabe – Oscar-am-Freitag