Rocker Karsten Schmitz spricht im Oscar über Vorurteile und Wahrheiten

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Furchtbar brutal und brutal kriminell sollen sie sein. Den Motorradclubs eilt ein übler Ruf voraus. Nun hat der Stahlpakt MC in der Verlängerten Goethestraße in Waltershausen sein neues Domizil eröffnet. Oscar-Redakteur David Ortmannn hat sich mit Karsten Schmitz (45), dem Boss der Rocker, getroffen und erfahren, dass selbst der hartgesottenste Typ nackt ins Schlafzimmer geht …

Herr Schmitz, auf dem vergangenen Parteitag der Thüringer Sozialdemokraten wurde vorgeschlagen, den Verfassungsschutz abzuschaffen. Bei dieser Idee haben Sie doch bestimmt applaudiert. Ja. Dann hätten die vielleicht Zeit, sich um etwas Ordentliches zu kümmern. Und sich nicht zehntausendmal im Jahr unsere Ausweise zeigen zu lassen und uns als kriminell einzustufen.   

Thüringen hat nicht unbedingt gute Erfahrung mit Motorradclubs gemacht. Was meinen Sie,  warum werden Sie so oft kontrolliert?
Weil wir der größte Club in Thüringen sind. Das war zu DDR-Zeiten nicht anders. Wenn du in einer großen Clique mit zehn oder 15 Leuten warst, stand die Polizei permanent auf der Matte.

Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass man mit Schutzgelderpressung und Prostitution in Waltershausen Geld machen kann. Warum haben Sie ausgerechnet hier Ihr Clubhaus eröffnet? Weil das gar nicht unser Interesse ist. Wir haben alle unser bürgerliches Leben, unseren Beruf. Es ist aber in der Szene üblich, dass ein im Ort ansässiger Motorradclub auch ein Zuhause hat.

Nun sind Sie in Waltershausen. Wie ist Ihnen denn die Stadt entgegengetreten – angsterfüllt? Skeptisch? Im Gegenteil. Der Bürgermeister hat sich sehr offen gezeigt und will sich unseren Club auch mal anschauen.

Und die Nachbarschaft? War die nicht skeptisch, als sie gehört hat, dass in ihrer Mitte ein Motorradclub eröffnet? Der ganze Krach, die Schlägereien und ständig dieses nervende Blaulicht … Nein, bis jetzt habe ich keine Skepsis gespürt. Wir haben unsere Nachbarn auch schon eingeladen. Und die kamen. Wir sind ein offenes Haus. Nur einmal, als ich den einzelnen Nachbarn vor unserer großen Party Bescheid gegeben habe, hat einer gesagt, dass er hofft, dass nicht die Motorradclubs aus dem Fernsehen kommen. Da musste ich schon schmunzeln.

Aber hat Ihr Nachbar nicht Recht? Gibt es nicht genug Rivalität unter den Motorradclubs? Das ist eine ganz einfache Frage. Stahlpakt ist neutral. Wir unterstützen niemanden. Das wissen alle. Was sie davon halten, müssen sie für sich entscheiden. Motorradfahren ist eine Lebenseinstellung, nichts Kriminelles. Gut, manche sehen etwas wild aus, aber auch die gehen nackt ins Schlafzimmer.

Der Motorradclub und das Vereinshaus des Stahlpakt MC ist also für alle offen? Ja. Solange die Gäste ordentlich und respektvoll miteinander umgehen. Jeder weiß doch, wie viel Freizeit da dran hängt. Wie bei anderen Vereinen. Fußballvereine oder Kegelvereine, die ihre Räume in Eigenregie verwalten, haben denselben Respekt verdient.

Sie haben die Nachbarn eingeladen. Ist dass nicht etwas scheinheilig? Wollen Sie damit nicht den Eindruck vermitteln, dass die bösen Jungs plötzlich lieb geworden sind und nun den armen Omas über die Straße helfen, statt ihnen die Handtasche abzunehmen? Wir helfen den Omas tatsächlich. Und in der Straße, in der wir sind, gibt es auch keinen Ärger. Hier kann die Oma auch noch um 22 Uhr spazieren gehen, sie wird von uns beschützt, weil wir strikte Regeln haben. Dort, wo wir sind, gibt es keinen Ärger.

Welche Vorurteile über Motorradclubs ärgern Sie denn am meisten? Diese permanenten Äußerungen, dass wir Kriminelle sind. Wenn wir Kriminelle sind, dann ist jeder Fußballfan, der am Samstagabend Sportschau guckt und dabei ein Bier trinkt, ein Hooligan. Man kann nicht alle Leute in einen Topf werfen. Das nervt mich am meisten.  Wer Ärger macht, wird nämlich rausgeschmissen. Wir brauchen keine Poser. Unsere Jungs sollen sich ordentlich verhalten.

Was sagt eigentlich Ihre Mutter dazu, dass Sie Rocker sind? Meine Mutter kennt mich nur so, dass ich permanent etwas zu tun habe und unterwegs bin. Ich gehöre eben nicht zu den Leuten, die Samstagabend auf der Couch liegen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Publiziert am 03. Juli 2011, 14:33 Uhr; Erschienen in der aktuellen Ausgabe – Oscar-am-Freitag