Kostbare Gothaer Elfenbeintafel zu Besuch in Washington

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Eigentlich gehört die eher unscheinbare, aber außerordentlich kostbare byzantinische Elfenbeintafel zu den Exponaten der Gothaer Kunstkammer, die – wie beispielsweise auch der berühmte Dinglinger-Elefant – Schloss Friedenstein nicht verlassen sollten. Dennoch hat die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha hier eine Ausnahme gemacht. Ende März durfte das bedeutende Stück die weite Reise über den „großen Teich“ antreten und ist nun für vier Monate in Washington D.C. zu Gast.

Dort zeigt das zur Harvard Universität gehörende Museum Dumbarton Oaks bis 31. Juli 2011 eine Sonderausstellung mit dem Titel „Cross References“. Im Focus der Sonderschau stehen Geschichte und Darstellung des Kreuzes als Symbol des Christentums von spätrömischer Zeit bis zum Ende des Mittelalters.

Auf der nur knapp 30 Zentimeter hohen und 14 Zentimeter breiten Gothaer Tafel ist ein Gemmenkreuz mit Christusmedaillon dargestellt. Sie wurde in der Mitte des 10. Jahrhunderts von einem Elfenbeinschnitzer am Kaiserhof in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, vermutlich als Teil eines Diptychons angefertigt. Diptychen wurden seit der Zeit der Antike als zweiteilige Schreibtäfelchen und später auch als kleine zweiflügelige Altäre genutzt.

Für das Museum in Washington war die Ausleihe der Gothaer Elfenbeintafel nicht nur wegen des darauf dargestellten Gemmenkreuzes von großem Interesse, sondern auch, weil sich in der eigenen Sammlung von Dumbarton Oaks das zugehörige Gegenstück mit dem Porträt eines jugendlichen Kaisers befindet. Drei Einlassschlitze für Scharniere an der rechten Seite der Gothaer Tafel bzw. an der linken des Washingtoner Exemplars sind genau aufeinander abgestimmt. Dieser Umstand untermauert die Vermutung, dass beide Tafeln ursprünglich ein Diptychon bildeten.

Wann die beiden Tafeln getrennt wurden, konnte bislang noch nicht ermittelt werden. Das heute in den Sammlungen der Stiftung Schloss Friedenstein befindliche Exemplar wurde 1923 vom damaligen Gothaer Museumsdirektor Karl Purgold (1850-1939) im Münchner Kunsthandel erworben. Die Provenienz des Gegenstücks in Washington lässt sich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen – laut eines historischen Kataloges befand sich die Tafel 1753 im „Museo del Sig. Francescomaria Fiorentini“ in Lucca. 1937 wurde sie von dem amerikanischen Sammlerehepaar Bliss, den Stiftern von Dumbarton Oaks, erworben.

Nach Ende der Ausstellung in Washington wird die Gothaer Elfenbeintafel nicht allein zurückkehren, sondern im Herbst gemeinsam mit ihrem „amerikanischen“ Gegenstück in der Kunstkammer auf Schloss Friedenstein präsentiert.

Publiziert: 5. April 2011, 18.22 Uhr