Lieber Knecht des Eigentümers oder Lieberknecht für Reinhardsbrunn?

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Eigentlich ist es ganz einfach: Das Schloss Reinhardsbrunn in Friedrichroda befindet sich in Privatbesitz. Das wäre auch gar kein Problem, würde der Eigentümer das Thüringer Denkmal nicht verkommen lassen. Aufgrund dessen möchte das Land Thüringen das Schloss dieser privaten Hand entreißen. So weit, so logisch. Wie schon gesagt: Eigentlich …

Am Abend des 12. Mai klärt Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht in Gotha über dieses „Eigentlich“ auf.
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Es ist 20 Uhr am 12. Mai und trotz der späten Stunde brannte im Café des Herzoglichen Museums zu Gotha noch Licht. Und das aus gutem Grund: Christine Lieberknecht war zu Gast, um über die weitere Verfahrensweise bezüglich des Schlosses Reinhardsbrunn zu informieren. Jedoch tat sie dies nicht allein. Auch der Thüringer Finanzminister Wolfgang Voß sowie die Kommunalpolitiker Knut Kreuch, Oberbürgermeister der Stadt Gotha und Landrat Konrad Gießmann, nahmen an dem Abendessen mit Politik-Talk um 20 Uhr teil. Prof. Dr. Michael Brenner war ebenfalls zugegen. Der Rechtswissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitet für das Ministerium in diesem Fall.

Die Ministerpräsidentin eröffnete die Pressekonferenz damit, wie schön sie es fände, hier im Herzoglichen Museum Gotha zu sein: „Das Museum ist wundervoll restauriert worden und braucht auch inhaltlich weltweit keinen Vergleich zu scheuen.“ Elegant schlug sie  die Brücke zum Schloss Reinhardsbrunn: „Doch es gibt auch offene Wunden!“ Aufgrund des Zusammenspiels von Kunst und Natur sei es eines der schönsten Bauten im Kultur-Bundesland. Lieberknecht weiter: „Wir sprechen hier über die bedeutendste neugotische Schlossanlage Thüringens.“

Ob es an der Tageszeit oder am leidigen Thema lag – die Anwesenden schienen ein wenig ermüdet. Allerdings wirkte dem erfolgreich die herzogliche Bewirtung im Café des Stadtmuseums entgegen. Leidig vor allem deshalb: Vor zwei Jahren machte Landrat Gießmann Christine Lieberknecht auf den Verfall des Denkmals aufmerksam. Seither versuchen die Politiker gemeinsam in Verhandlungen zu kommen bzw. gar in Kontakt mit dem Eigentümer BOB Consult GmbH zu treten. Die Baufirma vernachlässige ihr Eigentum und besonders bei Bauten mit Denkmalcharakter könne man dies nicht einfach hinnehmen. „Zwar ist es Privateigentum, aber wir dürfen da nicht achselzuckend daneben stehen. Eigentum verpflichtet! Neben Eigentumsrechten gibt es auch Eigentumspflichten. Und wenn diese nicht eingehalten werden, muss man dem nachgehen“, erklärte die Ministerpräsidentin.

Nun wurde Professor Brenner für seine Mitarbeit gedankt und zu Wort gebeten. Er erstellte ein juristisches Gutachten und seiner Meinung nach ist eine Enteignung im Sinne der Ultima Ratio, dem letzten vernünftigen Lösungsweg, gerechtfertigt. „Die Enteignung von Eigentum ist der stärkste Eingriff ins Eigentumsrecht. Das muss durch drei Punkte begründet sein; erstens: Die Enteignung darf nur durch das Gesetz geschehen. Zweitens: Sie muss verhältnismäßig sein. Und drittens: Es muss eine Entschädigung vorhanden sein. Über die Höhe oder gar der Rechtfertigung dieser entscheidet das Gericht“, erläuterte der Jurist der Universität Jena. Damit es Ihre Augenlider nicht den Kampfunfähigen der Anwesenden an jenem Abend gleichtun, wird hier nicht jedes juristische Detail ausgeführt. Trotzdem müssen die ersten beiden Punkte abgearbeitet werden.

Greift hier das Thüringer Denkmalschutzgesetz? Kurz gesagt: Ja! Die Anlage wurde 1891 in das „Inventar der Kunstdenkmäler des Herzogtums Sachsen – Coburg und Gotha“ aufgenommen. Seit 1980 steht es als Denkmal von nationaler Bedeutung in der DDR-Denkmalliste und wurde 1992 in das Denkmalbuch des Freistaates Thüringen übernommen.

Ist eine Enteignung verhältnismäßig? All die Mängel und Schäden hätte er in kürzerer Zeit nicht abarbeiten können: „Wir sprechen hier von gravierenden Schäden: Von Vandalismus, von Diebstahl – die Glocken und das Uhrwerk wurden entwendet – wir sprechen von einem stetigen Verlust der Bausubstanz.“ Somit sei das Denkmal als solches gefährdet. Finanzminister Wolfgang Voß schaltete sich entrüstet ein: „Ich habe es mir angesehen und kann ihnen nur raten das auch zu tun. Es gibt sogar einen öffentlichen Termin. Da fehlt es an allen Ecken und Enden.“ Konrad Gießmann führt zurück zum Thema: „Als Landrat gehöre ich auch der unteren Denkmalschutzbehördede an. Wir haben darauf zu achten, dass sich der Zustand eines Denkmals nicht verschlechtert. Nun haben wir bemerkt, dass ein verfall vom Eigentümer selbst nicht aufzuhalten ist und haben daraufhin versucht in Kontakt mit BOB Consult zu treten. Da sich allein das schwierig gestaltete, kam es auch zu keinen zielführenden Verhandlungen. Auch Zahlungen für Maßnahmen, die wir tätigen mussten, wurden nicht beglichen.“ Der Jenaer Jurist schloss die Diskussion: „Das Verhalten des Eigentümer spielte eine erhebliche Rolle, dass es nicht zum Kauf gekommen ist. Also darf es letztlich kein milderes Mittel als die Enteignung geben.“

„Es ist ein langer Weg, der sich bis zum Enteignungsprozess noch anderthalb bis zwei Jahre hinziehen kann“, schätzte Michael Brenner. „Allerdings ist dieser Präzedenzfall auch ein Gewinn für den Denkmalschutz“, so der Professor weiter. Ihm wäre bisher noch kein Fall diesen Ausmaßes bekannt.

„Kaum waren die Schlagzeilen zum Enteignungsvorhaben gelesen, kamen auch schon die ersten Briefe bei mir an: Welche Visionen ich denn für das Schloss habe und was damit geschehen solle“, gestand Christine Lieberknecht. Es klang nach Zukunftsmusik. Sie behilft sich eines Lieblingswortes ihrer Branche: „Genug Potential ist hier aber vorhanden.“ Besagte Zukunftsmusik war zumindest für einen der beiden Kommunalpolitiker heute schon zu hören. Während sich Landrat Gießmann mit konkreten Vorschlägen noch zurück hielt – „es existieren die Ideen von einem Hotel oder einem Bildungszentrum. Darüber wird man eben reden müssen. Aber wichtig ist, dass Leben in das Schloss kommt“ –, schien der erste Bürger der Stadt Gotha schon den fixen Gedanken parat zu haben: „Das 6-Sterne-Hotel ist meiner Meinung nach die (!) Lösung. Das fehlt in Thüringen.“ Finanzminister Voß zog jedoch die Zügel wieder an: „Man muss erst mal allerhand in die Hand nehmen. Es muss darum gehen, das Schloss dauerhaft zu erhalten.“

Im Anschluss hatte Regierungssprecher Dr. Karl-Eckard Hahn seine Schwierigkeiten, einen Schlusspunkt gegen 22 Uhr auf die Fragerunde zu setzen. Doch nach Flut kommt bekanntlich Ebbe. Politik und Presse zogen dann gemeinsam in den Kampf gegen die verbliebenen Lachs-Brötchen. Und als diese ihre deutliche zahlenmäßige Unterlegenheit einsehen mussten, fand der Abend sein Ende.

(Foto v.l.n.r.: Voß, Lieberknecht, Brenner, Gießmann)