Meisterkurs 2012 der Klassik Stiftung Weimar & der FSU Jena am 5. Juli 2012

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„Wo die Aufklärung in Frage gestellt wird, da steht die Moderne auf dem Spiel“, sagt Susan Neiman. Die Direktorin des „Einstein Forums“ in Potsdam leitet den Meisterkurs 2012, der gemeinsam von der Klassik Stiftung Weimar und dem Forschungszentrum „Laboratorium Aufklärung“ der Universität Jena angeboten wird. Idee des Meisterkurses ist es, dieses in der Kunst erprobte Instrument der speziellen Nachwuchsförderung in der Wissenschaft fruchtbringend zu etablieren. „Mit den Meisterkursen ist es uns gelungen, eine wichtige Kooperationslinie zwischen den beiden größten Wissenschafts- und Kultureinrichtungen des Landes Thüringen mit Leben zu füllen und dabei zugleich klassische Formate der Nachwuchsförderung zu durchbrechen“, sagt Katharina Held von der Friedrich-Schiller-Universität. „Die Kurse bieten jungen Wissenschaftlern die einmalige Gelegenheit, fächerübergreifend zusammenzukommen, dabei mit hochkarätigen Persönlichkeiten zu diskutieren und gleichzeitig zwei Orte des kulturellen Gedächtnisses kennenzulernen und zu erforschen“, so die zuständige Referentin der Kursreihe weiter. „Für Weimar und Jena ist die Etablierung eines solchen Kooperationsprojekts, das international ausgewiesene Wissenschaftler hierher bringt und mit dem zugleich erfolgreiche Nachwuchs-, Kultur- und Wissenschaftsförderung betrieben wird, ein großer Gewinn.“

Das diesjährige Thema des Meisterkurses lautet: „Was heißt Aufklärung im 21. Jahrhundert?“ Eingeladen wurden 20 Nachwuchswissenschaftler, die sich vom 4. bis 7. Juli in Weimar und Jena intensiv mit den Forschungen und Ideen Susan Neimans auseinandersetzen werden.

Susan Neiman hat bei John Rawls und Stanley Cavell in Harvard studiert. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Moralphilosophie und Politische Philosophie sowie die Geschichte der modernen Philosophie. Sie lehrte als Professorin an der Yale University und an der Tel Aviv University. Immer wieder hat sich Neiman in die politische Debatte eingemischt. Zuletzt erschien von ihr das Buch „Moralische Klarheit. Leitfaden für erwachsene Idealisten“ (2010).

Im Rahmen des Meisterkurses 2012 hält Susan Neiman am Donnerstag (5.7.) einen öffentlichen Vortrag mit dem Titel „Odysseus als Held der Aufklärung?“. Der Vortrag im Senatssaal der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Universitäts-Hauptgebäude (Fürstengraben 1) beginnt um 20 Uhr, Gäste sind herzlich willkommen. Der Eintritt ist frei.

In ihrem Vortrag geht es Susan Neiman darum, das Bild von Odysseus als einem Anti-Helden und als dem Prototyp des modernen, kalten, vernunftgeleiteten Kapitalisten-Menschen zu diskutieren, wie Adorno und Horkheimer ihn sahen. Sie versucht Odysseus als einen neuen Heldentypus zu präsentieren, der – im Gegensatz zum archaischen Helden wie Achilles – ein komplexer Charakter ist: Er kann grausam, ungeduldig und skrupellos sein, aber auch uneigennützig – und geradezu sensibel, wenn er mit Tränen in den Augen seine Heimat vermisst. Seine Figur markiert nach Neiman den Übergang zwischen zwei Zeitaltern: dem alten Wertesystem mit seinen klaren Tugenden und einer neuen Ordnung, die durch eine so ambivalente Figur – einen gebrochenen Helden voller Fehler, der der einzige Überlebende der Trojanischen Kriege ist – erst begründet wird. Neiman deutet diesen Helden, dem vorgeworfen wurde, er sei zu viel Vernunft und zu wenig Natur, als ein Symbol für die Vereinigung von Geist und Körper, Sexualität und Zivilisation, eben als Vernunft und Natur zugleich.


Foto: Susan Neiman (Quelle: prv.)