Rückkehr nach 70 Jahren – Toledo Museum of Art (TMA) gibt kostbares Astrolabium zurück

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Die Gothaer Sammlungen für Kunst und Wissenschaft haben wie kaum eine andere Museumslandschaft in Mitteldeutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges einen schmerzhaften Aderlass erfahren. Zunächst kam es während der US-Amerikanischen Besatzungszeit zu zahlreichen Diebstählen und illegalen Verkäufen durch unbefugte Personen.

Nach Abzug der US-Army und der darauf folgenden Übernahme Thüringens durch die Rote Armee wurden die noch vorhandenen Kunstsammlungen wie auch Bestände der Bibliothek sowie des Archivs von der Militäradministration beschlagnahmt und im Frühjahr 1946 in die Sowjetunion verbracht. In den Jahren 1958/59 erfolgte die Rückführung und Übergabe großer Teile der Sammlungen, die umgehend nach ihrem Eintreffen in Gotha der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht wurden.

Allerdings kehrten nicht alle beschlagnahmten Kunstwerke nach Gotha zurück. Bis heute befinden sich Spitzenstücke aus den Friedensteinischen Sammlungen in Moskau und Sankt Petersburg. Aber auch in Museen und Privatsammlungen in Westeuropa, in den USA und vor allem in den westlichen Bundesländern Deutschlands findet man zahlreiche Kunstschätze, die 1945 in Gotha „abhanden gekommen“ sind.

 

Dank finanzieller Förderung durch die Kulturstiftung der Länder konnte das Schlossmuseum 1997 eine Verlustdokumentation der Kunsthandwerklichen Sammlungen veröffentlichen, in der mehr als 1.000 vermisste Objekte aus Gold, Silber, Edel- und Halbedelsteinen, Elfenbein, Bernstein und Holz, Glas, Keramik sowie Varia aufgelistet sind. Diese Dokumentation wurde vom Art-Loss-Register (weltweit größte Datenbank verlorener und gestohlener Kunstwerke) und der deutschen Lost Art Internet Datenbank übernommen und ist dort öffentlich zugänglich. Auch das 1567 von Christoph Schissler d. Ä. in Augsburg geschaffene Astrolabium ist im umfangreichen Gothaer Verlustkatalog aufgeführt und abgebildet. Bereits bei Erstellung der Dokumentation wurde Ute Däberitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Schlossmuseum, darauf aufmerksam, dass sich das vermisste Stück seit 1954 in der Sammlung des Toledo Museum of Art in Toledo / Ohio, USA befand. Otto Wittmann, Kurator und von 1959 bis 1976 Direktor des Museums, hatte das Astrolabium in der New Yorker Galerie Rosenberg & Stiebel für $ 6.500,00 erworben, das heute aber einen hohen sechsstelligen Marktwert hat.

 

Die Stiftung Schloss Friedenstein wies nicht nur anhand der Inventare, sondern auch mit Hilfe historischer Fotos nach, dass sich das Astrolabium bis zur Schließung des Herzoglichen Museums während des Zweiten Weltkriegs dort in der Dauerausstellung befunden hatte. Zudem konnte ein offizieller Verkauf hier definitiv ausgeschlossen werden.

 

Nachdem Prof. Dr. Martin Eberle, Direktor der Stiftung Schloss Friedenstein, sich 2013 mit der Bitte um Prüfung an seinen Kollegen Dr. Brian Kennedy in Toledo gewandt hatte, beschlossen Direktorium und Aufsichtsgremien des TMA im vergangenen Jahr, das Astrolabium nach Gotha zurück zu geben – ein mehr als großzügiges Unterfangen, was letztlich das freundschaftliche Verhältnis zwischen den beiden Einrichtungen nur unterstrich und bereits jetzt schon zu einer engen Zusammenarbeit führte.

Ab 26. März 2015 können die Besucher das Astrolabium in einer Sondervitrine in der oberen Galerie des Herzoglichen Museums bestaunen.

 

Astrolabium

Christoph Schissler, Augsburg, 1567

Messing, vergoldet, graviert und z. T. farbig emailliert

Dm (geschlossen): 16,4 cm

 

Das astronomisch-geographische Tischbesteck besteht aus drei, mittels Scharnier verbundenen Teilen – Deckel, Mittelplatte und Boden.

Die Deckeloberseite zeigt figürliche Darstellungen der Planeten und eine graphische Umrechnungstafel für bürgerliche, italienische und antike Stunden.

Auf der Innenseite des Deckels befindet sich eine Horizontaluhr, die mit einer Weltkarte unterlegt ist und durch eine separate Einlegscheibe verdeckt werden kann. Die Vorderseite dieser achteckigen Scheibe zeigt eine Karte Deutschlands mit Prag als Mittelpunkt. Die Rückseite trägt eine Landkarte Italiens.

In der Mittelplatte ist ein Kompass eingelassen, der von einer Windrose mit umrahmt wird. Auf dem Plattenrand sind 16 Namen von Winden sowie pustende Windköpfe eingraviert.

Auf dem Kompassboden befindet sich eine Monduhr, welche die Mondscheindauer für jede Nacht des Mondzyklus anzeigt.

Die Bodenplatte ist auf ihrer Innenseite mit einer Sonnenscheibe, einem Mondviertel und einem Julianischen Kalender mit Tagesheiligen versehen. Ein immerwährender Kalender mit metonischem Zyklus, die Schlüsselzahlen der beweglichen Feste, der Sonnenzyklus und die Tierkreiszeichen sind auf der Außenseite eingraviert. Am äußeren Rand der Bodenplatte befindet sich die Signatur „CHRISTOPHORVS SCHISSLER FACIEBAT AVGVSTAE VINDELICORVM // ANNO DOMINI 1567“.