Gotha erstmals Achava-Festivalstadt

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Titelseite des 2022er-Programmhefts. Bildschirmfoto: OaF

Gotha (red/ra, 6. August). Premiere für die Residenzstadt: Sie ist erstmals Austragungsort für das Achava-Festival.

Das hebräische „Achava“ bedeutet „Brüderlichkeit“, was die Veranstalter nun um die „Geschwisterlichkeit“ erweiterten. „Achava“ wurde 2005 gegründet und versteht sich als „jüdischer Impuls für den interreligiösen Dialog“, wie es Festivalleiter Martin Kranz bei der Pressekonferenz im Gothaer Rathaus erläuterte*.

Ab 10. September 2022 gibt es zwei Wochen lang über 50 Veranstaltungen in Eisenach, Gotha, Arnstadt, Erfurt und Weimar. Das sind Konzerte, Kochkurse, Workshops, Ausstellungen, Vorträge, Lesungen und Zeitzeugengespräche.

Dass Gotha in den Reigen der Gastgeber für dieses besondere Festival Aufnahme fand, ist der Gothaerin Bärbel Benkert geschuldet. Sie hatte Festivalveranstalter Martin Kranz im vorigen Jahr angesprochen und ihn aufgefordert: „Kommen Sie doch auch nach Gotha!“ – was er tat.

Immerhin kann die Residenzstadt auf eine lange jüdische Geschichte zurückblicken. Eine erste Gemeinde gab es hier den Urkunden nach schon im 12. Jahrhundert. OB Kreuch bemerkte selbstkritisch im Rückblick auf die letzten Jahrzehnte, dass mehr oder minder nur die Pflege des alten jüdischen Friedhofs Referenz für die jüdische Geschichte der Stadt gewesen sei. „Mit der Verlegung des ersten von mehr als 100 Stolpersteinen haben wir hier unseren Horizont erweitert“, so das Stadtoberhaupt. Die Kooperation mit dem „Achava-Festival“ werde neue, vielfältigere Impulse geben.

Dazu gehört u. a. ein Projekt in der Kreismusikschule mit dem „Romano Glaszo Project“ aus Ungarn und dem Klarinettisten Helmut Eisel. Eine Woche werden sie mit Musikschülern für ein gemeinsames Konzert proben. Das Besondere daran: die ungarischen Musiker können keine Noten lesen, spielen also nach der Erinnerung oder improvisieren. So werden es dann auch die Musikschul-Eleven erlernen, machen müssen, was gewiss deren Horizont erweitert.

In dem Zusammenhang packte OB Kreuch die Gelegenheit beim Schopfe und machte auf eine Personalie aufmerksam, die vermutlich nur wenige mit Gotha in Verbindung gebracht hätten: Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, der als Schirmherr langjähriger Achava-Begleiter ist, habe Jahre seiner Kindheit in Gotha verlebt und sei auch danach immer wieder zu Besuch in die Residenzstadt gekommen. Das war selbst Festivalchef Martin Kranz neu, der aber sofort die Idee hatte: „…unbedingt zum Konzert einladen“, bemerkt Achava-Intendant Martin Kranz.

Den Horizont erweitern wird garantiert auch Kantor Yoed Sorek: Er feiert einen jüdischen Gottesdienst zum Shabbat mit einem anschließenden gemeinsamen Abendessen in der Augustinerkirche. Das werde der erste jüdische Gottesdienst seit mehr als 75 Jahren in der Stadt sein, erklärte Angela Fuhrmann, die Pfarrerin der Evangelischen Augustinergemeinde.

Spontan hatte dies einen Beweis der „Geschwisterlichkeit“ auch unter den Achava-Partnern zur Folge: Alexandra Husemeyer, Eisenacher Kulturmanagerin, die im Vorjahr in Eisenach Shabbat Shalom und Kiddush organisierte, wird dafür der Gothaer Gemeinde ein Kiddush-Set** schenken.

Ein wichtiger Termin während der Veranstaltungswoche in Gotha ist der 14. September: Dann wird „Erinnern im Gestern und Heute – Leben nach dem Überleben“ – eine Veranstaltung mit Musik, Film und Gespräch – ab 19 Uhr im Kulturhaus Gotha stattfinden. Gast ist die Ungarin Éva Fahidi-Pusztai, die Auschwitz- und Buchenwald überlebte. Die Gesprächsführung haben Eva Stocker (Schweiz, Holocaustüberlebende und Filmregisseurin) und Martin Kranz. Die Lesung gestalten Éva Fahidi-Pusztai und OB Kreuch.

Die Achava-Festspiele finden vom 10. bis 25. September an verschiedenen Orten in Thüringen statt.

Das Programm für Gotha (PDF zum Download) und für
allen teilnehmenden Städten (PDF zum Download)

Eintrittskarten sind beim Ticketshop Thüringen erhältlich, soweit nicht anders erwähnt: Tickethotline: 0361 227 5 227
Für einzelne Veranstaltungen gibt es Tickets an der Abendkasse und/oder in den lokalen Tourist-Informationen.

*Das Konzept der ACHAVA Festspiele Thüringen setzt – 50 Jahre nach der Aufnahme deutsch-israelischer Beziehungen – einen grundlegend neuen Impuls: Sein Kernpunkt ist der interreligiöse und interkulturelle Dialog, der ausgeht von den Gedanken in den Schriften jüdischer Propheten der hebräischen Bibel. Sie bilden die Grundlage der jüdischen Ethik und der europäischen Werte. Das hebräische Wort „Achava“ (Brüderlichkeit) ist dafür ein Schlüsselwort. Der Respekt gegenüber dem Anderen ist das Ziel.

**Als Kiddusch (hebräisch קידוש von kadosch, heilig, wörtlich „Heiligung“, manchmal „Segensspruch“) wird der Segensspruch über einen Becher Wein bezeichnet, mit dem der Schabbat und die jüdischen Feiertage eingeleitet werden.
Der Kiddusch wird unmittelbar vor der Mahlzeit zu Hause üblicherweise vom männlichen Familienoberhaupt gesprochen – aber auch Frauen sind verpflichtet, Kiddusch zu zelebrieren. Der Kiddusch wird über Wein und meist anschließend über die Schabbatbrote (Challa) gesprochen.

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