Keilschriften aus drei Jahrtausenden

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Altbabylonische Keilschrifttafel mit einem Wirtschaftstext, aufgenommen am 17.01.2013 am Lehrstuhl für Altorientalistik und Hilprecht-Sammlung Vorderasiatischer Altertümer am Institut für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients der Universität Jena. Foto: Jan-Peter Kasper/FSU

(Jena) Mehr als 3.000 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Jena und dem ehemaligen Mesopotamien – und doch befindet sich hier mitten in Deutschland eines der wichtigsten Zentren zur Erforschung der Wiege unserer Zivilisation. Zu verdanken hat das die Friedrich-Schiller-Universität Jena den über 3.300 Exponaten der Hilprecht-Sammlung Vorderasiatischer Altertümer. Ein kürzlich erschienener Katalog stellt einige von ihnen vor und gewährt Einblick in einen wissenschaftlichen Schatz, der Forscher weltweit nach Jena blicken lässt.
Dabei hat der Gründer der Sammlung so gut wie nie in Jena gewirkt, obwohl er hier lange Zeit eine Zweitwohnung unterhielt. Altorientalist Hermann Volrath Hilprecht, geboren 1859 im sachsen-anhaltinischen Staßfurt, forschte und lehrte vor allem in Philadelphia. Zudem nahm er an zwei Ausgrabungskampagnen in der sumerischen Metropole Nippur teil. Da seine erste Frau Ida 1902 in Jena starb, vererbte er seine Sammlung – die ganz offiziell den Namen „Frau Professor Hilprecht Sammlung Babylonischer Altertümer“ trägt – nach seinem Tod 1925 der hiesigen Universität. Inzwischen ist sie die zweitgrößte ihrer Art in Deutschland, nur die des Vorderasiatischen Museums in Berlin ist noch umfangreicher.
„Unsere Sammlung, die vor allem Keilschrifttafeln umfasst, sticht dabei nicht nur durch die reine Menge hervor, sondern vor allem durch ihre Reichhaltigkeit“, sagt der Sammlungsleiter Prof. Dr. Manfred Krebernik von der Universität Jena. „Generell sind die meisten bekannten Keilschrifttafeln administrativer Art und umfassen beispielsweise Rationen- und Abgabenlisten, aber auch juristische Urkunden wie etwa Darlehens-, Pacht- oder Kaufverträge. Doch in unserer Sammlung ist darüber hinaus ein großer Teil der sumerischen Literatur vertreten.“ So findet sich unter den Jenaer Keilschrifttafeln der Mythos „Inannas Gang in die Unterwelt“ sowie Vorläufer des berühmten Gilgamesh-Epos‘. Diese Fülle an verschiedenen Textgattungen führe Jahr für Jahr Experten aus aller Welt nach Jena, um die Keilschriften im Original studieren zu können. Darüber hinaus bilden die Texte eine breite Zeitspanne ab – von der frühdynastischen Zeit (26. Jahrhundert v. Chr.) bis in die hellenistische Zeit (3. Jahrhundert v. Chr.).

Der älteste Stadtplan der Welt

Der neue Katalog bietet zum einen spannende Einblicke in die Hilprecht-Sammlung der Universität Jena. Zum anderen informieren die Autoren, unter ihnen viele Studierende, auf sehr zugängliche Art und Weise über die Inhalte ihrer Wissenschaft. Sie erklären die verschiedenen Keilschriften und ihre Sprachen, bieten anhand einzelner Beispiele aus der Sammlung einen Überblick über die verschiedenen Textgattungen und ihren historischen Kontext, und sie stellen darüber hinaus auch andere Exponate vor, die sich nicht bzw. nicht nur durch Schrift auszeichnen. Das betrifft u. a. das wohl berühmteste Stück der Jenaer Sammlung: den ältesten Stadtplan der Welt. Dabei handelt es sich um eine in etwa maßstabsgetreue Karte von Nippur. Der Plan ist etwa 3.500 Jahre alt und dokumentierte vermutlich die Verteidigungsanlagen der Stadt.
Trotz des Alters ihrer Exponate ist die Sammlung mehr als lebendig. „Nicht nur internationale Kollegen arbeiten regelmäßig mit den Stücken“, sagt der Jenaer Altorientalist Krebernik. „Wir setzen die Sammlung auch in der Lehre ein. Unsere Studentinnen und Studenten haben also die Möglichkeit, direkt an Originalen zu lernen – ein großer Vorteil gegenüber anderen Universitäten.“ Zudem werde die Sammlung sukzessive restauratorisch aufbereitet und editorisch erschlossen. Mit Unterstützung des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte in Berlin treiben die Jenaer Forscher zudem die Digitalisierung der Sammlung voran. „Die meisten Stücke sind bereits mit einem 3D-Scanner erfasst und wir arbeiten nun daran, die Sammlung so auch bald im Internet zugänglich zu machen“, sagt Krebernik.
Der Katalog ist im Uni-Shop Jena (Carl-Zeiß-Str. 3) bzw. unter http://www.uni-shop-jena.de/Katalog-der-Hilbrecht-Sammlung-vorderasiatischer-Altertuemer-der-FSU-Jena erhältlich.

Bibliographische Angaben:
Peter Stein (Hg.): „Hilprecht-Sammlung Vorderasiatischer Altertümer“, Friedrich-Schiller-Universität Jena 2017, 150 Seiten, Preis: 14,80 Euro, ISBN 978-3-9818697-2-9

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