Nach Trier: Bringen Poller mehr Sicherheit?

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Foto: Erkaha, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Gotha (red, 4. Dezember) Nach der Amokfahrt von Trier ist die Diskussion um einen besseren Schutz der Passanten in Innenstädten neu entbrannt. Müssen Fußgängerzonen besser geschützt werden? Manche Kommunen haben sich bereits dazu entschieden.

Für KOMMUNAL, der Fachmedienplattform des Deutschen Städte- und Gemeindetags, fragte Gudrun Mallwitz bei Städten nach, wie ihre Sicherheitskonzepte aussehen.

„Die Stadt Bad Oldesloe hat bereits seit 2017 Schutzvorkehrungen getroffen“, sagte eine Sprecherin  der Stadtverwaltung. „Es wurden schon 2017 an allen Eingängen zur Innenstadt elektrisch absenkbare Poller eingebaut.“

Die Stadt Lörrach hat schon länger – nämlich seit 2014 – eine Polleranlage im Bereich der Innenstadt installiert. „Diese Polleranalge gehört bei großen Veranstaltungen in der Innenstadt auch zum Schutzkonzept der Veranstaltungen wie beim Stimmen-Festival“, sagte ein Sprecher der Stadt. Grundsätzlich würden Sicherheitsfragen zwischen der Polizei und der Stadt Lörrach in den regelmäßigen Besprechungen abgestimmt.
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„Oscar am Freitag“ hat selbstverständlich auch die Stadtverwaltung Gotha um Auskunft gebeten, ob die Attacke in Trier Anlass sein könnte, besondere Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen.

Zuständig für Thema ist der Amtsleiter der Sicherheits- und Ordnungsverwaltung Steven Koch. Er hat sehr umfänglich geantwortet.

Die Kernaussage dabei war, dass man „aus taktischen Aspekten“ weder realisierte, noch geplante Maßnahmen öffentlich kund tun werde. Begründet hat der Amtsleiter dies damit, um potenzielle Täter nicht zu animieren und zu verhindern, dass sie „vor der Tat eine Schwachstellenanalyse durchführen“.

Der komplette Wortlaut:
„Der öffentliche Raum dient der Bevölkerung nicht nur als Ort der Kommunikation und Begegnung im Kontext der sozialen und gesellschaftlichen Interaktion, sondern vielmehr auch als Treffpunkt für demokratische Auseinandersetzungen sowie als Aufenthalts-, Bewegungs- und Erholungsort. 

Somit sind öffentliche Orte per se zentrale Handlungsfelder der kommunalen Verwaltung, wenn es um die Gestaltung und Erneuerung von Freiflächen geht. Hierbei spielen nicht nur stadtplanerische und bauordnungsrechtliche Aspekte eine tragende Rolle sondern vielmehr auch die Fragen der öffentlichen Sicherheit im und des öffentlichen Raumes.
Vorgenannten Aspekten wird in der Stadtverwaltung Gotha durch eine enge Verzahnung aller behördlichen Akteure Rechnung getragen. Durch permanenten konstruktiven Austausch und in der Folge einer engen Zusammenarbeit der Bereiche Stadtplanung, Bauordnung, Tiefbauamt sowie der Sicherheits- und Ordnungsverwaltung werden nicht nur existente städtebauliche Missstände kontinuierlich abgebaut oder die Barrierefreiheit forciert sondern es werden überdies auch Themen, wie die Beseitigung von Angsträumen sowie Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung fokussiert.
Neben immanenten Gestaltungsaspekten, wie Übersichtlichkeit, Be- und Ausleuchtung, Wegebeziehungen und einer ansprechenden und adressatengerechten Gestaltung kommen ordnungs- und polizeiliche Fragen der Terrorabwehr und Gefahrenabwehr zum Tragen.

Im Rahmen der Ordnungspartnerschaft werden regelmäßig die Lagebilder abgeglichen und hieraus strategische Maßnahmen im Sinne der Möglichkeiten zur Abwehr von Gefahren der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung abgeleitet. Unter Bezugnahme der Erfahrungen aus der AG Urbane Sicherheit des Landespräventionsrates Thüringen, in welcher Gotha aktiv vertreten ist, ist es im Ergebnis möglich, dezidierte Gefahrenanalysen durchzuführen und punktuell notwendige bauliche oder temporär zu errichtende Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit im öffentlichen Raum abzuleiten.

So wurden unter anderem die Begutachtung und Bewertung von Gefahrenpunkten des öffentliche Raumes im Kontext möglicher Überfahrszenarien analysiert. In der Folge wurden verwaltungsintern die Möglichkeiten und Grenzen von vorrübergehenden Schutzmaßnahmen, mobilen und fest verbauten Überfahrsperren an den jeweiligen Gefahrenpunkten diskutiert und die Ergebnisse finden sich regelmäßig in den entsprechenden Konzepten wieder.

Für den Bereich der stationären Fahrzeugsperren gilt es, die städtebaulichen und verkehrlichen Möglichkeiten sowie notwendigen Baumaßnahmen unter den Aspekten der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu betrachten. Auch müssen die ggf. erforderlichen Baumaßnahmen in die geplanten und bereits realisierten Projekte eingebunden werden. Überdies eignen sich nicht alle Zufahrtsmöglichkeiten für die Installation einer stationären technischen Sperre, die den Normen ASTM F2656, BSI PAS 68, IWA 14-1, BSI PAS 170 und CWA 16221 genügen müsste. Das Ausweichen auf einen mobilen Überfahrschutz birgt die Problematik, dass grundsätzlich sowohl die Richtlinie ISO IWA 14.1 und 2 sowie PAS 68 nicht vollumfänglich geeignet sind, die ggf. notwendigen Schutzklassen sicherzustellen. Hieraus resultiert die Notwendigkeit die Ergebnisse des international Workshop Agreement IWA 14-1 sowie der Technischen Richtlinie „Mobile Fahrzeugsperren“ der Polizei des Bundes und der Länder zu berücksichtigen. Unter Verwendung der vorgenannten Vorschriften wären derart komplexe Eingriffe in den öffentlichen Raum notwendig, dass die Einschränkungen für die Allgemeinheit als unverhältnismäßig eingeschätzt werden müssen.

Vielmehr wird nach der oben realisierten Gefährdungsanalyse und unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten seitens der Verwaltung die kumulative Gesamtkonzeptstrategie aus Technik und Taktik präferiert. Für den Bereich Technik wurden u. a. die Zertifizierung der temporären Schutzvorrichtungen, die Leistungsfähigkeitsbeurteilung, das avisierte Anwendungsspektrum sowie flankierende (z. B. verkehrslenkende) Maßnahmen betrachtet. Im Bereich Taktik wurden u.a. die Gegebenheiten vor Ort, die ortsspezifische Logistik, die sichtbaren und unsichtbaren Schutzmaßnahmen usw. analysiert und bewertet. Im Ergebnis entstand so ein individualisierbares Schutzkonzept, welches angemessene Schutzmaßnahmen im Einklang mit nicht gänzlich auszuschließenden Restrisiken optimal in Einklang bringt.

In Theorie und Praxis hat sich das folgende Phasenmodell bewährt, welches lageangepasst zum Einsatz kommt:

– Sofortmaßnahmen zur Abwehr terroristischer Bedrohungen
– kontinuierliche und spezifische Gefahrenanalyse
– regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Sicherheitsstrategie im Rahmen der Ordnungspartnerschaft
– notwendige Anpassung der Sicherheitsarchitektur
– Identifikation, Umsetzung und Evaluierung geeigneter Präventionskonzepte

Es wird darauf verwiesen, dass aus taktischen Aspekten die realisierten und in Planung befindlichen Maßnahmen nicht dezidiert aufgezeigt werden können. So könnten potentielle Täter animiert werden oder vor der Tat eine Schwachstellenanalyse durchführen.

Im Bereich der städtebaulichen Schutzmaßnahmen werden aber u. a. durch geeignete Stadtmöblierung, die Installation von Pollern, die Vorbereitung von Verankerungen für temporäre Schutzmaßnahmen Vorkehrungen zur Erhöhung der Sicherheit getroffen.

Wie aus vorgenannten Ausführungen ersichtlich, ist das Thema in der Stadtverwaltung präsent und wird begleitend (mit)bearbeitet.“

 

H&H Makler

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