150 Jahre Sozialdemokratische Partei Deutschland in Gotha

0
1126

Auf einer Festveranstaltung der Thüringer Sozialdemokratie zum Jubiläum „150 Jahre SPD in Deutschland“ im altehrwürdigen Tivoli zu Gotha am 2. Februar 2013, machte Oberbürgermeister Knut Kreuch als Festredner darauf aufmerksam, dass bereits zur Gründungsveranstaltung in Leipzig am 23. Mai 1863 Delegierte eines Arbeitervereins aus Gotha anwesend waren. Damit stieß Kreuch erneut eine rege Diskussion an, die dazu führte, dass erstmals Belege für die vom Oberbürgermeister festgestellte Tatsache vorliegen.

Im Gothaischen Tageblatt fand sich folgender Aufruf

„Arbeiterversammlung für sämtliche Arbeiter Gothas und der Umgegend, Sonntag, den 29. März, nachmittags 3 Uhr im Metzschen Local.
1. Berichterstattung über die bisherige Tätigkeit des Arbeitercomitees;
2. Gründung von Arbeitervereinen;
3. Vortrag über das Ziel und Zweck der Arbeiterbewegung in Deutschland.“

Damit gründete sich in Gotha am 29. März 1863 der Arbeiterverein Gotha unter der Führung von Emil Sauerteig. In einem Protokoll des Arbeiterbildungsvereins vom 11.Oktober 1864, welches im Stadtarchiv Gotha (StadtA Gotha 4/1273) aufbewahrt wird, stellt Emil Sauerteig fest, dass er vor anderthalb Jahren einen Arbeiterverein in Gotha gründete. Ein zweiter Beleg zur frühen Organisation der Gothaer Arbeiterschaft.

Oberbürgermeister Knut Kreuch nimmt das Jubiläum zum Anlass, um dem SPD-Stadtverband unter Führung des Landtagsabgeordneten Matthias Hey, in einer Glückwunschadresse zum Jubiläum der ältesten demokratischen Partei in Gotha zu gratulieren. Das Stadtoberhaupt schreibt:

„Ein liberales Staatsgrundgesetz gab 1863 im Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha den Arbeitern die Möglichkeit eigene Vereine und Interessenvertretungen zu bilden. Es waren eben nicht die Bildungsvereine, die seit 1857 bestanden, die den Arbeitern die Möglichkeit zur politischen Diskussion und Auseinandersetzung gaben. Deshalb rief der Gothaer Emil Sauerteig am 29. März 1863 einen Arbeiterverein ins Leben, der die Keimzelle der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Gotha ist. Sie können somit zu Recht mit ihren Mitgliedern und Freunden der SPD in diesen Tagen auf 150 Jahre Sozialdemokratie in Gotha blicken.

Bereits bei der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins von Ferdinand Lasalle am 23. Mai 1863 in Leipzig waren Gothaer Arbeiterführer beteiligt. Rückblickend können sie stolz sein auf eine so lange Tradition die viele Höhen und Tiefen im Laufe der Geschichte erlebte.

Leider ist heute der Gründer Ihrer Partei Emil Sauerteig fast vergessen, denn er wird von der Persönlichkeit Wilhelm Bocks überstrahlt, der 1869 nach Gotha kam. Der einfache Schuhmacher Bock gründete eine Gewerkschaft, formierte eine Partei, war Verleger einer Zeitung und Parlamentarier – ein großer und  streitbarer Demokrat.

Als Abgeordneter des Gothaer Landtages und des Deutschen Reichstages bestimmte er maßgeblich die Politik der Region und in Deutschland. Sternstunde seines Wirkens war sein Auftritt am 9. November 1918 auf dem Balkon des Landschaftshauses, wo er den Eintritt des Freistaates Gotha in die Demokratie verkündete. Mit dem Preis „Der Rote Bock“ halten wir Gothaer die Erinnerung seines Lebenswerkes wach und führen es fort im 21. Jahrhundert.

Der Name Wilhelm Bock steht aber auch für die Kämpfe und Auseinandersetzungen, die eine Partei im Laufe von Jahrhunderten durchmachen muss. Die Gründung der USPD war seine Antwort, seine Heimkehr zur SPD seine Überzeugung.

Wechselvoll wie die Geschichte Deutschlands ist auch Fall und Aufstieg seiner ältesten demokratischen Partei. Die Spaltung der Arbeiterschaft und ihrer Partei war stets auch die Stärke der Gegner der Demokratie. Die Zeit des Nationalsozialismus und die damit verbundene Verfolgung und Ermordung von Gothaer Sozialdemokraten, ihre Vertreibung und der damit verbundene Verlust der Heimat sind das dunkelste Kapitel der letzten 150 Jahre.

Der Vereinigungspartei 1875 in Gotha war einst der richtungsweisende Weg für die deutsche Arbeiterklasse – eine historische Stunde, die bis heute wirkt. Es waren Gothaer Sozialdemokraten, die nach dem verlorenen II. Weltkrieg die Hand ausstreckten zur Zusammenarbeit, die einen Vereinigungsparteitag zur starken einheitlichen Arbeiterpartei einleiteten und die sich später dem Diktat des Kommunismus sowjetischer stalinistischer Prägung beugen sollten. Einige schwiegen, andere kehrten der Partei den Rücken, doch sozialdemokratisches Gedankengut blieb im Geheimen stets erhalten. Der 7. April 1946 bedarf auch heute noch einer historischen Auswertung.

Sozialdemokraten wie Hermann Brill prägten das Gotha nach dem II. Weltkrieg und erst die Neugründung der SPD Thüringens am 27. Januar 1990 im Tivoli zu Gotha und die machtvolle Demonstration auf dem Hauptmarkt mit Friedensnobelpreisträger Willy Brandt, vollendeten, was mutige Frauen und Männer in der Friedlichen Revolution vom Herbst 1989 angestoßen hatten. Die Einheit unseres Vaterlandes war seit jeher in allen Programmen der SPD seit dem Gothaer Parteitag von 1875 verankert. Die Geschichte der Gothaer SPD bedarf gerade unter dem Gesichtspunkt dieses Jubiläums einer Neubetrachtung und sollte deshalb dringend von Ihnen angestoßen werden.

Die jüngere Geschichte der Sozialdemokratie in Gotha kennt viele Persönlichkeiten, untrennbar verbunden ist sie für mich mit den Namen Peter Laskowski, Volker Doenitz, Klaus Roßmeier, Gerhard Neumann, Astrid Gehb, Dr. Gerhard Maultzsch oder Wolfram Fuchs. Letzterer ist zum Beispiel seit 1990 ununterbrochen Mitglied des Gothaer Stadtrates.

Die Mitglieder der SPD haben Gotha seit 1990 maßgeblich mitgeprägt, zweimal sogar bisher als stärkste Fraktion des Parlaments. Dafür danke ich Ihnen stellvertretend und möchte Sie ermutigen, machen Sie weiter so, bringen sie sich aktiv ein, widersetzen sie sich allen Bestrebungen von Politikmüdigkeit oder Politikverdrossenheit. Die mündige Demokratie braucht aufrechte Streiter, keine Ja-und-Nein-Sager sondern anpackende Visionäre.

In diesem Sinne bin ich seit dem 1. Juli 2006 gern an Ihrer Seite.
In Verbundenheit für Gotha

gez. Knut Kreuch
Oberbürgermeister

H&H Makler