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Wer für die am 7.12. in Haus Auensee, in Leipzig, organisierte Kraftwerk-Show keine Karten mehr bekommen hat, der durfte das am vergangenen Sonnabend stattfindende Konzert mit Karl Bartos nicht als Ersatz ansehen. Denn Bartos, der einstmals als der „Zweite von links“ im „klassischen“ Line-Up von Kraftwerk tätig war, bot in den 90 Minuten Technik und Musik mehr als nur eine alberne Cover-Party. Da war es gut, dass sich nach der Hälfte des Konzertes die Falschinformierten aus dem Staube machten: Ein älteres Pärchen verließ ziemlich frustriert den gut gefüllten Saal. Im neu renovierten und perfekt zu diesem Abend passenden „Haus Leipzig“ stand ein Künstler auf der Bühne, der Geschichte schrieb und bis heute jede Menge eigene Ideen präsentiert. Ok, mit der Düsseldorfer Electro-Band stieg Bartos in den Olymp der Pomusik auf, wobei er als Co-Autor für die Alben „Die Mensch-Maschine“ und „Computerwelt“ bekannt ist und die Musik der wichtigsten deutschen Band spürbar beeinflusste.

Während des Auftritts in Leipzig wurden von einem elektronisch versierten Trio nicht einfach Musikstücke aneinander gereiht, sondern eine audiovisuelle Performanz zelebriert. Der 90 minütige Film, den Karl Bartos kreierte und mit seiner Musik verband, zeigte das musikalische Leben „himself“ auf. Es war keine Techniknostalgie in 3-D, sondern Cinema live mit bewegten Bildern aus den 1960er Jahren, einem noch herrlich blinkenden und glitzernden Paris, jeder Menge Schnipsel von Künstlern, von Stockhausen bis zu den Beatles, die irgendwie mit dem Schaffen Bartos´ zu tun hatten. Im Mittelpunkt stand das immer noch als neu geltende Album „Off the Record“, für das Bartos 2013 erstmalig sein Musikarchiv öffnete und mit vielen unerhörten Höhepunkten ausstattete. So durften die Eectro-Fans, ja so muss man die mittwippenden und manchmal gar selig auf die Bühne starrenden Zuschauer wohl nennen, sich an Vocoder-Sprech erfreuen, der sich tief in die Hirne hineinfraß, an Techno-Pop, elektronischen Avantgarde, Roboter-Sound und sogar an starre wuchtige Töne. „Atomium“ fegte wie ein eisiger Wind aus den Lautsprechern, die „Nachtfahrt“ gestaltete sich ruhig, aber doch irgendwie aufregend, und der „Rhythmus“ gab vor, wie es bis ans Ende aller musikalischen Tage gehen kann. Wenn dann doch ein Song aus der heißen Kraftwerk-Zeit auftauchte, war es nur am bestens bekannten Grundsound zu erkennen. Da stand er wieder auf der Bühne, der „Mann mit dem Taschenrechner in der Hand“, dem Bartos schon seit Anbeginn seine Stimme lieh. Das über allen stehende „Roboter“-Lied tauchte hart und minimalistisch auf, „Das Model“ ebenso, und schnell und futuristisch wie ein neues leichtmetallisches Rennrad, die Melodie aus der gleichnamigen Kraftwerk-LP „Tour de France“.

Während der aufwühlenden, niemals langweilig werdenden, Minuten existierte die Kraftwerk-Zeit, die Bartos 15 Jahre mitprägte, gleichberechtigt neben seiner Zeit als Solokünstler, als Oberhaupt von Electro-Music und Partner von Bernard Sumner (New Order), Johnny Marr (The Smiths) und Andy McCluskey (OMD), die als poppige, zum tanzen anregende, Töne, die die begeisternden Zuschauern unvergessen bleiben werden.

Karl Bartos, der sogar viele Jahre eine Gastprofessur an der „Universität der Künste“ in Berlin übernahm, gelang mehr als nur eine Aneinanderreihung von Hits und Bites. 90 Minuten sah und hörte man einen musikalischen Lebensweg, der viele Künstler der elektronischen Szene beeinflusste und bis heute ein großes Stück Popgeschichte mitschreibt.

Fliesenstudio Arnold

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