6.400 Brote, 10 Ochsen, 25 Hammel und 120 Paar Schuhe für fremde Soldaten

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Bach-Stammort WechmarDie kriegerischen Handlungen des napoleonischen Raub- und Eroberungszuges Anfang des 19.Jahrhunderts waren die bis dahin größten Verwüstungen deutscher Landstriche. Wenn man sich in diesem Jahr überall an die Völkerschlacht bei Leipzig erinnert. So gibt ein Blick in das Handelsbuch der Gemeinde Wechmar einen wunderbaren ersten Eindruck, wie schmerzvoll die Belastungen teilweise waren. Der Gemeindeschreiber hat im Jahre 1813 festgehalten:

„Es entspann sich nämlich zwischen Frankreich und Russland ein neuer Krieg im Jahre 1812 und nie hat die Welt wohl ein schöneres Heer gesehen, als das französische mit allen möglichen Bedürfnissen und Kriegserfordernissen auf das Beste ausgerüstet und an Stärke, war demselben in neueren Zeiten noch nie eines gleich, denn es bestand aus 500.000 der schönsten und aus erlesensten Truppen.

Dieses schöne und furchtbare Heer rückte in der Mitte des Sommers 1812 in Russland ein und man konnte sich schon von selbst vorstellen, das die hiesige Gegend durch die große Straße von Paris bis Berlin von der Einquartierung das meiste zu tragen hatte, wie denn auch kein Tag verging, wo nicht der hiesige Ort davon heimgesucht wurde und als dasselbe die russische Grenze erreicht hatte, so konnte diesem im Kriege ausgelobten und versuchten Heere nichts Widerstand leisten und so ging es von Siegen zu Siegen bis zur russischen Hauptstadt Moskau, welche ebenfalls von den Franzosen und ihren Alliierten eingenommen wurde, aber hier war auch die Grenze der Siege des Kaisers Napoleon, denn von nun an verfolgte ihn das Unglück von allen Seiten und er musste einen eiligen Rückzug antreten, wo bei frühzeitig eingetretener Kälte sein ganzes schönes Heer erfror und verhungerte, so dass nur wenige mit dem Leben davon kamen und wir hatten in hiesigen Orte die Trümmer des ganzen Königlich-Württembergischen Armeecorps (welches anfangs aus 17.000 Mann bestanden hatte) auf einmal in Quartier und bestand dasselbe noch aus 700 Mann.

So dauerten die Durchzüge besonders durch Gotha ununterbrochen jedoch sehr mäßig fort, bis sich auf einmal im Monat April 1813 die Preußischen Truppen wieder in hiesiger Gegend sehen ließen und besonders in Gotha, wo sie die noch vorrätigen Waffen requirierten und das wieder zur Hälfte eingestellte Kontingent der Sächsischen Herzogtümer in ihren Quartieren in Ruhla und Schwarzhausen aufleben und dies geschah den 12. April, auch musste schon früher auf Antrag der französischen Behörde zu Erfurt Holz dahin geliefert werden, so wie ins Gothaische Magazin von allen Gemeinden Korn, Hafer, Heu und Stroh geliefert werden musste.

Nun kamen wieder die Franzosen vom Rhein heran gerückt, so dass, wie schon am 17. April 350 Mann hier in Wechmar ihr Quartier hatten, den 19. wieder 300 Mann, den 22. Exakt 500 Mann, den 23. Nochmals 700 Mann Infanterie und 150 Mann Garderegiment, welche drei Tage hier gelegen. Nun war die Hauptarmee vorbei aber die zur Komplettierung nach rückenden Truppenmärsche dauerten fort, so dass wir im hiesigen Orte noch 19 bis 20mal Einquartierung bis zum 23. Oktober hatten.

Am 24.Oktober kamen hier an die 20.000 Kosaken und Österreichische Kavallerie durch, wo dann manche Plackerei an den hiesigen Einwohnern schon verübt wurde, ärger aber wurde es schon den 25. Oktober, wo von der rekrutierten französischen Armee 1.700 Mann hier eintrafen, welche zwar glücklicher Weise mit Ordnung hier einquartiert wurden, die aber bei ihrem Abmarsch den 26. Oktober 10 Ochsen, 25 Hammel und 400 Stück Brote, da nebst einem Fasse Branntwein verlangten, welches ihnen auch größtenteils geschafft werden musste und wegen des Fehlenden nahmen sie den Gerichtsschöppen Walther als Geißel mit, welche sie jedoch den zweiten Tag darauf in Seebach wieder losgelassen, aber von den Vorspannpferden 11 Stück mit nahmen, welche die Besitzer auch einbüßen mussten.

Am 27. Oktober musste der hiesige Ort 6.000 Österreichische Truppen verpflegen und einquartieren, wo denn im ganzen 6.000 Portionen Brot und Fleisch beschafft werden mussten auch verlangten dieselben zwei Fass Branntwein, welcher aber nicht ganz herbei geschafft werden konnte, wie auch die 600 Rationen Hafer und Heu erhielten, ferner mussten die hiesigen Einwohner ihre Schuhe von den Füßen hergeben und wurden an 120 Paare auf diese Art zusammen gebracht und an die Truppen abgegeben beim Abmarsch nahmen sie 12 Pferde Vorspann mit, wovon sie ebenfalls 11 Stück behalten und mitgenommen haben. So dauerten die Durchzüge und Einquartierungen von Österreichern, Russen und Preußen, fast täglich bis zur Hälfte des Novembers fort, worauf es dann bis Ende des Jahres 1813 ruhig blieb.“

Soweit die aufschlussreichen Eintragungen im Handelsbuch der Gemeinde Wechmar. Von den Besuchen Napoleons in der Residenzstadt finden sich keine Eintragungen darin. Der Kaiser der Franzosen reiste am 25. April 1813 durch Gotha. An der Friedrichskirche kam es zu einer Begegnung mit Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg und seinem Bruder Erbprinz Friedrich. Hier fiel die Ehefrau des Patrioten Rudolph Zacharias Becker im „Kniefall von Gotha“  vor dem Kaiser der Franzosen nieder und erreichte durch Bittschrift die Begnadigung ihres seit fast einem Jahr inhaftierten Ehemannes aus dem Gefängnis Magdeburg. Ab 1. Juni kehren täglich Offiziere an der herzoglichen Tafel im Schloss Friedenstein ein. Nach der vernichtenden Schlacht bei Leipzig lässt sich am 24. Oktober der König von Neapel nebst Gefolge im Prinzenhaus nieder.

Der Herzog verweigert eine Begegnung, ganz anders am anderen Tage, als es zu einem herzlichen Treffen mit dem Kaiser der Franzosen kommt. Napoleon weilt für 18 Stunden im Gothaer Gasthaus „Zum Mohren“ einkehrt. Besonders glanzvoll waren die Tage zum Jahresende hin, als Kurfürst Wilhelm I. von Hessen-Kassel aus dem selbstgewählten Asyl in Prag bei seiner seit sieben Jahren in Gotha wohnenden Ehefrau einkehrt und mit ihr, dem Erbprinzen von Hessen-Kassel sowie seiner Tochter Herzogin Caroline Amalie von Sachsen-Gotha-Altenburg aufbricht, um glanzvoll in Kassel einzuziehen, wo das Kurfürstenpaar von der Bevölkerung frenetisch gefeiert wird.

Seit dreißig Jahren sind solche Geschichten wichtige Bausteine der Ortsgeschichte, die vom Wechmarer Heimatverein liebevoll archiviert und gepflegt werden.



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