Arbeitsgespräch: „Der Unterricht der Visitationen“ in Jena

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Rasend schnell verbreiteten sich die reformatorischen Gedanken Martin Luthers in Deutschland. Sie brachten das System der mittelalterlichen Kirche zum Einsturz. Plötzlich wollten manche Menschen nur noch die Predigt aus der Bibel hören, Gottesdienste wurden nicht mehr ausreichend besucht.

Die Abgaben an Klöster oder „altmodische“ Geistliche wurden verweigert. Verschärft wurde die Situation noch nach dem Ende des Bauernkrieges 1525, als das ganze Ausmaß der Folgen von Luthers Gedanken sichtbar wurde. In dieser historischen Stunde musste der Landesherr Johann von Sachsen (1468-1532) handeln.

Der Kurfürst schickte eine Delegation durchs Land, die sogenannten Visitatoren. Angeführt von Philipp Melanchthon, machte sich das vierköpfige Gremium auf den Weg, die Pfarrer auf ihre Lehre und die Lebensverhältnisse zu befragen. Viele Pfarreien wurden neu geordnet, Pfarrer verloren ihre Stellung.

Das richtungsweisende Handbuch des Gremiums um Melanchthon war der „Unterricht der Visitatoren“, gedruckt 1528 in Wittenberg. „Es war ein Glücksfund, als wir die Entwürfe zu diesem Text mit den Anmerkungen Luthers aus dem Sommer 1527 entdeckten“, sagt der Historiker Joachim Bauer von der Universität Jena. Gemeinsam mit Dr. Stefan Michel von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig leitet Bauer ein Forschungsprojekt zur Durchsetzung der Reformation durch Kurfürst Johann von Sachsen. Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wollen Theologen und Historiker das Zusammenspiel von Kurfürst, Verwaltungsbeamten und Theologen bei der Durchsetzung der Reformation ergründen.

Vom 18. bis 20. März  wird an der Universität Jena ein interdisziplinäres Arbeitsgespräch mit dem Titel „Der Unterricht der Visitationen“ und die Durchsetzung der Reformation in Kursachsen“ veranstaltet, um erste Projektergebnisse öffentlich vorzustellen.

Das Buch „Unterricht der Visitatoren“ geriet zum Schlüsselwerk, als die neue Lehre verbreitet wurde. „Das Buch wurde zwischen den kurfürstlichen Räten und den Wittenberger Theologen um Martin Luther diskutiert“, sagt Stefan Michel. So sei ein Konsens entstanden, mit dessen Hilfe die Reformation im gesamten Kurfürstentum einheitlich umgesetzt werden konnte.

Das Ringen um den Text des „Unterrichts der Visitatoren“ belegen zwei Entwürfe, die im Staatsarchiv in Weimar gefunden wurden. Sie entstanden im Zusammenhang mit der Visitation in Weida, Kahla, Saalfeld, Orlamünde und Jena im Juli 1527.

Ein Höhepunkt der dreitägigen Tagung wird der öffentliche Abendvortrag von Prof. Dr. Dr. h. c. Eike Wolgast am Mittwoch (18. März) um 18.00 Uhr in den Rosensälen der Universität (Fürstengraben 27) sein. Der renommierte Reformationshistoriker aus Heidelberg spricht über „Die Einführung der Reformation in den deutschen Territorien zwischen 1525/26 und 1568“. Wolgast hat viele Jahre zur Reformation geforscht. Er arbeitete an der Kritischen Martin-Luther-Gesamtausgabe mit und gab – neben zahlreichen weiteren Publikationen – das Buch „Thomas Müntzer. Ein Verstörer der Ungläubigen“ heraus. Zu allen Vorträgen sind Gäste herzlich willkommen, der Eintritt ist frei.

Das Programm der Tagung: http://www.hsozkult.de/event/id/termine-26641