Bei anderen Betrieben geht es um die Wurst – bei Schneider Edelstahl um die Wursttheke

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Malte Waag ist 18 Jahre alt, besucht die elfte Klasse des Goethegymnasiums in Weimar und möchte mal was mit Kultur studieren. Warum hat er sich für die Praktikumswoche das Unternehmen Schneider Edelstahl ausgesucht, einen Industriebetrieb, der hygienesensible Einrichtungsgegenstände für die Lebensmittelindustrie fertigt? „Ich wollte meinen Horizont erweitern und mich auch mal praktisch und handwerklich ausprobieren“, sagt er.
Waag nahm an einem Projekt der Berufsorientierung teil, bei dem er in der elften Klasse ein einwöchiges Praktikum mit akademischem Hintergrund absolviert. Ziel des Berufsorientierungsprojektes, das von der TIBOR EDV-Consulting GmbH Thüringen im Auftrag der Agentur für Arbeit durchgeführt wird, ist es Abiturienten, einen Einblick in mögliche Tätigkeitsfelder eines Akademikers zu geben. So erhalten Gymnasiasten detaillierte Einblicke in Betriebsabläufe, Strukturen und die Aufgaben von Studienabsolventen.
 
Jörg Schneider, Geschäftsführer von Schneider Edelstahl, war zuerst skeptisch: „Ich habe mir seine Bewerbung nur kurz angeschaut und gedacht, der junge Mann wird sich aufgrund seiner Erfahrungen und seiner Vita in eine andere Richtung orientieren. Doch dann überlegte ich mir, dass es auch für Abiturienten mit Studienziel genügend Anknüpfungspunkte für einen Ausbildungsberuf gibt. Schließlich halte ich es für unerlässlich, dass Akademiker, die Produkte entwickeln und Betriebsabläufe planen, auch die Umsetzung in der Produktion kennen. Leitungsebene braucht Praxisbezug. Da ist eine Berufsausbildung, auch für Abiturienten, die später studieren wollen, sehr empfehlenswert“, sagt Schneider. Der Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis sei unabdingbar. Darin waren sich Praktikant und Geschäftsführer einig. Schneider, der selbst nach einer Berufsausbildung auf dem zweiten Bildungsweg Maschinenbau studierte, bietet regelmäßig Praktikanten Einblicke in sein Unternehmen. Häufig seien die Jugendlichen orientierungslos bezüglich ihres Berufsweges. An Malte Waag gefällt ihm vor allem sein Interesse für die Zusammenhänge und die Arbeitsabläufe. In den fünf Praktikumstagen lernte der junge Mann den Vertrieb, das Lager, das Produktionsdesign, die Arbeitsvorbereitung und in der Fertigung Blechverarbeitungen wie Stanzen, Lasern und Schweißen kennen. „Das Besondere für mich war, dass ich in alle Bereiche hineinschauen und mich in der Praxis ausprobieren konnte. Dadurch habe ich ein ganz anderes Bild von dem produzierenden Unternehmen bekommen. Ich habe erlebt, wie alle Bereiche ineinander greifen, wie die Betriebsabläufe genau aufeinander abgestimmt sind und wie hoch die Verantwortung aller Kollegen ist. Das war für mich eine sehr wichtige Erfahrung“, fasst er die Praktikumswoche zusammen.
In der 140jährigen Produktionsstätte, die Schneider eine „automatisierte Manufaktur“ nennt, fertigen 35 Mitarbeiter Einrichtungen für Groß- und Gewerbekunden in der Lebensmittelbranche und in der Pharmazie an. Gegründet 1991, produziert das Unternehmen u.a. Auslegebleche für Wursttheken, Spindschränke für Lebensmittelketten und Spültische für die Gemüsevorbereitung. Schneider Edelstahl bildet in den Berufen Konstruktionsmechaniker/in, Technische/r Produktdesigner/in und Industriekaufmann/-frau für den eigenen Bedarf aus. Auch für dieses Jahr sucht Schneider noch ein bis zwei Auszubildende zum/r Konstruktionsmechaniker/in. Wie viele Unternehmen beklagt er das Niveau der Bewerber: „Einige bewerben sich mit Fünfen und Sechsen auf dem Zeugnis. Doch auch die lade ich mir zum Gespräch ein. Wir haben in den letzten Jahren auch junge Menschen ausgebildet, die zu Beginn nicht so richtig ausbildungsfähig waren, die sich jedoch im Laufe der Zeit ganz toll entwickelt haben.“ Abiturienten, die sich für die Ausbildung interessierten, würde das Unternehmen später beim Studium unterstützen. Die Berufsausbildung, an die sich ein Studium oder eine Weiterbildung anschließt, sieht er als Beginn der beruflichen Karriere – als Rekrutierungsweg für die Leitungsebene im deutschen Mittelstand. 
 
Maltes Mitschüler erkundeten in dieser Woche ihre Berufswünsche in anderen Unternehmen oder Institutionen, an der Universität in Jena, im Theater, in Krankenhäusern oder bei Anwälten und Ärzten. „Bei der Berufswahl ist entscheidend, dass ich Interesse und auch ein gewisses Talent für den Beruf habe. Und natürlich sollte er auch eine Zukunft haben. Darauf möchte ich ja meine eigene  Zukunft aufbauen“, sagt Malte. Und Schneider ergänzt: „Man kann nur erfolgreich sein, wenn man seinen Beruf mit Herz und Verstand ausübt.“