Besonderer Fund in der Forschungsbibliothek

0
1128

„Fürstinnen und Konfession. Beiträge hochadliger Frauen zu Religionspolitik und Bekenntnisbildung“ lautet der Titel eines interdisziplinären und internationalen Symposiums, zu dem das Institut für Europäische Geschichte Mainz und die zur Universität Erfurt gehörende Forschungsbibliothek Gotha vom 24. bis 26. März auf Schloss Friedenstein nach Gotha einladen. Im Rahmen der Tagung präsentiert die Forschungsbibliothek Gotha das wiedergefundene Glaubensbekenntnis der Herzogin Dorothea Susanna von Sachsen-Weimar (1544-1592). Daniel Gehrt stieß als Mitarbeiter eines DFG-Projekts zur Katalogisierung der Reformationshandschriften der Forschungsbibliothek Gotha auf das Privatexemplar der Fürstin.

Der Einfluss von Fürstinnen und Regentinnen protestantischer Territorien auf die Religionspolitik im 16. Jahrhundert ist bislang wenig erforscht. Viele spielten aktive Rollen, die nicht nur von politischem Kalkül, sondern auch von religiösem Eifer getragen waren. In den protestantischen Kontroversen, die nach Luthers Tod (1546) aufbrachen, traten Herrscherinnen oft als Schutzherrinnen „ihrer“ Theologen auf und nahmen Partei im Streit um theologische Standortbestimmungen. Auch im Umkreis evangelischer Einigungsbestrebungen im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts waren hochadlige Frauen engagiert tätig. Als Politikerinnen mit europaweiten oder „nur“ auf das eigene Hoheitsgebiet bezogenen Interessen, aber auch als Gestalterinnen ihrer höfischen Verhältnisse, etwa durch Prinzenerziehung oder Heiratspolitik, beteiligten sie sich an religiösen Entwicklungen. Zu den herausragenden Akteurinnen gehörte die aus der Pfalz stammende Fürstin Dorothea Susanna von Sachsen-Weimar. Sie sah sich schon als junge Witwe im Alter von 28 Jahren in heftigen Streitigkeiten mit dem Vormund ihrer Söhne, Kurfürst August von Sachsen. Diese Konflikte führten zur Entlassung von nahezu allen Professoren an der Universität Jena sowie von 120 Pfarrern und 20 Schullehrern. Ein Viertel aller Stellen in der ernestinischen Landeskirche wurde somit auf einen Schlag vakant. Aus der Konfessionspolitik der Herzoginwitwe, zu deren Hauptzielen die Rückkehr der „Vertriebenen“ gehörte, ging 1575 ein eigenes Glaubensbekenntnis hervor. Dieses handschriftlich verbreitete Zeugnis ihrer Positionierung in den innerevangelischen Lehrkontroversen ihrer Zeit wurde von rund 80 protestantischen Theologen aus verschiedenen Teilen Deutschlands unterzeichnet. Bislang waren der Forschung nur Abschriften des außergewöhnlichen Werkes bekannt.

Im Rahmen des DFG-Projekts „Katalogisierung der Reformationshandschriften der Forschungsbibliothek Gotha“ konnte nun das Original des Bekenntnisses der Herzogin mit den eigenhändigen Unterschriften der theologischen Befürworter identifiziert werden. Es befindet sich in einem Sammelband, der auch noch andere gedruckte Bekenntnisschriften enthält, nämlich die ihres Schwiegervaters Johann Friedrich des Großmütigen, ihres Schwagers Johann Friedrich des Mittleren und ihres Gemahls Johann Wilhelm. Erkannt und nachgewiesen wurden aber auch die verschiedenen Entwürfe des Glaubensbekenntnisses, die seine anfangs geheim gehaltene Entstehung und mehrmalige Überarbeitung nachvollziehen lassen. Im Unterschied zu den Entwürfen richtete sich die Endfassung nicht mehr an ein allgemeines Publikum, sondern nahm bewusst die Form eines 30 große Blätter umfassenden Privatbriefes an Kurfürst August von Sachsen an. Damit konnte Dorothea Susanna wenigstens formal den Einwand zurückweisen, dass sie sich als Frau an öffentlichen theologischen Diskussionen beteilige, denn dies stand den damaligen gesellschaftlichen Normen entgegen. Mit ihrem Glaubensbekenntnis brach die Herzogin also mit den damals geltenden Konventionen.

Die interdisziplinäre Tagung beleuchtet in Einzelstudien und aus übergreifenden Blickwinkeln den bislang wenig erforschten Anteil von hochadligen Frauen an den religiösen Streitigkeiten und bei der Konfessionsbildung im „langen“ Reformationsjahrhundert. Von den 20 Tagungsvorträgen zu religionspolitisch aktiven Fürstinnen der Reformationszeit und des konfessionellen Zeitalters in unterschiedlichen politischen und rechtlichen Lagen basieren mehr als ein Viertel auf den außerordentlich reichen Handschriftenbeständen der Forschungsbibliothek Gotha. Die wissenschaftliche Leitung haben Dr. Vera von der Osten-Sacken (Mainz) und Dr. Daniel Gehrt (Gotha).

Bild:
Titelblatt des Glaubensbekenntnisses von Dorothea Susanna von Sachsen-Weimar aus dem Jahr 1575 (Foto: Forschungsbibliothek Gotha)

Publiziert: 18. März 2011, 15.46 Uhr

H&H Makler