„Den James-Bond-Anruf hielt ich für einen Scherz“

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Das 32. Filmfest München (27.06.- 05.07.) ehrt Willy Bogner mit einer Werkschau. Der Sohn des Skisportlers und Modeunternehmers Willy Bogner senior trat als Skirennläufer, Designer und Firmenchef in die Fußtapfen seines Vaters. Darüber hinaus kann der 72-jährige auf eine beeindruckende Karriere als Filmemacher verweisen. In vier James-Bond-Abenteuern zeichnet Bogner für rasante Actionszenen verantwortlich, seine eigenen Regie-Arbeiten wie „Skifaszination“ oder „Feuer und Eis“ haben Sportfilm-Geschichte geschrieben. Ein Gespräch mit unserem Autor Andre Wesche über die Leidenschaft Film, James Bond und das Verarbeiten von Schicksalsschlägen.

Herr Bogner, das Filmfest München widmet Ihnen eine Werkschau. Hat diese Ehrung für Sie einen besonderen Stellenwert?

Aber sicher. Ich war sehr überrascht und fühlte mich geschmeichelt, dass man meine filmische Laufbahn einer Werkschau für würdig erachtet. Der Film ist ja doch eher mein Nebenberuf. Das ist schon eine besondere Ehrung. Ich arbeite auf einem Feld, auf dem man eher nach vorne schaut. Es bleibt einem wenig Zeit, um zurückzublicken. In Momenten wie diesem sieht man sich dann doch alles wieder an. Und dann wundere ich mich, was ich alles schon gesehen und erlebt habe.

Arbeiten Sie dem Filmfest zu?

Ja. Man stellt mir viele Fragen. Die Sicht von außen ist immer interessant, diesen Blickwinkel hat man ja selbst nicht. Es ist sehr spannend, welche Dinge die Filmfestmitarbeiter interessieren und wie sie mit dem Material umgehen. Einige Filme werden auch Open Air gezeigt, das ist für einen Outdoor-Filmer wie mich etwas sehr Schönes. Mich interessieren besonders die Reaktionen eines jüngeren Publikums, das die frühen Filme noch nie gesehen hat.

Ist es wahr, dass Ihr Vater Ihnen die erste Kamera geliehen hat, als Sie 12 waren?

Ja. Er hatte die Kamera eigentlich eher für sich selbst gedacht, er wollte seine Jagdreisen dokumentieren. Aber dann hat er es doch praktischer gefunden, mich mitzunehmen. Dann hatte er seinen „Kameramann“ schon dabei und musste sich nicht um das Filmen kümmern. Der Sohn wurde sozusagen zum Reporter des Erlebnisses.

Wie wurde Ihre Leidenschaft zum Medium Film entfacht?

Ich habe mich immer schon für Fotografie und auch für das Filmen interessiert. Ich habe zu Weihnachten eine Spiegelreflexkamera mit Wechselobjektiven bekommen, das war mit 12 oder 13 Jahren schon etwas ganz Tolles. Ich habe das dann selbst weiterentwickelt. Durch die Verbindung mit dem Sport und mit dem Skifahren kam später eine professionelle Komponente hinzu. Ich kam mit Fernsehprofis wie Harry Valérien in Kontakt. Er wusste, dass ich gern filme. Ich hatte 1960 im Olympischen Dorf von Squaw Valley meine Kamera dabei und Harry Valérien hat mir die Chance gegeben, von dort zu berichten. Er hat mich zum ersten Mal mit den Profis in Verbindung gebracht.

Welche Filme haben Sie inspiriert?

Gerade in meiner Anfangszeit war ich von „West Side Story“ begeistert. Die Verbindung des doch sehr rauen Tanzstils mit dem modernen Soundtrack hat mir sehr imponiert. Das brachte mich auf die Idee, auch hierzulande zu versuchen, Musik und Sport zu verbinden. Tanz und Skifahren waren für mich nie ein großer Unterschied, was die Bewegungsformen angeht. Man muss sie nur spannend choreographieren. Damit war die Grundidee zu „Skifaszination“ geboren.

War es auch zeitweise ein jugendliches Aufbegehren, ein „Nicht-in-die-Fußstapfen-treten-Wollen“?

Ja. Ich war längere Zeit etwas unsicher, ob ich selbst in die Firma gehe oder eher eine Foto- und Filmkarriere anstrebe. Ich habe dann aber festgestellt, dass sich beides ganz gut verbinden lässt. Das Unternehmen hat mir bestimmte Freiräume gelassen, die man als Vollzeit-Filmemacher wahrscheinlich nicht so bekommt.

War Ihr Vater dieser Zweigleisigkeit gegenüber aufgeschlossen oder skeptisch?

Sicherlich haben ihm manche Dinge mehr gefallen als andere. Aber gerade „Skifaszination“ fand er auch super. Er kam ja selbst vom Skisport und wusste, dass die Begeisterung für den Sport durch diese Filme gefördert werden würde. Es war eine neue Kommunikationsform, die dem Modeunternehmen sicher nicht geschadet hat.

Was für ein Gefühl war es, als man Sie für James Bond ins Boot holte?

Eines Tages fragte mich jemand am Telefon, ob ich beim nächsten James-Bond-Film als Kameramann mitmachen will. Wenn sie als Filmamateur, der nie eine Filmschule besucht hat, so einen Anruf kriegen, dann denken sie, das ist ein Witz. Irgendeiner ihrer Freunde macht sich einen Spaß. Das kann ja gar nicht wahr sein! Aber dann stellte sich heraus, dass es wirklich echt war. Sie hatten „Skifaszination“ gesehen.

Aufnahmen wie die, bei denen ich mit 80 Sachen beim Abfahrtslauf mit der Kamera dabei war, hatten sie noch nie gesehen. Für den nächsten Bond-Film war eine Ski-Verfolgungsjagd geplant und sie brauchten genau so einen wilden Kameramann. Ich bekam den Job und war sechs Wochen lang mit dem Team unterwegs.

Uns sind wirklich außergewöhnliche Bilder gelungen und sie kamen auch sehr gut an. Danach bot man mir drei weitere Filme an, bei denen ich bei den Action-Sequenzen auch Regie führen und am Drehbuch mitarbeiten durfte.

Gibt es so etwas wie das schönste Bond-Erlebnis?

Es gab viele besondere Momente. Gerade das Drehen in der Bobbahn. Ich musste mich mit der Kamera an einen Viererbob anhängen, hinter mir die Motorräder mit ihren Spikes, das war zum Teil schon ein bisschen grenzwertig. An diese Drehtechnik muss man sich auch erst heranarbeiten. Aber insgesamt hat alles gut geklappt. Bei jedem Bond gab es ein, zwei Sachen, bei denn man Glück brauchte, um sie richtig hinzubekommen.

Welcher Bond ist Ihr Favorit?

Man muss das ja immer im Kontext der Zeit sehen, in der die Filme entstanden sind. Ich fand, dass „Der Spion, der mich liebte“ noch den typischen Bond-Charakter hat. In den modernen Versionen wird er ein bisschen härter und weniger britisch.

Das finde ich schade, weil Bond dann anderen Actionfilmen gegenüber austauschbarer wird. Den typisch britischen Humor, das Understatement halte ich immer für ein sehr wichtiges Element. Nicht nur Geheimdienstler, auch Gentleman eben.

Also würden es Sie nicht reizen, heute Daniel Craig auf die Piste zu schicken?

Ja, doch. Die Figur würde sich natürlich als Typ anders bewegen als Roger. Sie wäre extremer, härter und knackiger. Aber warum nicht? Die ganze Welt dreht sich weiter. Und die Stunts, die Bond heute machen würde, könnten noch einen Zacken extremer sein.

Mit „Stehaufmädchen“ kam 1970 Ihr einziger Film ins Kino, der nichts mit Ski zutun hat. Was reizte Sie an der Geschichte?

Wir waren mit den Bond-Filmen unterwegs, als mich ein Produzent von United Artists fragte, ob ich einen Drehbuchautor kennen würde, der so etwas wie „Zur Sache, Schätzchen!“ schreiben könnte. Der Film war gerade sehr erfolgreich und setzte einen neuen Trend in Deutschland. Frech, wie ich damals war, sagte ich: „Ja, ich kenne da einen – mich!“. Ich hätte nie gedacht, dass man darauf eingeht. Aber man hat mir ein nicht allzu hohes Budget anvertraut und gesagt: „Machen Sie mal.“. Sie dachten halt, dass ich schon ein bisschen was können muss, wenn ich bei Bond bin. Ich habe ein Treatment geschickt, das sie ganz cool fanden und danach haben sie mich arbeiten lassen.

Welche Erinnerungen haben Sie an den Dreh der berühmten Liebesszene?

Bei der Szene auf dem Siegestor haben wir uns alle sehr amüsiert. Wir standen auf dem Kran, schauten die ganze Ludwigstraße hinunter und dann liegen da welche auf dem Siegestor. Das ist schon sehr außergewöhnlich. Dass wir das überhaupt genehmigt bekommen haben, war schon ein toller Erfolg. Es entsprach wohl dem Zeitgeist, man war gerade dabei, sich ein bisschen liberaler zu geben.

Wir hatten beim Drehen sehr viel Spaß. Iris Berben spielt in „Stehaufmädchen“ richtig super und hat danach eine beeindruckende Karriere hingelegt. Ich freue mich darauf, sie in München zu treffen.

In diesem Jahr jährte sich die größte Katastrophe Ihres Berufslebens zum 50-sten Mal. Eine Lawine bei Dreharbeiten im Engadin forderte zwei Todesopfer. Was hat Ihnen danach den Mut verliehen, weiterzumachen?

Hauptsächlich der Umstand, dass sich das ganze Team einig war, den Film zu Ehren der Verstorbenen fertigzustellen. Alle haben sich noch viel größere Mühe gegeben. Der Erfolg des Filmes hat uns gezeigt, dass es richtig war, weiter zu machen. Es gehört ja zum Sport dazu, dass man auch in richtig schwierigen Situationen dranbleibt und etwas zu Ende bringt.

Glauben Sie, dass die sich rasant entwickelnden technischen Möglichkeiten beim Film die Magie des Kinos eher fördern oder ihr eher abträglich sind?

Beides. Es ist ein Segen und ein Fluch zugleich, dass heute jeder sein Kino in der Westentasche hat. Die neuen Medien sind eine Gefahr und eine Chance. Man hat andere Publikationsformen zur Verfügung, vieles wird über das Netz gestreamt und läuft nicht im Kino. Das heißt, dass man das Kinoerlebnis noch deutlich verbessern muss, um sich gegen die anderen abzuheben. Daran müssen wir arbeiten. 3D ist ja fast schon Standard. Aber warum nicht mal 360°-3D? Man muss kreativ werden, um sich von iPhone und iPad abzusetzen.

Auch Wladimir Putin trägt gern Bogner. Wieviel Sorge bereitet Ihnen der Konflikt der EU mit Russland?

Selbstverständlich schauen wir alle mit Sorge auf die Entwicklung. Wir hoffen, dass sich das beruhigt, nicht zuletzt wegen der guten wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland. Wir haben ein wirklich gutes Russland-Geschäft und hoffen, dass wir von Sanktionen und Irritationen in unserem guten Verhältnis verschont bleiben. Die EU muss daran denken, dass Russland auch ein wichtiger Partner ist. Man darf nicht in alte Feindbilder zurückfallen.

Wann haben Sie zum letzten Mal auf Ski gestanden?

Ende März war ich mit einigen Freunden in Kanada beim Tiefschnee-Fahren. Es war eine tolle Woche.

Die Fragen stellte André Wesche.