Ein barocker Musiktheaterabend mit Tanz und historischer Gestik

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Die Tänzerin Françoise-Adélaide (Anna Gai) – Étoile der Pariser Oper, verwöhnt, herrisch, anmutig, kokett und Babette (Charlotte Bell) – Tänzerin im Corps de ballet, aus einfachen Verhältnissen der Pariser Hinterhäuser stammend, dank ihrer Schönheit und Naivität, zuletzt aber dank ihrer Gönner in bessere Kreise geraten, sind auf einer Tournee nach Venedig. Es wird ihr erster Aufenthalt in Italien sein.

Ebenso befindet sich die temperamentvoll übermütige Sängerin Francesca (Natalia Voskoboynikova), eine stolze Venezianerin auf dem Weg zu einem Gastspiel, sie aber in Paris. Die drei begegnen sich in einer Schweizer Relais-Station, während sie auf ihre Postkutschen warten.

Soweit das Sujet, das sich Milo Pablo Momm und Gerd Amelung für diesen einzigartigen Musiktheaterabend erdacht haben. Momm, Barocktänzer, Choreograf und Spezialist für historische Bühnengestik gehört zu den wenigen Experten in Europa, die sich praktisch mit barockem Theater auseinandersetzen. Seine Produktion von Johann Andreas Boxbergs »Sardanapalus« im Ekhof-Theater Gotha 2012 mit historischer Schauspielkunst wurde von der Zeitschrift »Opernwelt« als »Wiederentdeckung des Jahres« ausgezeichnet. Gerd Amelung, Cembalist, Vocal Coach und Ensembleleiter, widmet sich seit mehreren Jahren intensiv der barocken Vokalmusik, unter anderem als Assistent von Wolfgang Katschner und als Lehrbeauftragter an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar.

Ausgangspunkt ihrer Überlegungen war dabei nicht etwa eine literarische Vorlage, ein Libretto, sondern die Musik selbst. So künden die ausgewählten Werke etwa von Jean-Philippe Rameau, Jean-Féry Rébel, Nicola Antonio Porpora oder Michel Pignolet de Montéclair – pastigioartig vom Ensemble Accademia de’ Draghi zusammengefügt – von einem allgemein eher wenig beachteten Thema der Musikgeschichte:

Frankreich galt im 17. und frühen 18. Jahrhundert als Mutterland des höfischen Tanzens, das Tanzmeister aus ganz Europa anzog. Wenn diese dann an Opernhäusern außerhalb Frankreichs zu »Maîtres de Ballet« wurden, brachten sie ein Stück französische Tanzästhetik in die (meist italienisch geprägten) Opernaufführungen. Aus Italien wiederum kam die Kantate als eigenständige musikalische Form, oft genug als »Miniaturoper« nach Frankreich, wurde dort rezipiert und zu einer genuin französischen Gattung. Anders als beim italienischen Vorbild tritt der Sänger hier abwechselnd als Erzähler und Handelnder auf. Das Interesse an der Anverwandlung der italienischen Form ging in Frankreich so weit, dass von Komponisten wie Michel Pignolet de Montéclair Kantaten mit italienischem Text geschrieben wurden.

Das Ensemble bringt diese beiden Elemente innereuropäischen Kulturaustauschs in seinem Programm zusammen und gestaltet einen Tanz-Theaterabend mit Tanzmusik, Kantaten und Instrumentalmusik aus der Zeit zwischen 1700 und 1730. Nicola Antonio Porpora und Jean-Phlippe Rameau zählten damals zu den Hauptprotagonisten des europäischen Musiklebens: Rameau brachte Elemente der italienischen Vokalmusik nach Frankreich und wurde dort von den »Lullistes« dafür scharf angegriffen, Porpora prägte sowohl als Gesangslehrer wie als Komponist eine ganze Generation von Sängern und Komponisten.

Besonders die französische Musik des Programms ist in Deutschland ausgesprochen selten zu hören. Reizvoll erscheint ebenso, dass historische Tanzkunst und Bühnengestik an einem Ort wie dem Ekhof-Theater Gotha, dem weltweit ältesten Barocktheater mit einer funktionierenden Bühnenmaschinerie aus dem 17. Jahrhundert, zu erleben sein werden.

Reservierungen

Ticketreservierungen können Sie vornehmen unter: Academia Musicalis Thuringiae e.V., Erfurter Straße 13, 99423 Weimar, Tel. 03643-492736, E-Mail: 20herbst15@gueldener-herbst.de
Reservierte Tickets sind an der Tages-/Abendkasse für Sie hinterlegt. Für alle nicht anderweitig ausgewiesenen Veranstaltungen gilt innerhalb der Preiskategorien freie Platzwahl. Platzreservierungen sind hierfür nicht möglich.

Für die ausgewiesenen Veranstaltungen können Mitglieder der AMT e.V., Abonnenten der TA, OTZ oder TLZ, Schüler‚ Studierende, Auszubildende, Jugendliche im Freiwilligendienst, Rentner, Schwerbehinderte und ALG-Empfänger Tickets zu den angegebenen ermäßigten Preisen erwerben. Ermäßigungen werden nur bei Vorlage eines entsprechenden Nachweises gewährt. Für Kinder bis zum Alter von 6 Jahren ist der Eintritt kostenfrei.

Woche der historischen Theater

Zum fünften Mal laden elf historische Theater in Deutschland zur Woche der historischen Theater ein. Alle Theater sind Teil der Deutschland-Route der Europastraße Historische Theater, die seit 2007 mit Unterstützung des Programms „Kultur“ der Europäischen Union entwickelt wird. In der langen Woche vom 14. bis 26. September 2015 kann jeder, der die Deutschland-Route von Putbus bis Schwetzingen entlang fährt, an jedem Tag eine Aufführung, ein Konzert oder eine Sonderführung in einem der historischen Häuser erleben. Dies ist normalerweise nicht möglich, da viele Häuser nicht täglich bespielt werden. Seit 2011 organisieren die zur Deutschland-Route gehörenden historischen Theater gemeinsam das Programm für die „Woche der historischen Theater“.

Interessierte Besucherinnen und Besucher haben die Möglichkeit, einmal die ganze Deutschland-Route abzufahren, sich auf kleinere Teilstücke zu konzentrieren oder auch nur das Theater vor ihrer Tür zu besuchen. In dem bunten Strauß von Schauspiel, Oper, Konzert und Führungen ist für jeden etwas dabei. Die Organisation der Reise bleibt den Besuchern selbst überlassen. Eintrittskarten zu den Veranstaltungen sind bei den einzelnen Theatern erhältlich.
Informationen und Termine sind zu finden unter www.europastrasse.info oder auf den Internetseiten der einzelnen Theater.

Die Europastraße Historische Theater wird organisiert von PERSPECTIV – Gesellschaft der Historischen Theater Europas e.V., gemeinsam mit 15 Partnerinstitutionen in 12 Ländern,
und unterstützt vom Programm „Kultur“ der Europäischen Union.
Samstag, 26. September 2015, 19:30 Uhr (19:00 Uhr – Konzerteinführung Gerd Amelung)
Schloss Friedenstein, Ekhof-Theater

Eine Veranstaltung im Rahmen der Woche der historischen Theater

Natalia Voskoboynikova – Sopran
Anna Gai, Charlotte Bell – Tanz,
Jan Hoffmann – Kostüme
Milo Pablo Momm – Regie, Choreografie

Academia de‘ Draghi
Ulrike Wolf – Flauto traverso
Andrea Schmidt – Barockvioline
Gertrud Ohse – Viola da gamba, Barockvioloncello
Gerd Amelung – Cembalo, Leitung

Kooperationspartner: Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, Schatzkammer Thüringen

Tickets: PK 1 22,-/16,- EUR, PK 2 18,-/12,- EUR
Vorverkauf: Ticket Shop Thüringen – TA, OTZ, TLZ Pressehäuser/ Service-Center/ Service-Partner / unter www.ticketshop-thueringen.de oder Tel. 0361-227 5 227, sowie in allen VVK-Stellen

(Beitragsbild: Die Sopranistin Natalia Voskoboynikova © Natalia Voskoboynikova)