Frankenstein oder der moderne Prometheus

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Frankenstein. Schon beim Namen klingelt es. Eines der großen Werke der Weltliteratur. Keine Frage. Und doch kennt so gut wie niemand die eigentliche literarische Vorlage. Bekannt wurde der Stoff eher durch Verfilmungen oder trivial-literarische Fortsetzungen. Die 1831 von Mary Shelley redigierte Urfassung des Romans schließlich dürfte in Deutschland noch gänzlich unbekannt sein: Erst vor 2 Jahren auf dem deutschsprachigen Buchmarkt erschienen, ist sie jetzt erstmals in der Bearbeitung des Theaterhauses Jena im Rahmen der Kulturarena zu sehen…

Wie also geht die Geschichte vom Aufstieg und Fall des jungen Wissenschaftlers und Alchimisten Viktor Frankenstein? Meist wird schon sein Name verwechselt. Frankenstein: Schöpfer oder Geschöpf, Mustersohn oder Monster – die Verwechslung ist Programm. Mary Shelley erzählt von einem zutiefst gespaltenen Wesen. Viktor Frankenstein und das Monster gehören zusammen wie Dr. Jeykell und Mr. Hyde, wie Faust und Mephisto. Ihre Verfolgungsjagd folgt der Logik von Wahnsinn und Selbstentrückung, sie wirft ihren expressionistischen Schatten weit voraus.

Alles beginnt mit einer Familie, einer ganz normalen viktorianischen Familie des 19. Jahrhunderts. Von Anfang an unterliegt Viktor Frankenstein einem hohen inneren Druck: Karriere soll er machen, seine Kindheitsliebe Elisabeth soll er heiraten, eine Familie gründen und das Erbe des Vaters hegen und pflegen. Sein Lebensweg scheint vorgezeichnet. Doch in der Zwischen-, seiner Studienzeit, bricht er aus dem vorgegebenen Rahmen aus: Fieberhaft entdeckt er das Geheimnis des ewigen Lebens und erschafft künstliches Leben. So weit, so gut.
Doch das von ihm erschaffene Geschöpf ist eine Ausgeburt nie da gewesener Hässlichkeit…

Natürlich handelt es sich bei Familie Frankenstein um die Shelleys. Der Roman spielt in der Schweiz, ebenda, wo Mary und Percey Shelley sich auf einer Sommerreise 1816 gegenseitig mehrere Geistergeschichten erzählten, darunter auch die von Viktor Frankenstein. Die Form des Briefromans ist folgerichtig und konsequent: niemand kann wissen, wie wahr das Erzählte ist. Fiktion und Realität mischen sich. Ob mit Stöcken oder Steinen, irgendwann platzt jeder Kopf.

Die Kulturarena Jena und das Theaterhaus Jena zeigen die Geschichte von Schöpfer und Geschöpf, den eigenartigen Trip im Kopf Viktor Frankensteins, so wie ihn Mary Shelley aufgeschrieben hat: Als zwiegespaltene Geschichte zweier ewiger Antagonisten, wechselnd erzählt aus der subjektiven Kameraeinstellung und der alles ahnenden Perspektive einer singenden Erzählerin. Mit Live-Musik, Live-Video und ganz viel Pathos: Weine, weine Bestie Mensch!

Noch bis zum Sonntag den 15.07.2012 gibt es das Spektakel vor dem Theaterhaus in Jena.

Eine grandiose Inszenierung die mich total begeisterte.
Und das beste zum Schluss: Es gibt für Samstag und Sonntag noch Karten – auf nach Jena!

Text & Fotos: Holger John / VIADATA


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