„Gothaer Hiob-Ludolf-Vorlesungen“ am Forschungszentrum starten mit Anthony Grafton

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Unter dem Titel „1. Gothaer Hiob-Ludolf-Vorlesung” startet am Montag, 2. Juli, eine neue Veranstaltungsreihe am Forschungszentrum Gotha für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt.

Als hochkarätiger Referent dieser Premiere wird Anthony Grafton einen Vortrag halten, mit dem Titel: „The Jewish Pandects. The Story of how the Talmud came to be seen as a Counterpart to the Digest of the Roman Law”. Der Vortrag findet in englischer Sprache statt. Beginn ist um 18.15 Uhr im Festsaal des Schlosses Friedenstein. Der Eintritt ist frei.

Die Geschichte des Talmud, des bedeutendsten Werks rabbinischer Lehre und Schatzes jüdischer Weisheit, ist lang, voller Missverständnisse, Verfolgung und Zensur. Seit dem Mittelalter verurteilten ihn viele christliche Gelehrte als Sammelbecken für Lügen und abergläubische Lehren. Besonders hart ging die Katholische Kirche in der zweiten Hälfte  des 16. Jahrhunderts gegen den Talmud vor: Tausende talmudische Texte  wurden beschlagnahmt und verbrannt. Als der Basler Drucker Ambrosius Froben 1578 eine Neuausgabe des Talmud begann, reagierten auch die  calvinistischen und lutherischen Theologen in der Schweiz und in Deutschland scharf. Doch ab der Mitte des 17. Jahrhunderts zitierten christliche Gelehrte – Katholiken wie Protestanten – den Talmud wieder: als strahlendes Zeugnis sowohl jüdischer Überzeugungen und Praktiken als auch der Ursprünge und frühen Geschichte des Christentums. Oft bezeichneten sie das Werk als „Pandectae Iudaeorum“, „Die Pandekten der Juden“. Anthony Grafton legt in seiner Vorlesung dar, dass dieses Detail zutiefst bedeutungsvoll ist. Auf zwei Worte verdichtet, offenbart sich hier eine hochkomplexe Geschichte: wie der Talmud zur rechtmäßigen Quelle für die Geschichte des Römischen Rechts wurde.

Grafton ist Henry Putnam University Professor an der Princeton University und einer der herausragendsten Ideenhistoriker weltweit. Seine kurzweiligen Bücher sind für ein breites Publikum geschrieben und werden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Zu den bekanntesten zählen die „tragischen Ursprünge der deutschen Fußnote“, „Cardanos Kosmos“ oder „Fälscher und Kritiker“.

Hiob Ludolf (1624–1704) gilt als einer der bedeutendsten Universalgelehrten der Frühen Neuzeit. Geboren und aufgewachsen in  Erfurt, stand er viele Jahre im Dienst Herzog Ernsts I. von  Sachsen-Gotha. In seinem Namen stehen die Hiob-Ludolf-Vorlesungen für die internationale Vernetzung Gothas mit der gelehrten Welt.

Nähere Informationen / Kontakt:
Stefanie Kießling
Tel.: 0361/737-1702
E-Mail: stefanie.kiessling@uni-erfurt.de