Hectors Reise oder Die Suche nach dem Glück

0
1205

Er ist Scotty in den neuen „Star Trek“-Filmen, Tom Cruises Mitstreiter Benji in den letzten beiden „Mission: Impossible“-Streifen und Mit-Schöpfer und Hauptdarsteller der zum Kult avancierten Genre-Parodien „Shaun of the Dead“ und „The World´s End“: der Brite Simon Pegg gehört zu den umtriebigsten Filmschaffenden seiner Generation. Nun ist der 44-jährige in der Titelrolle eines Psychiaters auf Weltreise in der Bestseller-Verfilmung „Hectors Reise oder Die Suche nach dem Glück“ zu erleben. Wir trafen Simon Pegg in Berlin zum Gespräch.     

 

Mr. Pegg, was bedeutet „Glück“ für Sie?

Zum ersten Mal habe ich Anfang 2012 mit Regisseur Peter Chelsom über das Projekt gesprochen. Natürlich gab es in der Zwischenzeit diverse Diskussionen über das Glück und wie es jeder von uns definiert. Glück besteht wohl im Erreichen einer gewissen, behaglichen Ruhe. Man kann nicht „ein bisschen“ glücklich sein, entweder man ist es oder nicht. Wir tun manche Dinge, um uns glücklich zu fühlen, wir unterhalten uns, machen es uns bequem, suchen das Vergnügen. Solche Sachen sind aber nur Stellvertreter für das Glück. Sie lassen uns für einen Moment glücklicher scheinen, als wir es tatsächlich sind. Es ist interessant, unsere heutige Gesellschaft zu beobachten. In unserer westlichen Welt existiert diese gelangweilte Mittelklasse. Die Menschen wissen nicht mehr, ob sie glücklich sind oder nicht. Wer harte Zeiten durchmachen musste, sich mit echten Schwierigkeiten wie Verlust oder Schmerz, Traurigkeit und Angst auseinanderzusetzen hatte, ist sich wesentlich stärker bewusst, was glücklich Sein bedeutet. Man hat einen Vergleich und kennt auch das Gegenteil.

 

Darum dreht sich im Prinzip auch „Hector“. 

Genau. Um das Glück zu sehen, muss man auch all die anderen Facetten des menschlichen Lebens kennen. Erst dann weiß man wirklich, was Glück bedeutet. Hector ist glücklich, aber er weiß es nicht. Er kann es einfach nicht beurteilen. Es bedarf einer langen Reise mit all ihren Verwicklungen, damit er realisieren kann, dass er eigentlich schon alles in sich trägt.

 

Wann erleben Sie persönlich Glücksmomente?

Mein Job macht mich glücklich. Ich sehe und erlebe viele aufregende Dinge. An großen Filmen wie „Star Trek“ oder „Mission: Impossible“ mitzuwirken, weckt immer den kleinen Jungen in mir, der sich für diese Dinge begeistert. Und ich kann meine eigenen Filme wie „Shaun oft the Dead“ oder „Hot Fuzz“ machen. Das erfüllt mich mit Stolz und mit tiefer Befriedigung. Ich würde diesen Job sogar ohne Bezahlung machen, ich befinde mich in einer privilegierten Situation. Davon abgesehen gibt es all diese Dinge, die mein Privatleben glücklich machen: meine Familie, mein Zuhause und all die Beschäftigungen, denen ich nachgehen kann, wenn ich nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehe. Ich glaube, das wahre Glück findet man hier. Dort wo alles beginnt, wo man morgens aufsteht. Wenn man zuhause nicht glücklich ist, ist alles andere nur eine Flucht.

 

Ist die Schauspielerei für Sie eine Flucht?

In gewisser Weise schon. So wie es für Kinder eine Flucht ist, wenn sie spielen. Die Schlüsselfrage beim Eskapismus ist, wovor man flüchtet. Wenn du das Bedürfnis hast, vor etwas zu fliehen, dann ist das ein Problem. Eskapismus kann ein großer Spaß sein, wenn man sich in eine interessante Fantasiewelt stürzt. Aber der Hintergrund darf nicht sein, dass man sich selbst nicht mag. In die Haut einer anderen Person zu schlüpfen macht mir Freude und es ist interessant. Aber man darf nicht enttäuscht sein, wenn man zu seinem wahren Ich zurückkehrt. Dieser Film war eine ganz erstaunliche Erfahrung. Es gab eine parallele Reise an Hectors Seite, nämlich unsere eigene Reise. Wir begaben uns von Vancouver nach London, nach Afrika und China, nach Tibet und nach Deutschland. Das war nicht nur für den Filmhelden, sondern auch für uns eine außergewöhnliche Erfahrung. Auch das bescherte mir viele glückliche Momente.

 

Gab es Erlebnisse, die Ihnen besonders in Erinnerungen bleiben werden?

Jeder Drehort hatte seine ganz eigene Persönlichkeit. Wir hatten eine kleine Stamm-Crew, die überall dabei war. Darüber hinaus wurde in jedem Land eine örtliche Mannschaft angeheuert. Jedes Mal bekam die Familie neue Mitglieder und das war wirklich interessant. Afrika erfüllte all meine Erwartungen, ging aber auch weit über sie hinaus. Südafrika ist ein sehr interessanter Platz, auch wenn die Strukturen der Apartheit immer noch spürbar sind, nicht auf politischer Ebene, aber sozial. Der Dreh mit den Löwen war ziemlich furchteinflößend. Ich befand mich in einem speziellen Käfig, dessen Tor geöffnet wurde, wenn wir aus dem Käfig heraus filmten. Wenn ein Löwe näher als drei Meter an mich heran kam, wurde das Tor geschlossen. Der Rest der Crew befand sich hinter einem Zaun, eingepfercht in einen Minibus. Nur für den Fall, dass ich gefressen werde. Nach China zu kommen, war fast eine Bildungsreise. Wir haben Gassen von Shanghai gesehen, die man als Tourist wahrscheinlich nicht aufsucht. Dort waren auffällig viele Menschen mit hübschen, kleinen Eimern unterwegs. Ich fragte, was sich denn darin befindet. Es waren ihre, nun ja, menschlichen Abfallprodukte. Es gibt kein Abwassersystem dort. Deshalb nimmt man seine Hinterlassenschaften mit und schüttet sie in ein Loch. Jedes einzelne Territorium konnte mit seinen eigenen Geschichten aufwarten. Es gab eine Menge zu lernen. In dieser Hinsicht war es wohl der erfüllendste Dreh meines Lebens.

 

In den USA scheint jeder zum Psychiater zu gehen. Was stimmt nicht mit dieser Gesellschaft?

Ich glaube, das trifft nur für New York und Los Angeles zu. Wie Hector sagt, sind wohlhabende Areale Brutstätten für Psychiater. Reichtum generiert Unzufriedenheit. Diese Menschen haben genug Geld, genug zu Essen und genug Unterhaltung, aber sie sind nicht glücklich. Er herrscht eine Stimmung der Frustration vor. Wenn man von der Hand in den Mund lebt und jeden Tag um das Überleben kämpfen muss, hat man gar keine Zeit, um seine Beziehung zu den eigenen Emotionen zu hinterfragen. Diese Fragen kommen nur auf, wenn man keine anderen Sorgen hat. Und dann sollen die Gehirnklempner herausfinden, warum. Dabei sind die Menschen nur gelangweilt. Ich bezweifle, dass es in den ländlichen Gebieten der USA eine große Psychiater-Industrie gibt.

 

Glauben Sie, dass die britische Bevölkerung ohne die EU glücklicher wäre?

Manchmal haben wir die Mentalität von Inselbewohnern. Als Landmasse sind wir ja tatsächlich vom Rest Europas getrennt. Ich glaube, dass manche Menschen in dieser Hinsicht eine sehr festgefahrene Einstellung haben. Ich persönlich habe das Gefühl, dass Kooperation immer besser ist als Abgrenzung. Als Teil einer großen Familie fühle ich mich sehr wohl. Wir müssen uns von der Idee der Grenzen und Zäune trennen und uns als Bewohner eines Planeten wahrnehmen. Ich empfinde es als einen herben Rückschritt, den Gedanken einer Zusammenarbeit zurückzuweisen.

 

Freundschaften sind für das persönliche Glück sehr wichtig. Sie sind eng mit dem Schauspieler Nick Frost befreundet. Wie schwierig ist es, diese Beziehung zu pflegen, wenn die Karrieren immer weiter voranschreiten?

Man muss sich die Zeit nehmen, um Freundschaften zu pflegen. Nick und ich telefonieren regelmäßig und oft treffen wir uns auch bei der Arbeit. Es wird schwerer, einander zu sehen, das ist einer der Gründe, warum wir Filme zusammen machen. Man muss solchen Dingen Lebenszeit einräumen. Wenn man immer nur arbeitet, wird man nicht glücklich werden, denn dann hat man nichts anderes. Wenn dich die Arbeit allein glücklich macht, na gut. Ich reagiere immer misstrauisch, wenn jemand so etwas behauptet. Es hört sich für mich immer so an, als läuft dieser jemand vor etwas davon. Ja, Freunde sind sehr wichtig.

 

Die Fragen stellte André Wesche.

Fliesenstudio Arnold