Mitmischen in der deutschen Luft- und Raumfahrtpolitik

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Im Büro von Prof. Dr. Christiane Schmullius an der Friedrich-Schiller-Universität Jena sieht es aus wie in vielen Wissenschaftlerbüros: Überall liegen Akten, Bücher und Abschlussarbeiten von Studierenden. Doch seit einigen Wochen kommen noch weitere große Papierstapel regelmäßig hinzu. Denn seit Kurzem ist die Jenaer Geographin neue Vorsitzende des Senatsausschusses des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Mir war zunächst die Dimension des Ganzen nicht bewusst“, gibt die Fernerkundungs-Expertin zu. Und das meint sie nicht nur mit Blick auf die Akten auf ihrem Schreibtisch: „Der DLR-Senat ist ein unglaublich interessantes Gremium und eröffnet mir unerwartete Kontakte“, freut sich Prof. Schmullius auf ihre neue Aufgabe.

Während ihrer dreijährigen Amtszeit ist die Inhaberin des Lehrstuhls für Fernerkundung ganz nah dran an der deutschen Forschungs- und Raumfahrtpolitik. Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Luftfahrtindustrie, die Zukunft der deutschen Vorzeigemission mit den beiden Zwillingssatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X, ein effizientes Verkehrsmanagement bei Großveranstaltungen – solche und ähnliche Themen gehören zum Spektrum des DLR als nationale Raumfahrtagentur und Forschungseinrichtung für Luft- und Raumfahrt sowie Verkehr und Energie. Im Senat laufen schließlich alle Fäden zusammen: Die Mitglieder aus den Bereichen Politik, Industrie und Wissenschaft entscheiden basierend auf den Richtlinien des Vorstandes über die strategische Ausrichtung des DLR und damit auch über die deutsche Luft- und Raumfahrtpolitik. Die Hauptarbeit, nämlich die inhaltliche Vorbereitung der Plenumssitzungen, übernimmt der Senatsausschuss – ähnlich wie im Bundestag und seinen zahlreichen Ausschüssen. „In den Vorbereitungstreffen mit dem Bundeswirtschaftsministerium führen wir spannende Diskussionen über Wissenschaft und den Industriestandort Deutschland im europäischen und globalen Kontext“, erzählt Prof. Schmullius, die neue Ausschussvorsitzende. „Auf diese Weise bekomme ich wichtige Einblicke auf eine völlig andere Entscheidungsebene über den Tellerrand meiner wissenschaftlichen Arbeit hinaus.“ Ein konkretes Beispiel sei die Verteilung der Fördermittel der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA) an ihre Mitgliedsstaaten. Der DLR-Senat ist in diesen Prozess eingebunden, denn die Forschungseinrichtung gehört zu den großen deutschen Empfängern. „Und das betrifft wiederum unmittelbar die universitäre Forschung, da das DLR wichtiger Drittmittelgeber und Projektpartner ist“, erklärt die Jenaer Wissenschaftlerin.
Als Geographin und Umweltwissenschaftlerin ist Prof. Schmullius im von Männern dominierten DLR-Senat regelrecht eine Exotin. Vertreter aus Wirtschaft und Industrie, Behörden und staatlichen Einrichtungen sowie Forscher vor allem aus technischen und ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen gehören zu den 40 Mitgliedern, von denen vier weiblich sind. „Mit meiner neuen Position als Ausschussvorsitzende habe ich nun die großartige Möglichkeit, eine ganz andere Sichtweise in die häufig auf Wirtschaftsinteressen fokussierten Gespräche einzubringen“, so die Jenaer Professorin, die bereits seit 2010 Mitglied im DLR-Senat ist. Der gebürtigen Hessin liegt aber nicht nur ihre Wissenschaft am Herzen, sondern auch ihre Wahlheimat. „In diesem einflussreichen Kreis aus Ministerialbeamten, Industrievertretern und Wissenschaftlern fühle ich mich auch als Botschafterin Jenas und Thüringens“, sagt sie und wendet sich lächelnd wieder den neuen Papierstapeln zu, um die nächste Senatssitzung vorzubereiten.

H&H Makler