S III Todesmärsche – Nie wieder! Niemals vergessen!

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Die Schirmherren des Sternmarsches rufen alle Interessierten zur Teilnahme an einem Aufzug unter freiem Himmel und der Hauptgedenkveranstaltung am Jonastal Denkmal am 4. April 2015 11:00Uhr auf. Die Veranstaltung steht dieses Jahr im Zeichen der Erinnerung an die Todesmärsche der Häftlinge im Außenkommando S III des Konzentrationslagers Buchenwald vor 70 Jahren. Eine Stunde vor Beginn setzen sich aus drei Richtungen Marschgruppen in Richtung Denkmal in Bewegung. Zuvor werden Busse in den Dörfern und Städten der Umgebung an Treffpunkten Teilnehmer abholen und zu den Starpunkten des Marsches fahren. Die Treffpunkte, Abfahrt- und Rückfahrtzeiten werden rechtzeitig bekannt gegeben.

Als Todesmärsche gingen Evakuierungen von Häftlingen aus den Außenkommandos sowie aus den Konzentrationslagern in Thüringen zum Ende des Zweiten Weltkrieges in die Landesgeschichte ein, bei denen der Tod der Häftlinge billigend in Kauf genommen wurde. Geringe Überlebenschancen der Häftlinge basierten auf Gewalt, Gleichgültigkeit, Fanatismus, Rassismus sowie Antisemitismus der Aufseher und Verantwortlichen, körperlicher Überanstrengung, mangelnder Versorgung und Erholungsphasen. Das Stammlager Buchenwald war zudem nur eine Etappe auf dem langen Weg eines scheinbar unendlich wirkenden Martyriums.

Thüringen wurde ursprünglich von der politischen und militärischen Führung des Dritten Reiches dazu auserkoren, als Rückzugsgebiet sowie Schutz- und Trutzgau das „Tausendjährige Reich“ der Nazis zu retten. Dazu wurden in Thüringen nicht nur kriegswichtige Untertageverlagerungen begonnen sondern auch der Ausbau einer neuen Unterkunft für ein Führerhauptquartier Ende 1944 befohlen. Dieses Sonderbauvorhaben sowie die damit in Verbindung stehenden Häftlingslager trugen die geheime Abkürzung S III. Die Teillager für das Außenkommando S III des Konzentrationslagers Buchenwald befanden sich in Ohrdruf, Crawinkel und Espenfeld. Der amerikanischen Aufklärung waren die Häftlingstransporte, die Arbeiten und Verlagerungen rund um Ohrdruf nicht verborgen geblieben und so wurde die Stadt zum Hauptziel des blitzartigen Truppenvorstoßes. Ohrdruf wurde am Abend des 4. April 1945 erreicht. Während der Rest des Deutschen Reiches in einem Meer aus Trümmern, Blut und Tränen versank, versuchte die Verantwortlichen für die Gräueltaten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie die SS auf Weisung des Reichsführers-SS Heinrich Himmler die Häftlinge zu verlagern und Spuren ihrer Taten zu beseitigen. Am 3. April 1945 begannen die Todesmärsche der Häftlinge aus S III beginnend mit der Evakuierung des Nordlagers Ohrdruf mit dem Ziel Buchenwald.

Am 7. April 1945 wurde mit der Evakuierung des Stammlagers in Buchenwald begonnen und viele der S III Häftlinge, die teilweise mit letzter Kraft das Lagergelände erreichten, wurden erneut zu Fuß oder in Viehwaggons in Marsch gesetzt in Richtung der südlicheren Konzentrationslager Dachau, Flossenbürg und Theresienstadt.

Tausende der S III Häftlinge erlebten diese zusätzliche Strapazen und Entbehrungen, das Kriegsende und die Befreiung nicht und wurden auf der Flucht durch ihre Peiniger ermordet oder starben an Entkräftung und Unterernährung.

70 Jahre ist es nun her, dass diese dramatischen und unmenschlichen Ereignisse die Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkrieges in Thüringen prägten. Zeitzeugen gibt es leider nur noch sehr wenige, die von ihren persönlichen Erlebnissen und Schicksalen berichten können. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, dass Aktionen wie der geplante Sternmarsch die Erinnerungen und die Mahnungen wach halten, dass sich so etwas auf deutschem Boden und in Europa nie wieder widerholt. Des Weiteren muss die Forschung und Aufarbeitung der Ereignisse weitergeführt werden, um Spekulationen und fantastischen Geschichten keinen Platz mehr zu geben. Das gleichnamige Konzentrationslager S III, das kurzzeitig eigenständig war, ist heute weitestgehend vergessen und die dort stattgefundenen Kriegsendphasenverbrechen der Nationalsozialisten nicht aufgeklärt. Verantwortliche wurden nicht oder nur im geringen Maße zur Rechenschaft gezogen. S III bildet daher eine Lücke bei der Aufklärung des NS-Lagersystems im Dritten Reich.

Beschäftigt man sich mit dem Jonastal und dem geheimen Bauvorhaben gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, so wird leider immer noch bis heute ein Mythos genährt, der vor allem der Unterhaltung und nicht der Geschichtsaufarbeitung dient. Dem Leiden und der Ermordung Tausender Zwangsarbeiter wird bislang zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und der geplante Bau einer gedeckten Führungsstelle im Bergesinneren für die politische und militärische Führung des Dritten Reiches zum Mysterium des technologischen Fortschritts und für Wunderwaffen verklärt. Die militärischen Vorgänge auf dem Truppenübungsplatz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges werden ignoriert und fantastische Geschichten in die ehemaligen Stollen des Jonastals kolportiert. So kommt es, dass das Jonastal heute weit über die Grenzen von Thüringen hinaus bekannt geworden ist und bei Einheimischen sowie Touristen direkt mit Schatzsuche in Verbindung gebracht wird. Dies mag einer der Gründe sein, warum Besucher oft enttäuscht sind, wenn sie auf dem gut dokumentierten Geschichts- und Naturlehrpfad der GTGJ im Jonastal auf Entdeckungsreise gehen.

Seit Jahrzehnten fehlt vor Ort ein Dokumentationszentrum direkt vor den Stollen mit Stollenanschluss, welches Interessierten Einblicke in die Entstehung, die Geschichte und den Tatort Jonastal geben. Der 70. Jahrestag des Todesmarsches soll daher auch ein geeigneter Anlass dafür sein, um über die Bedeutung des Jonastals für die Geschichte Thüringens und die Ländergrenzen hinaus nachzudenken und dieser zukünftig in angemessener Art und Weise Rechnung direkt vor Ort zu tragen.

Wir haben die Vergangenheit hinter uns gelassen – vergessen dürfen wir sie aber nicht.

Klaus-Peter Schambach