Schweres Duell im Rheinland

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Es war das vorab erwartet schwere Duell im Rheinland. Am Ende strahlten jedoch wieder einmal die Basketballer von Science City Jena. Am Samstagabend waren sie lang einem Rückstand hinterhergerannt, konnten die Begegnung beim deutschen Rekordmeister in Leverkusen in den Schlusssekunden dennoch hauchdünn mit 79:77 gewinnen.

Das Team von Trainer Björn Harmsen feierte bei denen sich stark präsentierenden BAYER Giants seinen vierten Sieg in Folge, erkämpfte sich nur wenige Meter von der BayArena in der Chicharito, Stefan Kießling und Christoph Kramer am Nachmittag Hannover 96 bezwungen hatten, einen glücklichen, jedoch keinesfalls unverdienten Erfolg. Somit verlängern die Ostthüringer den Ausflug an die Tabellenspitze der 2.Basketball-Bundesliga um einen weiteren Spieltag, untermauerten mit einem „Hitchcock in vier Akten“ eindrucksvoll ihre Ambitionen in der „Mission Meisterschaft“.

Für Stimmung in der mit knapp 1500 Zuschauern gefüllten Smidt-Arena sorgten neben Jenas Auswärtsfahrern gut 400 Leverkusener Fußball-Fans. „Wir sind mit großem Respekt nach Leverkusen gefahren nachdem sie uns ja schon in der Hinrunde genügend Kopfzerbrechen bereitet hatten. Achims Team verfügt über eine gut besetzte Mannschaft, die auch gegen große Kontrahenten der Liga ihre bisher besten Leistungen abrufen konnte“, sagte Björn Harmsen nach dem Spiel. „Das Ergebnis der letzten Woche gegen Gotha (63:66) hat bereits angedeutet, was die Giants zu leisten im Stande sind. Am Anfang haben die Leverkusener viele schwierige Würfe getroffen, konnten sich so das notwendige Selbstvertrauen erspielen. Bei uns sind zahlreiche Würfe hingegen nicht gefallen, sind selbst die bereits sicheren Körbe wieder herausgekommen. So überwiegt die Zufriedenheit und der Stolz über die Leistung meiner Jungs, die nicht aufgehört haben zu kämpfen und sich kurz vor Schluss noch belohnen konnten. Wichtig war, dass sie sich auch in der kritischen Schlussphase gegenseitig vertraut haben, unser Passspiel trotz der Zwischenstände funktioniert hat und die Jungs in den entscheidenden Momenten die richtigen Entscheidungen getroffen haben“, so Harmsen.

In einer von Beginn an umkämpften Partie lieferte der Underdog vom Rhein eine starke Vorstellung ab, in der rein gar nichts auf die Tabellenkonstellation Vorletzter gegen Spitzenreiter hindeutete. Ohne den Druck gewinnen zu müssen, dafür mit mindestens einer Portion Extra-Motivation gegen den Tabellenführer aus Ostthüringen, fanden die Leverkusener früh ihren Rhythmus, trafen ihre Würfe hochprozentig, um nach dem ersten Spielabschnitt mit einem 22:17-Vorsprung in die Viertelpause zu gehen. Die zwischenzeitliche Jenaer 11:10-Führung durch einen Korbleger von Oliver Clay (5.) konterte der an diesem Abend groß aufspielende Roderick Comphor, der in der Endabrechnung auf 26 Punkte kam. Im zweiten Abschnitt blieben die Hausherren ihrer hochprozentigen Trefferquote treu, erhöhten zwischenzeitlich auf einen aus Jenaer Sicht gefährlichen 29:19-Vorsprung (13.) bevor Wayne Bernard praktisch im Gegenzug mit einem Distanzwurf auf 29:22 verkürzen konnte. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt deutete sich ein dramatisches Kopf-an-Kopf-Rennen an, dessen Spielausgang sich erst im Schlussviertel entscheiden sollte. In den Minuten bis zum Kabinengang musste Science City Jena all seine zu Verfügung stehenden Qualität aufbieten um sich wieder an das Team von Ex-Auswahltrainer Achim Kuczmann heranzuarbeiten. Julius Wolf verkürzte in der 16.Minute nach einem Offensiv-Rebound per Korbleger auf 29:27, bevor Ermen Reyes-Napoles mit seinem Distanzwurf zum 33:31-Anschluss den letzten Jenaer Korb der ersten Hälfte erzielen konnte. Mit Ablauf des finalen Angriffs der ersten Halbzeit war es dann erneut Leverkusens Comphor welcher den 35:31-Halbzeitvorsprung der Hausherren konservierte.

Auch nach der Rückkehr auf das Parkett entwickelte sich für beide Kontrahenten ein Ritt auf der Rasierklinge. Vier schnelle Punkte nach zwei Steals durch den erneut durchweg überzeugenden Marcos Knight sortierten das Spiel beim 35:35-Ausgleich zunächst neu, bevor die Riesen vom Rhein zum Gegenschlag ansetzten. Bis auf 48:40 (24.) enteilte Leverkusen, zwang Science City Jena zu einer taktischen Auszeit, die allerdings nur kurzzeitig Früchte trug. Zwar erzielte Jenas Flügelspieler Julius Wolf in den folgenden Minuten zwei enorm wichtige Distanzwürfe um den Anschluss zu wahren, die Leverkusener fanden bis zum 58:47 (27.) jedoch stets die richtigen Antworten auf Jenas Aufholjagd. So gelang es den Saalestädtern bis zur 30.Minute ihren Rückstand auf 63:58 zu verkürzen, der Vorsprung saß unterdessen jedoch noch immer auf der Bank der Giants. So musste das große Finale im letzten Viertel über Sieg und Niederlage entscheiden. Dem Harmsen-Team, zu Beginn des Schlussabschnitts kontinuierlich verkürzend, war es gelungen, die Gastgeber zum Nachdenken zu bringen. Während Science City aufgrund der zunehmenden Intensität in der Verteidigung wichtige Ballverluste erzwang, die Chancen am offensiven Ende des Parketts vergolden konnte, erlahmte die Leverkusener Angriffsmaschine von Minute zu Minute. Leverkusens Leistungsträger Roderick Comphor und James Hulbin sorgten dafür, dass sie nicht komplett zu Stillstand kam.

Nach einem verwandelten Freiwurf von Hulbin zum 70:62 (34.) schien der bis dato komfortable Vorsprung der Giants groß genug, um die Überraschung über die Zeit retten zu können. In der Folge bewies Science City allerdings die Art von Moral und Rückgrat, die im Playoff-Kampf möglicherweise entscheidend werden könnte. Kollektiv stemmten sich die Thüringer gegen die drohende Niederlage. Zunächst verwandelte Oliver Clay beide Freiwürfe (70:64), bevor Jenas Center, kurz unterbrochen durch einen Korbleger von Drew Brandon aus der Nahdistanz auf 72:66 (35.) nachlegte. Nachdem Immanuel McElroy mit einem getroffenen Freiwurf weiterhin an der Aufholjagd bastelte, sorgte Marcos Knight mit seinem ersten und bisher wichtigsten Dreier in dieser Saison zum 72:70-Anschluss (36.). In der Crunchtime versuchten die Hausherren ihren 75:71-Vorsprung (38.) über die Ziellinie zu retten, kassierten mit zwei Jenaer Dreiern durch Wayne Bernard (75:74) und Ermen Reyes-Napoles (75:77) jedoch die für Science City überlebenswichtigen Körbe, die das Duell kurz vor Ultimo kippten. Der Distanzwurf von Reyes-Napoles 67 Sekunden vor der Schlusssirene brachte die Ostthüringer seit dem 11:10-Vorsprung in der 5.Minute erstmalig wieder in Front. Doch noch war der Thriller am Rhein nicht entschieden. So glich Comphor 49 Sekunden vor dem Ende noch einmal auf 77:77 aus. Was sich dann im letzten Jenaer Angriff abspielte, wäre mit dem Adjektiv „turbulent“ stark untertrieben.

Mit 34 Sekunden Restspielzeit versuchte sich Wayne Bernard an einer erneuten Jenaer Führung, scheiterte allerdings am Ring, bevor der Offensiv-Rebound glücklicherweise in Jenaer Händen landete. Der nächste Akteur des Zweitliga-Spitzenreiters meldete sich mit der Nummer 31. Doch auch Guido Grünheids Dreier mit Ablauf der Schussuhr verfehlte sein Ziel. Mit der richtigen Nase für den nächsten Rebound wartete Wayne Bernard am offensiven Brett, fing den Abpraller und legte ihn 18,9 Sekunden vor dem Ende zur Jenaer 79:77-Führung in die Reuse der geschockten Giants. Umgehend beorderte Achim Kuczmann sein Team zur Auszeit, in der die Strategie für den finalen Schuss festgelegt wurde. Am Ende landete der Ball in den Händen von Leverkusens Scharfschützen Wayne Kreklow, der sich aus der Distanz versuchte, scheiterte und die Rheinländer mit hängenden Köpfen vom Parkett gehen lies.