Über die Unordnung und ihre mathematische Beschreibung

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Das Arbeitszimmer mit Blick auf den Ernst-Abbe-Platz ist erst spärlich möbliert, die Regale bieten noch viel Platz und der Schreibtisch wirkt sehr übersichtlich. Von Unordnung ist hier im neuen Büro von Prof. Dr. David Hasler an der Friedrich-Schiller-Universität Jena keine Spur. Dennoch ist die Unordnung für den zu Semesterbeginn neu ernannten Inhaber des Lehrstuhls für Mathematische Physik ein großes Thema – wenn auch rein wissenschaftlich. „Um die Welt mit ihren physikalischen Phänomenen zu erklären, muss man mit Unordnung umgehen“, erklärt der 39-Jährige, der vor wenigen Wochen vom College of William und Mary in Williamsburg im US-Bundesstaat Virginia an die Friedrich-Schiller-Universität wechselte.

David Hasler versucht, die in der Natur allgegenwärtige „Unordnung“ mit mathematischen Mitteln zu beschreiben und so grundlegend fassbar zu machen. Anhand mathematischer Modelle analysiert er physikalische Phänomene und Theorien. „Was für die Physiker das Experiment, ist für uns Mathematiker der Beweis“, erläutert Hasler. Und in vielen Fällen stelle die Mathematik zusätzliche Mittel zur Verfügung. „Es gibt Phänomene, die lassen sich mathematisch so beschreiben, dass sie in ihrer Richtigkeit in mathematischer Strenge bewiesen werden können.“

Aktuell befasst sich der Schweizer, der auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt, beispielsweise mit der mathematischen Beschreibung von ungeordneten Systemen sowie der Quantenfeldtheorie. Letztere umfasst Modelle, welche Phänomene von Materie in Wechselwirkung mit Lichtquanten beschreiben, wie die Emission und Absorption von Licht an Atomen oder Festkörpern. Andererseits sind Festkörper, wie sie in der Natur vorkommen, fast nie ideal angeordnet, sondern durch Gitterdefekte oder Verunreinigungen immer einer gewissen Unordnung unterworfen. „Das kann in der Realität zu Störeffekten führen“, erklärt Hasler. „Je nachdem, wie ausgeprägt diese Unordnung ausfällt, kann ein Stoff als elektrischer Leiter funktionieren oder zu einem Isolator werden.“

Während in vielen Modellen die Annahme idealer Voraussetzungen zu einer gültigen Theorie verhilft, ist es gerade das zufällige Ausmaß an Unordnung, das den Mathematiker Hasler interessiert. „Mit mathematischen Methoden lassen sich gewisse Phänomene so präzise fassen, dass man zu neuen Erkenntnissen kommt“, sagt er und erklärt damit auch, was ihn persönlich an der Schnittstelle zwischen Physik und Mathematik fasziniert.

David Hasler hat in Zürich an der ETH studiert und wurde dort 2002 promoviert. In seiner Dissertation hat er sich mit analytischen Aspekten innerhalb der sogenannten Stringtheorie befasst. Mit dem Doktor in der Tasche ging David Hasler zunächst ein Jahr nach Kopenhagen und anschließend für zwei Jahre als Postdoc an die University of British Columbia in Vancouver (Kanada). Es folgten drei Jahre an der University of Virginia (USA) und vier Jahre als Assistant Professor am College of William und Mary in Virginia und seit 2010 ein Forschungsaufenthalt an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Neben Quantenfeldtheorie und zufälligen Schrödingeroperatoren gehören auch die Analysis und Spektraltheorie mit zu seinen Schwerpunkten.

Obwohl Jena für den Mathematiker bisher unbekanntes Terrain ist – die Universität ist es nicht. „Es gibt hier eine starke etablierte Forschung im Bereich Analysis“, so David Hasler. Die Forschung einiger seiner Institutskollegen kenne und schätze er seit vielen Jahren. Doch auch in die Physik hat der Neu-Jenaer bereits Kontakte geknüpft: zu den Experten für Quantenfeldtheorie im Theoretisch-Physikalischen Institut.

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