Vor 25 Jahren: Der Weg zur 1200 Jahrfeier der Gemeinde Wechmar

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Kein Artikel über Wechmar war früher in den Zeitungen „Das Volk“ oder in der „Thüringer Landeszeitung“ zu finden. Meist waren es nur Sportberichte, die dankenswerter Weise Uwe Peters im Blatt veröffentlichen konnte. Besonders die Geschichte des Dorfes, die einst von Kurt Ludloff akribisch aufgeschrieben worden ist, interessierte aber die Leute. Doch Veröffentlichungen gab es nicht, kein Buch war erhältlich und so wusste im Jahre 1981 auch niemand im Dorfe so richtig, warum es ein Bachhaus gibt oder wie alt Wechmar wirklich ist.

Seit 1978 war es Ingeborg Stier, die mit ihrer Kindertanzgruppe den Wechmarern Lieder und Tänze ihrer Ahnen vorführte und erst 1981, vor genau dreißig Jahren gab besagter Lehrer und Volkskorrespondent Uwe Peters seiner neunten Klasse im Geschichtsunterricht den Anstoß, doch die Geschichte Wechmars zu erforschen.

Die Suche nach Zahlen, Daten und Fakten begann. Gespräche mit älteren Leuten waren der erste Weg, es folgten die handschriftlichen Abschriften der Seminarfacharbeit von Marlis Peters, der „Kirchturmknopfchronik“ verwaltet von Heinz Hildebrandt oder der „Geschichte der gothaischen Städte und Marktflecken“ von Dr. August Beck aus dem Besitz von Gerhard Schneider. Cornelia Hopf gab den Schülern wichtige Hinweise zu Akten in der Forschungsbibliothek Gotha und Werner Herold, der einen sagenhaften Wissensschatz sein eigen nennen konnte, bot die Möglichkeit, die in der DDR verbotene „Chronik über Wechmar aus 12. Jahrhunderten“ von Willi Hesse zu lesen.

Das Jahr 1982 bringt neue Forschungen im Staatsarchiv Gotha und im Hauptstaatsarchiv Weimar. Die Fakten verdichten sich immer mehr, dass eine Urkunde gefunden werden kann, aus der die erste Erwähnung des Dorfes hervorgeht. Am 4. Februar geht ein Brief an alle Zeitungen mit der Bitte, man möge doch endlich einmal einen Artikel über Wechmar veröffentlichen.

In der Zeitung „Das Volk“ macht man sich daraufhin lustig über einen Schüler aus Wechmar, der sich für alles interessieren täte und es unbedingt in der Zeitung lesen wolle, was natürlich nicht möglich ist, da man nicht über die Geschichte, sondern über die Erfolge am Arbeitsplatz berichten will.

Im März wird in der Forschungsbibliothek Gotha der entscheidende Hinweis entdeckt, dass im Breviarium Lulli, einer Urkunde aus dem Kloster Hersfeld, die „villa wehemare“, das ist der alte Name Wechmars, Erwähnung findet. Die Urkunde wurde von Erzbischof Lullus gezeichnet, der im Jahre 786 in Bad Hersfeld verstorben ist. Mit dieser Erkenntnis wird Bürgermeister Günther Gäbler überzeugt und im Dorfklub Wechmar unter Federführung von Edgar Krämer sind sich alle einig, dass im Jahre 1986 die Festwoche „1200 Jahr Wechmar“ gefeiert werden muss.

Doch wer bereitet ein solches großes Fest vor? Das war die Frage! Sicher können es nicht die Kinder um Ingeborg Stier sein, die zum Dorffest im Sommer neue rot- und blaukarierte Röcke erhalten haben. Es muss eine Gruppe gebildet werden, die die Geschichte erforscht und die Veranstaltungen mit vorbereitet. Im Einwohnerforum, das war die Bürgerversammlung des sozialistischen Dorfes zur Erläuterung, hielt ein Jugendlicher am 19. Oktober 1982 im Flachbau der Schule (heute Schützenhaus) erstmals ein Referat aus der Geschichte Wechmars, dass so erfolgreich war, dass es im November im vollbesetzten Kinosaal wiederholt werden musste. „60 Jahre Lichtspiele Wechmar“ war der erste Heimatabend, dem in den kommenden Jahren viele Veranstaltungen zur Heimatgeschichte folgten.

Am 2.November 1982 war es endlich soweit und es fanden sich 16 Bürger, darunter Hannelore Körbs, Marlis Peters, Wolfgang Herz, Werner Herold, Schuster Arthur Prauße und Knut Kreuch zusammen und gründeten eine Ortsgruppe Heimatgeschichte zur Vorbereitung des Bachfestes 1985 und der 1200 Jahrfeier 1986. Die Geburtsstunde des Wechmarer Heimatvereins war gekommen.

Das Jahr 1982 geht mit einer Sensation zu Ende, denn in der Zeitung „Neues Deutschland“, dem Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, der größten Zeitung der DDR, erschien am 9. November ein Artikel, über den Beginn der heimatgeschichtlichen Forschungsarbeit in Wechmar. Dort, wo sonst nur die Erfolgsmeldungen der Partei der Arbeiterklasse und der werktätigen Genossenschaftsbauern Platz fanden, erobert sich Wechmar die erste offizielle Erwähnung. Im Jahre 1985 folgt ein zweiter Artikel über das Bachfest. In fünfundvierzig Jahren DDR-Zeitungsgeschichte hat es der kleine Bach-Stammort somit auf zwei Artikel in dieser Zeitung gebracht.

Es vergehen noch fast zwei Jahre mit dem Kampf um ein Bachmuseum im Bach-Stammhaus, um die Erhaltung des Rittersaales und mit dem Beschluss eine Heimatstube in der alten Mälzerei zu errichten, bis sich am 13. Juni 1984 das Festkomitee „1200 Jahre Wechmar“ unter Leitung von Bürgermeister Günther Gäbler zusammen findet. Neben dem Bürgermeister sind die Ratsmitglieder Günter Helbig, Oswald Stichling, Volker Gießen und Gudrun Stichling mit Aufgaben betraut.

Ratsmitglied Horst Ehrhardt, der verdienstvolle Bürgermeister Wechmars von 1990 bis 1997, übernimmt die schwierigste Aufgabe der Festvorbereitungen, denn er leitet die Kommission „Handel und Versorgung“. Was er und seine Mannschaft leisteten ist nur begreiflich, wenn man weiß, was die Wechmarer und ihre Gäste in der Festwoche essen und trinken durften. Wir erinnern uns gut, dass vom 23. bis. 29. Juni 1986 ca. 12.000 Besucher aus Ost und West im Dorf weilten, sie verspeisten 8.500 Bratwürste, 3.600 Schaschliks, 4.500 Broiler, 10.000 Fischbrötchen, 2 Wildschweine, 2 Spanferkel, 1 Hammel, 90 kg Spitzbein, 200 kg Wurstwaren, 40 kg Schweinerippen, 440 Liter Gulasch- und Erbsensuppe. Getrunken haben die Festbesucher 7.000 Liter Fassbier, allein 1.200 Liter zum Marktfest und 1.200 Liter Fassbrause. Dass begehrteste Getränk der Festtage hieß „Grüne Wiese“, ein blauer Likör in Orangensaft getaucht.

Die Choreografie für den Festumzug lag 1986 in Händen des Mannes, der sich auch fünfundzwanzig Jahre später bereit erklärt hat, wieder diese tolle Aufgabe mit mehr als dreißig historischen Bildern zu übernehmen. Ein herzlicher Dank schon heute an Klaus Krien.

Aufgeschrieben von Knut Kreuch