Wie groß ist eigentlich eine Eizelle?

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Jena/Milda (ukj/as). Wie groß ist eigentlich eine Eizelle? Die Siebtklässlerin hält Daumen und Zeigefinger hoch, dazwischen lässt sie mehrere Millimeter Luft. Dass eine menschliche Eizelle gerade einmal 0,1 Millimeter im Durchmesser misst und mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen ist, erstaunt die Schülerin.

Während sie mit ihren Mitschülerinnen im Hörsaal der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Jena viel über den Beginn des Lebens erfährt, widmet sich Jens Eschke, Pfleger aus der Klinik für Urologie, im Nachbargebäude den Fragen der Jungen.

Einen Tag lang besuchen die 55 Siebtklässler der Gesamtschule Milda das Universitätsklinikum Jena (UKJ). „Als außerschulischer Lernort können wir viel anbieten – gerade für die Klassenstufen sieben bis neun“, sagt Kerstin Pechmann, Pflegedienstleiterin an der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Bereits in der Vergangenheit haben Mitarbeiter der Klinik unter anderem Vorträge an der Schule gehalten, Mädchen und Jungen zum Bewerbungstraining eingeladen oder den Schülern mit den Utensilien des „Alterskoffers“ anschaulich gemacht, mit welchen Einschränkungen ältere Menschen im Alltag zu kämpfen haben. „Diese Einzelaktivitäten haben wir jetzt gebündelt und einen Kooperationsvertrag mit der Schule abgeschlossen“, so Pechmann. Dies könne gern auch auf andere Schulen aus Jena und Umgebung ausgeweitet werden. „Wir haben Probleme, jungen Menschen unsere Pflegeberufe näher zu bringen – dabei ist das der Markt der Zukunft“, so Pflegedirektorin Arne-Veronika Boock über das Engagement. In der Industrie seien Kooperationen dieser Art bereits häufig, im sozialen Sektor bisher aber kaum verbreitet.

„Hier vor Ort haben die Schüler die Möglichkeit, offene Fragen direkt an die Experten zu richten“, so Klassenlehrerin Dorit Kallis. „Die Fragen, die wir Lehrer nicht mehr beantworten können.“ In den Wochen zuvor haben sich ihre Schüler im Rahmen des fächerübergreifenden Projekts „Menschenskinder“ mit vielen Facetten der Fortpflanzung beschäftigt. Neben den Klassenlehrerinnen werden die Schüler daher auch von ihren Fachlehrern für Biologie und Ethik begleitet. Damit sich die Jungen und Mädchen wirklich trauen, ihre Fragen zu stellen, ist das Programm nach Geschlechtern getrennt.

Nacheinander gibt die Biologin Dr. Ines Hoppe den Gruppen einen Einblick in ihr Arbeitsgebiet: die Reproduktionsmedizin. Sie zeigt Filmaufnahmen von einer Eizelle, die sich gerade teilt, und hat Arbeitsutensilien zum Anfassen mitgebracht: einen Transferkatheter, mit dem Embryonen in die Gebärmutter zurückgegeben werden, und spezielle Schalen, in denen entnommene Einzellen kultiviert werden. Auch mit Zahlen kann sie die Schüler beeindrucken: Bei der Geburt besitzt ein Mädchen etwa eine Million Einzellen, wenn es 18 Jahre alt ist, sind es nur noch zwischen 200.000 und 300.000. Da die Zahl der Eizellen mit steigendem Alter stetig abnimmt, die Frauen in Deutschland heutzutage aber bei der Geburt ihres ersten Kindes immer älter werden, erklärt, warum das Kinderwunsch-Team die Fortpflanzung immer häufiger unterstützen muss.

Über den Verlauf von Schwangerschaft und Geburt berichtet anschließend Gabriele Fischer, die als leitende Hebamme im Kreißsaal arbeitet. Spüren Mutter oder Kind Schmerzen, wenn die Nabelschnur durchtrennt wird? Was passiert, wenn Kinder falsch herum im Bauch liegen? Merkt das Kind, wenn die Mutter die Luft anhält? Dank ihrer langjährigen Erfahrung hat Gabriele Fischer auf alle Fragen der Mädchen eine Antwort. „Bei 2000 Geburten habe ich aufgehört zu zählen“, sagt sie lächelnd. Einige Schülerinnen sind heute nicht zum ersten Mal in der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Jena – sie sind hier schon auf die Welt gekommen. „Und vielleicht war ich sogar dabei“, sagt Gabriele Fischer.

„Uns für die Schulen der Region zu engagieren, sehen wir als unsere Pflicht“, so Pflegedirektorin Arne-Veronika Boock. Um auch in Zukunft genügend Nachwuchskräfte zu finden, will das Universitätsklinikum Jena verstärkt auf sich aufmerksam machen. Erste Effekte zeigen sich bereits: So haben sich im Jahr 2013 mehr junge Frauen und Männer am UKJ beworben als im Jahr zuvor – obwohl die Zahl der Schulabgänger weiter sinkt.

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Die leitende Hebamme Gabriele Fischer beantwortet alle Fragen der Mädchen rund um das Thema Geburt. Foto: Schleenvoigt/UKJ