Wirtschaftsgeograph untersucht Abwanderung deutsch-türkischer Fachkräfte

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Wenn hochqualifizierte Akademiker und Akademikerinnen ihr Ausbildungsland verlassen, ist meist vom „Brain Drain“ die Rede: Wandern die klugen Köpfe ab, dann hat dies negative volkswirtschaftliche Folgen.

Das gilt auch für Absolventen mit Migrationshintergrund, die nach Abschluss ihres Hochschulstudiums in Deutschland zurück in ihre Heimatländer ziehen. Doch diese negative Sicht, so macht Prof. Dr. Sebastian Henn (Bild) von der Friedrich-Schiller-Universität Jena deutlich, ist zu einseitig: „Die Remigration dieser Fachkräfte hat keineswegs nur negative Auswirkungen. Oftmals setzen sie sowohl in ihrem Herkunfts- als auch dem Ausbildungsland wichtige wirtschaftliche und wissenschaftliche Impulse.“

An dieses Phänomen knüpft das Vernetzungsprojekt „(Re-)Migranten im deutsch-türkischen Innovationsnetzwerk – Identifikation und Kommunikation von Potenzialen für Wissenschaft und Wirtschaft (MIDETI)“ an, das der Jenaer Wirtschaftsgeograph gemeinsam mit Fachkollegen bearbeitet. Zusammen mit Prof. Dr. Martin Franz von der Universität Osnabrück und weiteren Partnern der Universitäten aus Ankara, Istanbul und Izmir möchte Henn die bereits gesammelten Erkenntnisse anderer Länder auf Deutschland übertragen und die Auswirkungen der (Re-)Migration deutsch-türkischer Fachkräfte beleuchten. Gefördert wird das Projekt im Rahmen des „deutsch-türkischen Jahres der Forschung, Bildung und Innovation“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einer Gesamtsumme von 40.000 Euro.

„Die Kontakte, die Akademiker während der Ausbildung in Deutschland knüpfen, bleiben meist auch nach der Rückkehr in die Heimat bestehen. So bilden sich Netzwerke, gegenseitige Direktinvestitionen können gefördert werden und der Wissenstransfer wird gestärkt“, sagt Prof. Henn. Daraus ergibt sich ein Anstieg der Innovationsfähigkeit beider Länder. „Menschen mit Migrationshintergrund bilden oft wichtige Brücken für Unternehmen, denn sie helfen, die Besonderheiten eines Landes zu verstehen und unterstützen so die Kommunikation“, erklärt der Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsgeographie. Ziel des auf eineinhalb Jahre angelegten Projekts ist es deshalb, die bereits vorhandenen Netzwerke zu stärken und Möglichkeiten für neue Netzwerke zu identifizieren, aber vor allem die Öffentlichkeit durch die Verbreitung von Forschungsergebnissen auf dieses positive Phänomen aufmerksam zu machen. Möglich soll das über eine Website und eine Broschüre werden, die über die Potenziale abgewanderter türkischstämmiger Hochqualifizierter für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland informieren. An deren Entstehung arbeiten die Projektpartner und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler nun unter anderem bei Workshops und Tagungen. Zum Projektauftakt haben sich die Forscher soeben das erste Mal in Ankara getroffen und theoretische Perspektiven auf das Phänomen, Erfahrungen von Rückwanderern und Ergebnisse ähnlich gelagerter Untersuchungen von Partnern aus Wissenschaft, Verwaltung, Wirtschaft und der Praxis diskutiert.