Kein Auto ist auch eine Lösung

0
2452
Zu Fuß und mit dem Fahrrad nachhaltig mobil im Jenaer Paradiespark. Foto: Anne Günther/FSU

Jena (jd) Dass das universitäre Studium heute viel zu theoretisch sei, ist eine Klage, die oft gehört wird und manchmal durchaus zutrifft. Gerade deshalb sind die Lehrkräfte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena bestrebt, immer wieder Bezüge zur Praxis herzustellen. In diesem Semester ist am Institut für Kommunikationswissenschaft einmal mehr ein „Experiment“ geglückt, das die Studierenden vor große, praktische Herausforderungen stellte.
„Als der ökologische Verkehrsclub VCD mit seinem ‚Projekt 2050‘ und der Idee, durch den Dreh von Kurzfilmen zu nachhaltiger Mobilität aufzurufen, auf uns zukam, waren wir sofort begeistert“, erzählt Dr. Arne Freya Zillich vom Lehrstuhl für Grundlagen der medialen Kommunikation und der Medienwirkung. „Vor allem die Auseinandersetzung mit einer gesellschaftlich und für Jena relevanten Thematik hat uns überzeugt, das Blockseminar ‚Kommunizierte Mobilität‘ in Kooperation mit dem VCD in diesem Semester anzubieten“, so Zillich weiter.

Alles in Eigenregie
„Das ‚Projekt 2050‘, das vom Bundesumweltministerium gefördert wird, soll junge Menschen in Ausbildung und Studium motivieren, sich auch beruflich für das Thema nachhaltige Mobilität zu engagieren. Denn sie sind die Entscheider von morgen“, erklärt Dr. Steffi Windelen, die zuständige Projektkoordinatorin, den Hintergrund.
Aufgabe war es, kurze Videos mit einer Länge von 90 bis 120 Sekunden zu erstellen, mit denen unter anderem Studierende für die Fortbewegung zu Fuß, per Rad, Bus oder Bahn gewonnen werden sollen. Innerhalb von nur zwei Monaten beschäftigten sich zwölf Kommunikationswissenschaftsstudierende, überwiegend aus dem 3. Semester, sowohl analytisch als auch praktisch mit der Darstellung von Mobilität in Werbespots. Zunächst wurden Kenntnisse zur Analyse von Werbung vermittelt und angewendet. Darauf aufbauend drehten die Studierenden im zweiten Seminarteil nach einer fachlichen Einführung in die Filmproduktion selbstständig Videoclips.
Entstanden sind vier Filme, die von zwei- bis vierköpfigen Teams konzipiert, gedreht und geschnitten wurden. Zusätzlich agierten die Studierenden zumeist als Akteure in ihren eigenen Beiträgen, mussten aber auch einiges organisieren, wie etwa das Einholen von Drehgenehmigungen. Dass der Filmschnitt am schwierigsten war, darüber sind sich alle einig. Sie hätten nur rund drei Stunden gedreht, aber mindestens 20 mit dem Schneiden verbracht, berichten z. B. Pauline Kaboth und Hannah Vizethum. Den anderen Gruppen ging es ähnlich – denn Vorkenntnisse hatte niemand, alles eigneten sich die Jenaer Studierenden autodidaktisch an.
Viel Zeit beim Dreh haben die Studierenden zudem mit Warten verbracht: auf eine geeignete Verkehrslücke oder damit keine anderen Radfahrer im Bild sind. „Am meisten haben außerdem die Passanten aufgehalten, die nach dem fingierten Sturz mit dem Fahrrad gefragt haben, ob alles in Ordnung ist. Dann mussten wir noch mal anfangen“, beschreibt Katharina Klaus aufmerksame Mitbürger – in diesem Fall – als größte Drehhürde. Nichtsdestotrotz hätten sie und ihr Team viel Spaß gehabt. So sagt Marie-Charlotte Hasewinkel: „Neben all der Theorie im Studium war es toll, einmal praktisch tätig zu werden und Neues auszuprobieren.“
Auch Dr. Zillich zieht ein überaus positives Fazit: „Die Zusammenarbeit mit dem ökologischen Verkehrsclub als externem Partner aus der Praxis hat wunderbar geklappt. Dem großen Einsatz der Studierenden hat man dabei deutlich angemerkt, wie sehr sie die kreative Abwechslung im Studienalltag schätzen.“

Online-Voting vom 9. bis 23. Januar 2017
Die Ergebnisse wurden Ende Dezember erstmals einem kleinen Publikum präsentiert, darunter auch Vertreter der Stadtverwaltung wie Michael Margull, Fachdienstleiter für Stadtumbau und Infrastruktur, der sich beeindruckt von den Resultaten zeigt: „Fahrradfahren spielt offenbar eine große Rolle für die Jenaer Studenten. Ich bin gespannt, wie die Stadtpolitik auf die Anregungen reagiert.“ Zwei Filme widmen sich überwiegend der Gegenüberstellung von Fahrrad und anderen Verkehrsmitteln wie Auto oder Straßenbahn und stellen dabei plakativ fest: „Kein Auto ist auch eine Lösung.“ Unterdessen romantisiert ein wie ein Märchen erzählter Werbespot das Zufußgehen als umweltschonendes Nonplusultra. Der vierte Videoclip thematisiert Missstände wie schlechte Straßenführung, Baustellen und wenig Fahrradwege in Jena und endet mit der Feststellung: „Auf zwei Rädern fährt sich’s besser. Man muss uns nur lassen.“
Ab sofort bis zum 23. Januar können sich alle Interessierten die entstandenen Spots hier ansehen und für ihren Favoriten voten: https://mobilitaet2050.vcd.org/newsroom/ Die Gruppe mit den meisten Stimmen erhält – garantiert nachhaltige – Wertgutscheine.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT