Vom Skeptiker zum euphorischen Anhänger

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Mit „Luther im Kontext“ ediert Prof. Dr. Michael Klaper von der Friedrich-Schiller-Universität Jena einen neuen Band zu Reformbestrebungen und Musik in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts

Jena (12.01.17) Was wäre ein Gottesdienst ohne Musik und Gesang, ohne Choräle, Kantaten und Motetten? Heute unvorstellbar, wurde die Daseinsberechtigung von Kirchenmusik um 1500 heftig und auf breiter Basis debattiert. „Während die Gegner, etwa Zwingli und Calvin, befürchteten, dass der ästhetische Genuss die inhaltliche Botschaft verdrängen würde, plädierten Befürworter wie Luther und Melanchthon, sie als Gottesgabe anzusehen“, erläutert Prof. Dr. Michael Klaper vom gemeinsamen Institut für Musikwissenschaft Jena-Weimar der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena und der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar. Er edierte jetzt das auf dem gleichnamigen international und interdisziplinär besetzten Symposium basierende Buch „Luther im Kontext. Reformbestrebungen und Musik in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts“. Dabei habe man nicht die langfristigen Auswirkungen des „Geschichtsereignisses Luther“ in den Fokus rücken wollen, denn „mit der Reformation hatte sich die Frage, ob Kirchenmusik oder nicht, auch in der katholischen Kirche überholt“. Vielmehr sei es darum gegangen, ein schärfer konturiertes Bild Luthers hinsichtlich seines musikalischen Denkens in der damaligen Zeit zu zeichnen. Dafür wurde die Musik auch in den Kontext, etwa von Tanz und Bildender Kunst, protestantischer und katholischer Perspektive gestellt.

Einfluss auf Neuerungen in der Hymnologie

Den Voraussetzungen für die damalige Entwicklung spüre der Band nach. „Wir setzen heute voraus, dass es damals nur so und nicht anders habe kommen können“, sagt der Jenaer Musikwissenschaftler. Doch Luther sei geprägt durch Vorbilder und gegenläufige Strömungen. In vielen Kirchen sei deutschsprachiger, sogar mehrstimmiger Gesang – abhängig von der Einstellung der einzelnen Geistlichen – bereits vor der Reformation fest verankert gewesen. Wie viele Zeitgenossen habe auch Luther der Kirchenmusik anfangs skeptisch gegenüber gestanden, betont Michael Klaper. Doch trotz vieler kritischer Stimmen – auch im eigenen Lager – habe er sich letztlich mit großer Empathie dafür ausgesprochen und in der Folge großen Einfluss auf Kirchenmusik und Reformen in der Hymnologie genommen. So habe Luther dem Gemeindegesang in der Volkssprache hohe Bedeutung beigemessen und selbst – vielfach unter Verwendung mittelalterlicher Melodien – ein großes Repertoire geschaffen, das bis heute gesungen und immer wieder auch bearbeitet werde.

Theologische Fragen durch Musik erklärt

Luther zeichne sich gegenüber Zeitgenossen nicht nur durch die Vielzahl seiner Veröffentlichungen zum Thema Kirchenmusik aus. „Er hatte viele originelle Einfälle und nimmt im 16. Jahrhundert eine besondere Stellung ein“, erläutert Prof. Klaper. So entwarf er beispielsweise eine Theologie der Musik, beleuchtete und erklärte theologische Fragen durch Musik, auch die Idee der Musik als „donum dei“, als Geschenk Gottes, sei offenbar durch ihn verbreitet worden. „Das alles ist ein Alleinstellungsmerkmal in seiner Zeit.“
Eine Folgeerscheinung der lutherischen Reformation indes sei die Adjuvantenkultur. Dahinter verberge sich das Musizieren einfacher Bauern und Handwerker, die in Gottesdiensten mitwirkten. Sie wurden ebenso wie Schulkinder von Kantoren, die oftmals zugleich Lehrer waren, unterwiesen und trugen als Adjuvanten (= Helfer) zum hohen Niveau der Musik in der protestantischen Kirche in Städten und Dörfern bei. Diese Kultur habe sich insbesondere in den Stammländern der Reformation breit entfaltet.

Bibliographische Angaben:
Michael Klaper (Hg.): Luther im Kontext. Reformbestrebungen und Musik in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Olms Verlag 2016, 216 S., Preis: 38 Euro, ISBN 978 3-487-15484-8

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