„Writers in Exile“ in Gotha

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Bücher, aus denen gelesen wurde. Foto: Sebastian Bach

Gotha (red/sb, 17. Mai). Während in der Gothaer Stadtbibliothek „Heinrich Heine“ der Autorenverband PEN seine Jahrestagung abhielt, fanden parallel dazu am 13. und 14. Mai –  über die Stadt verteilt – Lesungen von Exilautor*innen statt.

Das Programm „Writers in Exile“ wurde 1999 ins Leben gerufen und ermöglicht Autor*innen, die in ihren Heimatländern politisch verfolgt werden, einen bis zu dreijährigen Aufenthalt in Deutschland. Neben einem monatlichen Stipendium bietet „Writers in Exile“ den Betreffenden eine möblierte Wohnung sowie Hilfe im Alltag und bei der Kontaktaufnahme mit Verlagen.

Zudem werden jährliche Anthologien herausgegeben, zuletzt 2021 „In der nie endenden bernsteinfarbenen Nacht“, die auf den Lesungen zum Verkauf angeboten wurde. Diese fanden an verschiedenen Orten statt, darunter im „Haus zur goldenen Schelle“, auf Schloss Friedenstein, im KunstForum und dem Löfflerhaus.

Da die Veranstaltungen teilweise zeitgleich oder direkt aufeinanderfolgend stattfanden, war es nicht immer möglich, überall teilzunehmen. Doch egal, wofür man sich entschieden hat, überall gab es interessante und zuweilen auch schockierende Einblicke in die Leben der Exilautor*innen.

Wer etwas über die Zustände im Iran wissen wollte, war am Freitag ab 14 Uhr bei der Kulturstiftung des Freistaates Thüringen an der richtigen Adresse. Dort schilderte Anise Jafarimehr den Umgang mit Frauen in iranischen Gefängnissen, was umso entsetzlicher war, da ihr Buch auf realen Erlebnissen basierte. Jiyar Jahan Fard und Farhad Jahanbeigi berichteten derweil über die Unterdrückung der Kurden im Iran.

Kholoud Charaf. Foto: Sebastian Bach

Am Samstag gab es ab 14 Uhr vier Lesungen im KunstForum. Den Anfang machte die syrische Schriftstellerin Kholoud Charaf, deren Werke sich durch abstrakte Metaphern auszeichneten. Umar Abdul Nasser rezitierte Gedichte, teils mit musikalischer Untermalung. Seine Lyrik war einerseits voller Verzweiflung wie das Gedicht „Warten auf Rettung“, anderseits aber auch hoffnungsvoll wie „Nur ein Traum“. Außerdem machte er sich Sorgen um seine Freunde, die er zurücklassen musste. Im Irak gehe die Gefahr nicht nur vom Staat aus, sondern auch von der Terrororganisation IS.

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Ab 15 Uhr war Artur Klinaŭ an der Reihe, der als Einziger der anwesenden Autoren aus einem europäischen Land fliehen musste. In seinem Roman verglich er die belarussische Diktatur mit einem Familienmitglied, das man nicht einfach loswerden könne und mit dem man sich arrangiert hätte. Sein lockerer Stil war durchaus unterhaltsam, auf der anderen Seite aber auch sehr ernst. Wie der Autor überdies mitteilte, schreibt er seine Bücher auf Russisch, da es laut ihm zu wenige Übersetzer aus dem Belarussischen gibt.

Den Abschluss machte Pezhman Golchin, der das iranische Mullah-Regime als faschistisch bezeichnete. Er unterteilte den Faschismus dabei in drei Kategorien, wobei das iranische Regime ideologisch-religiös geprägt sei. Im Gegensatz zum offenen Faschismus verstecke es sich jedoch hinter einem scheinbar demokratischen Parlament und spiele Weltoffenheit vor.

Bei weiteren Lesungen kamen weitere Exilautor*innen aus der Türkei, Afghanistan, Tunesien, Südsudan und Uganda zu Wort.

Alles in allem war die Veranstaltungsreihe äußerst interessant und aufschlussreich. Es sollte dabei nicht vergessen werden, dass einst auch deutsche Autor*innen ins Exil gehen mussten, während ihre Bücher in der Heimat verbrannt worden sind. Es bleibt zu hoffen, dass dies nie wieder geschehen möge und auch die Schriftsteller*innen aus aktuell diktatorisch regierten Ländern eines Tages in ihre Heimat zurückkehren können.

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