Orgelruf im Gothaer Land eröffnet 95. Bachfest

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Kirchenmusikdirektor Jens Goldhardt improvisiert an der Orgel im Kulturhaus Gotha. Foto: privat

Gotha (red, 13. Juli). Die Orgel ist das Instrument des Jahres 2021 und bereits im Jahr 2017 wurde durch die UNESCO die deutsche Tradition des Orgelbaus und der Orgelmusik als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt.

Wenn nun am Donnerstag, dem 26. August, die Königin der Instrumente zum Orgelruf im Gothaer Land anstimmt, dann sollen dabei nicht nur möglichst viele Instrumente in Klangfülle versetzt werden.
Gotha erinnert in dieser Stunde auch ganz bewusst an die großartige Tradition des Orgelbaus und des Orgelspiels in Stadt und Kreis.
Große Orgelbauer-Namen wie Trost und Thielemann geben sich in Gotha mit regionalen Größen wie Böhm und Helfenbein ein Stelldichein der musikalischen Tasten- und Pfeifenkunst.

Gothas Orgelbauer
Der bedeutendste thüringische Orgelbauer war Tobias Gottfried Heinrich Trost (1680-1759), dessen Orgel in der Waltershäuser Stadtkirche zu den besten Instrumenten des Freistaates zählt. Bereits sein Vater, der Orgelbauer Johann Tobias Gottfried Trost, ließ sich um 1700 in Gotha als Hoforgelmacher nieder, wo er am 2. Februar 1721 verstarb. Mit der Gründung des Staates Sachsen-Gotha unternahm Herzog Ernst I. (1601-1675) große Anstrengungen, die Musikpflege zu verbessern. Dazu zählte auch die Beschäftigung von Hoforgelmachern. Ein solcher wird Johann Moritz Weise –  wohl als erster im Staat Sachsen-Gotha, denn er lebt schon 1632 in der Stadt. An Weises Wirken erinnert das Prospekt an der Orgel der Margarethenkirche. Der aus Wichmar bei Camburg stammende Johann Christoph Thielemann (1682-1755) erlernt bei Johann Jacobus Donati (Schwiegersohn von Severin Holbeck und seit 1701 Gothaischer Hoforgelmacher) das Orgelmacherhandwerk und ist ab 1711 als Hoforgelmacher in Gotha tätig. Ihm folgen Carl Christoph Hofmann (1741-1770) sowie die Orgelmacher Valentin Nößler, Johann Christian Wolfram und Johann Nicolaus Langenhan – von ihm stammt aus dem Jahr 1790 die älteste noch spielbare Orgel Gothas. Wir kennen die Orgelbauerfamilien Wiegand und Hans Helfenbein sowie Hugo, Paul, Rudolf und Gerhard Böhm. Die Werkstatt von Orgelbau Böhm in der Uelleber Straße und von Helfenbein in der Oststraße waren im 21. Jahrhundert die letzten Gothaer Werkstätten.

Die Klangfülle der Orgeln von Gotha
Derzeit verfügen Gotha und die Stadtteile über 23 Orgeln und Orgelpositive in Kirchen, Kulturhaus und Schulen. Sicherlich sind die bekanntesten Instrumente in den Gothaer Kirchen zu finden.
Bereits 1495 ist eine Orgel von Martin Fend in der Margarethenkirche erwähnt. 1698 erfolgte ein Neubau durch Severin Holbeck, 1850 durch Johann Friedrich Schulze und die heutige Orgel stammt aus dem Jahr 1961 und ist von Alexander Schuke erbaut.
Ein Jahr nach der Ersterwähnung der Margarethenkirchen-Orgel wird auch in der Augustinerkirche eine Orgel erwähnt. Das 1496 erbaute Instrument wird 1845 durch einen Neubau von Johann Friedrich Schulze ersetzt, 1934 durch einen Neubau von Wiegand Helfenbein und Gerhard Böhm aus Gotha baute 1993 die heutige Orgel, die mit vier Manualen und 49 Registern die größte Orgel Gothas ist. Auch hier ist der Prospekt wesentlich älter, denn er stammt aus dem Jahr 1692 von den Brüdern Johann Arnold und Heinrich Wedemann.

Der Gothaer Orgelbauer Johann Christian Thielemann, von dem die berühmte Orgel in der Kirche zu Gräfenhain stammt, schuf 1732 ein Instrument in Sundhausen, das später wohl Langenhan in sein Orgelpositiv übernahm, und 1710 eines für Boilstädt, das 1850 durch ein Werk von Friedrich Knauf aus Tabarz ersetzt worden ist. Aus der Werkstatt Knauf stammt auch die neue Orgel der Hofkirche im Schloss Friedenstein. Friedrich Knauf baute 1855 das Werk, in dem er die alte Orgel des dänischen Orgelbauers Severin Holbeck von 1692 ersetzte.

Die kleinen unbekannten Orgeln
Neben den drei berühmten ernestinischen Kirchen-Orgeln gibt es in Gotha auch kleinere Orgeln, wie seit 1822 eine Ratzmann-Orgel in der Hospitalkirche, Orgeln aus der Werkstatt Helfenbein in der Kreuzkirche von 1951 und zwei Jahre später jene in der Christkönigskirche.
Orgeln von Knauf erklingen nicht nur in der Schlosskirche, sondern seit 1850 in der Kirche zur Himmelspforte in Boilstädt und schon zwei Jahre früher in der Johanneskirche von Uelleben.
Die Katholische Gemeinde Gothas, begeistert von der 1961 erbauten Schuke-Orgel der Margarethenkirche, erteilte 1990 dem Orgelbau Schuke den Auftrag, in der Bonifatiuskirche eine Orgel zu erbauen. Bereits 1985 schuf diese Orgelbauwerkstatt das große Instrument im Kulturhaus.
Die Kirche St. Helena in Siebleben hat seit 1822 eine Orgel, die Ernst Ludwig Hesse erbaute und die genau 110 Jahre später von Wiegand Helfenbein überholt worden ist.
Die Neuapostolische Kirche bekam eine Königin der Instrumente im Jahr 1963 von Friedrich Löbling, die in den Jahre 1998/99 von Roland Martschei neu erbaut worden ist.
Kleine Orgelpositive aus der Werkstatt von Gerhard Böhm in Gotha stehen in der Kirche Boilstädt, der Friedrichskirche, der Kreuzkirche, der Margarethenkirche, der Kirche Siebleben, der Versöhnungskirche, der Kirche Töpfleben und bei der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde.

Männer und Frauen auf der Orgelbank
Es sind nicht nur die Instrumente, die Räume mit Tönen und Seele erfüllen, sondern es sind vor allem die Organisten und Kantoren, die in Gotha seit Jahrhunderten die Musik pflegen.
Im neuen Bach-Buch „Der Anfang zur Musik. Bach im Gothaer Land“ wird Stadthistoriker Alexander Krünes erstmals über die Tradition der Gothaer Stadtmusikanten erzählen und darauf hinweisen, dass zur Geschichte der Orgeln auch die Biografien der Orgelspieler gehören.
Gotha muss sich dabei nicht verstecken, denn klangvolle Namen saßen hier auf der Orgelbank. So musizierten in der Stadt Johann Pachelbel (1653-1706), Balthasar Schott (1686-1736) und Johann Ludwig Backhaus (1715-1771).
Unvergessen die Darbietungen des Kirchenmusikdirektors Konrad Bräutigam (geboren 1924), der von 1952 bis 1984 in Gotha wirkte, sowie seines Nachfolgers des Myconius-Medaillen-Preisträgers Uthmar Scheidig (geboren 1945).
Seit nunmehr 15 Jahren erfreut Kirchenmusikdirektor Jens Goldhardt mit seinem Spiel und seinen musikalischen Inszenierungen. Doch es kommt nicht darauf an, ob man es zu größter Meisterschaft bringt, wichtig ist, dass die Orgel erklingt und dass Menschen, die Freude am Orgelspiel haben, sich den Mut fassen, die Königin der Instrumente zu beherrschen.

Alles auf zum Orgelruf im Gothaer Land
Wenn nun am Donnerstag, dem 26. August, um 19 Uhr bekannte Organistinnen und Organisten, aber auch viele ehrenamtliche Orgelspieler, die sonntags die Gottesdienste umrahmen, in die Tasten greifen, um einen Rekord zu Ehren der großen Musikerfamilie Bach aufzustellen, dann haben auch die Bürger des Gothaer Landes die Chance, vor Ort in ihren Kirchen für wenige Minuten einer großartigen Musik zu lauschen und mit einem kräftigen Applaus den Organistinnen und Organisten zu danken.

Wer auch zu Hause den Orgelklängen aus der Augustiner-, der Margarethen- und der Schlosskirche lauschen möchte, kann die CD „Drei Orgeln in der Residenzstadt Gotha“ zum Preis von 13 Euro im „Gotha adelt“-Laden erwerben.

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