Was sind „Alte Instrumente“ – Gerd Amelung erklärt’s

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Gerd Amelung. Foto: Karl Epp

Gotha (red, 22. September). Der GÜLDENE HERBST, das Festival Alter Musik in Thüringen lädt ab diesem Jahr jeweils an einen prächtigen Residenzort in Thüringen ein. Den Reigen eröffnet die Stadt Gotha, die heute noch den Glanz des einstigen ernestinischen Hofes ausstrahlt.

Unter dem Motto MUSIK.LIAISON wird die barocke Residenz vom 2. bis 4. Oktober 2020 zur Bühne des Festivals mit Ensembles wie der Akademie für Alte Musik Berlin, dem Vocalkreis Gotha & Thüringen Barock und Collegium Marianum Prag.

MUSIK.LIAISON verweist auf das weltoffene, mit zahlreichen europäischen Geistes- und Kulturgrößen verbundene Gotha des 18. Jahrhunderts. Auch der Prolog am 1. Oktober in Weimar mit Ensemble Hofmusik und dem Johann-Sebastian-Bach-Ensemble Weimar wird bereits einen Blick auf den Gothaer Hofkapellmeister Georg Anton Benda werfen.

Gerd Amelung, Künstlerischer Leiter des Festival GÜLDENER HERBST, über „Alte Instrumente“:

Ganz grundsätzlich muss man festhalten, dass die sogenannten „Alten Instrumente“ nach den Bauprinzipien ihrer Entstehungszeit gebaut sind.

Wir nehmen also die Geschichte ernst und denken nicht, dass jedes später gebaute Instrument eine „Weiterentwicklung“ oder ein „Fortschritt“ gegenüber älteren Instrumenten ist. Eine Geige von 1600 ist das Instrument, auf dem Musik aus der Zeit aufgeführt wurde – also bauen wir sie so nach, wie sie damals auch gebaut wurde. Dieses Prinzip gilt für alle Instrumente – für Streicher genauso wie für Bläser oder Tasteninstrumente. Und je mehr man sich mit historischen Bauprinzipien beschäftigt, desto deutlicher wird, mit welcher Meisterschaft damals gebaut wurde und wie genau die Menschen wussten, was es braucht, um einen bestimmten Klang zu erzeugen.

Manche Instrumente von damals haben sich durch die Musikgeschichte hindurch erhalten, auch wenn die Prinzipien, nach denen sie gebaut werden, sich geändert haben. So gibt es Geigen, Bratschen, Cello und Kontrabass seit der Mitte des 16. Jahrhunderts. Werden diese Instrumente aber heute mit Saiten aus Stahl bezogen, hat man früher solche aus Schafs- oder Katzendarm verwendet (heute führt das dazu, dass man sich mit EU-Vorschriften auseinandersetzen muss, die den Import bzw. die Verwendung bestimmter tierischer Produkte verbieten).

Die Tendenz, im Konzertbetrieb immer größere Säle zu bespielen, hat dazu geführt, dass man die Instrumente immermehr so bauen musste, dass sie möglichst laut klingen – was immer zu Lasten des Farbenreichtums geht. Bei Streichinstrumenten ist der Zug, der durch die Saiten ausgeübt wird, heute weitaus höher, als er das noch im 19. Jahrhundert war. Dadurch kann das Holz des Instruments nicht so frei schwingen, es klingt lauter, aber die Klangfarben werden weniger.

Für mich selbst ist faszinierend, dass die „Alten Instrumente“ nur das Einfallstor für eine ganze Lebenshaltung als Musiker sind: Die Menschen haben vor 300 Jahren in vielen Dingen anders gelebt und anders gedacht als wir heute. Und wenn wir uns schon die Mühe machen, ihre Musik auf Instrumenten dieser Zeit zu spielen, müssen wir gleich noch einen Schritt weitergehen und versuchen, uns in sie hineinzuversetzen, ihrem Leben ein wenig näher zu kommen – die Musik spielt und hört sich anders, wenn man das versucht. Und damit begibt man sich auf eine nie endende Entdeckungsreise, auf der man vieles Interessantes über die Geschichte und auch sich selbst erfährt.

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