Allein reisende, minderjährige Asylbewerber kommen ab 2016

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Parallel zur Aufnahme der aktuell rund 780 zugeteilten erwachsenen
Asylbewerber kommt auf den Landkreis Gotha in Kürze eine weitere
Herausforderung zu:

Der Gesetzentwurf zur Unterbringung, Versorgung und
Betreuung ausländischer Kinder und Jugendliche sieht vor, ab 2016 auch
Heranwachsende bundesweit gemäß des Königsteiner Schlüssels zu verteilen.
Für Thüringen bedeutet das derzeit eine Quote von 2,7 Prozent; hiervon
wiederrum entfallen auf den Landkreis Gotha als größten Landkreis im
Freistaat 6,3 Prozent. Das Kreis-Jugendamt geht deshalb von zunächst 46
unbegleiteten Kindern und Jugendlichen aus, für die eine angemessene
Unterbringung und Betreuung gefunden werden muss.

Hintergrund der Gesetzesnovelle ist der enorme Anstieg allein reisender
Minderjähriger: Für sie gilt automatisch die Inobhutnahme des Jugendamts –
bislang die des jeweils örtlich zuständigen, in dessen Bereich die Einreise
festgestellt wird. Da die Behörden vor allem in den Metropolen den
Fallzahlen nicht mehr gerecht werden können, plant der Bund nun die
Umverteilung in der Fläche. Im Jahr 2014 sind rund 10.300 ausländische
Unter-18-Jährige in Deutschland von den Jugendämtern in Obhut genommen
worden – womit sich die Zahl gegenüber dem Vorjahr nahezu verdoppelt hat (+
45%, Quelle: Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.
V.).

Jugendhilferecht zieht andere Standards nach sich

„Für Asylbewerber ohne Begleitung, die das 18. Lebensjahr noch nicht
erreicht haben, gelten die Regeln Kinder- und Jugend-hilferechts“, macht
Jugendamtsleiterin Simone Baumann deutlich. Das heißt: Für die
Unterbringung und Betreuung gelten andere Maßstäbe; anstelle von
Gemeinschaftsunterkünften steht die Heimunterbringung oder betreute
Wohngruppe.

Derzeit befinde man sich in Verhandlung mit anerkannten Trägern der freien
Jugendhilfe, die bereits Erfahrungen in diesem Bereich aufweisen können.
Erste Objekte wurden gemeinsam mit dem Landesjugendamt als zuständiger
Betriebserlaubnisbehörde be-sichtigt.

Kostenzuwachs von rund 3,5 Mio. Euro pro Jahr

Folgt man den derzeitigen Vorgaben des Gesetzentwurfes, so wird der
Landkreis Gotha für diese Leistungen ab dem kommenden Jahr rund 3,5
Millionen Euro aufwenden müssen. Diese Ausgaben sind vom Land Thüringen zu
erstatten. Darüber hinaus bedarf es allerdings zusätzlichen Personals im
Jugendamt, u. a. für die Bereiche Amtsvormundschaften, soziale Dienste und
wirtschaftliche Jugendhilfe.

„Dass der Gesetzgeber im Leistungskatalog keine Abstriche macht, ist im
Sinne der Betroffenen. Allerdings muss auch gewährleistet bleiben, dass die
Landkreise und kreisfreien Städte die nebengelagerten Aufwendungen, etwa
für mehr benötigtes Personal, erstattet bekommen. Hier werden wir das Land
in die Pflicht nehmen“, kündigt Landrat Konrad Gießmann. Der Landkreis
Gotha gibt bereits im laufenden Jahr 2015 rund 2,8 Mio. Euro für die
Heimerziehung von hiesigen Kindern und Jugendlichen aus.

„Ein besonderes Augenmerk wird dabei der Netzwerkarbeit zu widmen sein,
weil Schnittstellen u. a. zum Ausländeramt, Sozialamt, Staatlichen
Schulamt, Jobcenter und weiteren Einrichtungen geschaffen werden müssen“,
so Baumann. Vor allem die Suche nach geeigneten Fachkräften wird sowohl die
Verwaltung wie auch die freien Träger vor große Aufgaben stellen,
prognostiziert die Jugendamtsleiterin.