Bettina Hünersdorf hat die Professur für Sozialpädagogik der Uni Jena übernommen

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Kevin, Lea-Sophie, Chantal – diese Namen sind wohl vielen Menschen noch immer im Gedächtnis. Wenn Medien über Kinder berichten, die sterben mussten, weil ihre Eltern oder Pflegeeltern sie vernachlässigten oder misshandelten, ist das Entsetzen groß. In der Öffentlichkeit werden dann Fragen danach laut, warum sich die Todesfälle nicht vermeiden ließen. Ebenso regelmäßig ist der Ruf nach neuen Gesetzen, strengeren Vorschriften und Kontrollen zum besseren Schutz von Kindern zu hören.

Vor allem Behörden stehen nach dem Bekanntwerden solcher Tragödien in der Kritik, sagt Prof. Dr. Bettina Hünersdorf (Bild; Foto: Jan-Peter Kasper/FSU) von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Jugendämter, Sozialarbeiterinnen und -arbeiter, Pädagoginnen und Pädagogen sollten schließlich das Kindeswohl schützen und dafür Sorge tragen, dass sich so etwas nicht ereignen kann. „Gerade spektakuläre Todesfälle von Kindern lassen das öffentliche Bedürfnis nach mehr Sicherheit in der Sozialen Arbeit wachsen“, stellt die 45-Jährige fest, die seit kurzem Professorin für Sozialpädagogik der Jenaer Uni ist.

In ihrer Forschungsarbeit untersucht die Erziehungswissenschaftlerin, wie dieses wachsende Sicherheitsbedürfnis im Bereich Kinderschutz sozialpädagogische Arbeit insgesamt und das Zusammenspiel von Pädagoginnen und Pädagogen mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Berufsgruppen wie der Psychologie und Medizin beeinflusst. „Wir finden immer häufiger Instrumente zur Risikobewertung aus anderen Disziplinen in sozialpädagogischen Programmen wieder“, beobachtet Bettina Hünersdorf. Damit werde versucht, die Wirksamkeit von Prävention und Intervention im Kinderschutz objektiv zu messen und ihren Einsatz planbar zu machen. Doch jedes helfende Handeln berge auch Unsicherheiten, fuße auf Vertrauen und lasse sich nicht mit Bestimmtheit absichern, ist Hünersdorf überzeugt. Es sei daher fraglich, ob sich der Erfolg sozialpädagogischer Arbeit auf diese Weise abbilden lasse. „Dennoch brauchen wir auch einen Diskurs darüber, was sozialpädagogische Arbeit ausmacht und welche Hilfe sinnvoll ist“, sagt Prof. Hünersdorf. Wo es nur um Rationalisierung und Kosteneffizienz gehe, bleiben die Bedürfnisse derjenigen auf der Strecke, an die sich sozialpädagogisches Handeln richte.

Die aus dem niedersächsischen Wolfenbüttel stammende Erziehungswissenschaftlerin hat in Würzburg und Trier studiert. Hier wurde sie 1998 mit einer Arbeit zur pädagogischen Selbstkritik auf der theoretischen Grundlage von Husserl, Merleau Ponty und Foucault promoviert. 2007 folgte ebenfalls in Trier eine Habilitation mit dem Titel „Der klinische Blick in der Sozialen Arbeit“. Nach Lehrstuhlvertretungen an der Uni Heidelberg und der Universität der Bundeswehr in München wechselte sie 2009 an die Alice Solomon Hochschule Berlin, von wo sie nun dem Ruf an die FSU folgte. Hier möchte die naturverbundene Großstädterin vor allem ihre ethnografisch orientierten auf sozialpädagogische Kindheits- und Alternsforschung ausgerichteten Forschungsarbeiten voranbringen und knüpft dazu derzeit bereits vielfältige Kontakte auch in die pädagogische Praxis. Davon profitieren auch die Studierenden, die sie in ihren forschungsorientierten Lehrveranstaltungen an ihren Ergebnissen zu Sicherheitsaspekten und ihren Auswirkungen auf die Sozialpädagogik teilhaben lässt.