Ensemble für Intuitive Musik Weimar und Gabriele Stötzer im Duett zu erleben

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Mit einem Lese-Konzert der besonderen Art erinnern der Landkreis Gotha und die Kreissparkasse Gotha am kommenden Sonntag, 2. November, an die Friedensgebete und Demonstrationen des Herbstes 1989. In der Gothaer Augustinerkirche spielen ab 17 Uhr die Musiker des Ensembles für Intuitive Musik Weimar, deren Programm mit Lesebeiträgen der Autorin Gabriele Stötzer aus Erfurt ergänzt wird. Der Eintritt zum Konzert ist frei; es beginnt um 17 Uhr (Einlass ab 16.30 Uhr).

„Wir wollen mit der Veranstaltung ein klares Zeichen setzen und präsentieren eine zu DDR-Zeit verfemte Musik im Duett mit Lesebeiträgen einer Autorin, die für ihren Wolf-Biermann-Zuspruch mit Gefängnis büßen musste. Die Geschichte der Protagonisten zeugt davon, welches Regime vor 25 Jahren friedlich überwunden wurde“, sagt Landrat Konrad Gießmann. Vor allem im Lichte der aktuellen Bestrebungen zur Regierungsbildung in Thüringen sollte das nicht in Vergessenheit geraten. Der bevorstehende Termin sei bewusst gewählt worden, um die zeitliche Nähe zur 25-jährigen Wiederkehr der großen Demonstration auf dem Gothaer Hauptmarkt (29. Oktober 1989) zu wahren, und welcher Ort könnte in Gotha besser Raum geben als die Augustinerkirche, seinerzeit Zentrum der Friedensgebete?

Das Ensemble für Intuitive Musik Weimar (EFIM) wurde 1980/81 gegründet. „Klang-Reise“ lautete der Titel zahlreicher Konzerte, die es in den ersten Jahren seines Bestehens gab. Das fing in einer illegalen Erfurter Galerie an und führte in zahlreiche Kirchen der DDR. Inzwischen ist das EFIM weltberühmt und international erfolgreich, was Gastspiele in mehr als 30 Ländern belegen. Zu DDR-Zeiten empfanden es die Musiker als notwendig und reizvoll, tabuisiertes und unerwünschtes Gebiet zu betreten. Der Name des Komponisten Karlheinz Stockhausen erwies sich dabei als Magnet – die Menschen kamen in Scharen. So fanden bis zum „Oktoberfrühling 1989“ über 100 EFIM-Konzerte mit Stockhausens Musik in der DDR statt. Charakteristisch für das Ensemble ist die enge Verzahnung zwischen Instrumenten und Live-Elektronik, wodurch nicht nur eine Fülle neuer Klangfarben entsteht, sondern auch bisher kaum vorstellbare kommunikative Prozesse ausgelöst werden. Das im Computer befindliche mobile Studio wird als Musikinstrument eingesetzt. Die Technik fungiert nicht mehr als ergänzendes Beiwerk, sondern als Bestandteil des instrumentalen Wechselspiels. Darüber hinaus übernimmt die Bewegung der Klänge im Raum eine wesentliche Rolle (8-kanalige Beschallung). Zum EFIM zählen Hans Tutschku (Live-Elektronik, Boston), Michael von Hintzenstern (Klavier, Orgel, Synthesizer, Weimar), Matthias von Hintzenstern (Violoncello/Gesang, Kühdorf) sowie Daniel Hoffmann (Trompete/Flügelhorn, Brandenburg).

Die Autorin Gabriele Stötzer wurde 1953 in Emleben geboren. Im November 1976 beteiligte sie sich als Studentin mit ihrer Unterschrift am Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns. Beim Transport der Unterschriftenliste von Erfurt nach Berlin wurde sie von der Stasi festgenommen; auf die Untersuchungshaft folgte im Frühjahr 1977 ihre Verurteilung zu einem Jahr Haft wegen Staatsverleumdung. Während ihrer Zeit im Zuchthaus Hoheneck in Stollberg/Sachsen fasste sie den Entschluss, zu schreiben. Nach ihrer Entlassung lehnte sie die Ausreise in den Westen ab und musste abermals zur so genannten „Bewährung“ in die Produktion. Sie begann mit dem Verfassen von autobiografischen und experimentellen Texten, die den Versuch dokumentieren, eine spezifisch weibliche Ausdrucksweise zu finden. 1980 unternahm sie in Erfurt den Versuch, eine private Kunstgalerie zu betreiben, in der sie eigene Werke und solche von Angehörigen ihres Freundeskreises aus der alternativen Szene ausstellte. 1981 wurde die Galerie durch die Stasi geschlossen. Gabriele Stötzer, Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Bande und Stipendiatin der Hermann-Hesse-Stiftung, lebt heute in Erfurt und Utrecht.