Fazit: „Erfurt ist nicht Thüringen“

0
1310

Erstmals trafen sich am Montag Vertreter der Bündnisse „Fernverkehr für Jena“ und „Nächster Halt – Weimar!“ in Jena, um Argumente, Erfahrungen und Lösungsmöglichkeiten auszutauschen sowie ein zukünftiges gemeinsames Vorgehen abzustimmen.

Schwerpunkt der Gespräche war der drohende Wegfall der Fernverkehrsanbindung der beiden Städte nach der Inbetriebnahme der Neubaustrecke über Erfurt. Für weiteren Unmut sorgen in den beiden Thüringer Städten gleichermaßen die Zustände auf der Mitte-Deutschland-Verbindung, für die in den nächsten Jahren keine befriedigende Lösung in Sicht ist.

Im Ergebnis verständigten sich die beiden Bündnisse auf folgende Grundpositionen im Fernverkehr: Erfurt ist nicht Thüringen / Ein Fernverkehrshalt ist für den Freistaat zu wenig

Ein Fernverkehrshalt vor Ort ist für Unternehmen, Wissenschafts- und Kultureinrichtungen sowie die Bürger ein wichtiger Standortfaktor. Die von der DB geplante und vom Land unterstütze Konzentration allen Fernverkehrs auf die Landeshauptstadt Erfurt bringt für Weimar und Jena erhebliche Standortnachteile mit sich. Sie verschlechtert die Erreichbarkeit beider Städte, indem ihre Bürger und Gäste Umstiege, schlechteren Reisekomfort, höhere Kosten und auf einigen Verbindungen sogar längere Reisezeiten in Kauf nehmen müssen.

Diese Verkehrspolitik beeinträchtigt in nicht geringem Maße die bisher positive Entwicklung der Städte Weimar und Jena. Die enormen Beträge, die in Milliardenhöhe seit der Wende in Weimar und Jena für Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Tourismus zum Nutzen des gesamten Landes geflossen sind, würden ihre Wirkung dauerhaft nicht mehr entfalten können.

Die Initiativen und die in ihnen vertretenen Unternehmen, Verbände, Wissenschafts- und Kultureinrichtungen erwarten von der Landesregierung und von der DB endlich ein Konzept, wie ihre Städte nach der Inbetriebnahme der Neubaustrecke weiter direkt mit Fernverkehr versorgt werden sollen. Die vom Freistaat angekündigten Regionalexpresszüge sind ein gutes Angebot für Kurzstrecken-Pendler. Mit ihren vielen Zwischenhalten, der trotz Spurtstärke langen Fahrzeiten, den lediglich regionalen Zielen und dem geringen Reisekomfort sind sie jedoch kein Ersatz für den ICE mit seinen direkten und komfortablen Anbindungen an große Bahnknoten und internationale Flughäfen.

Der überfällige weitere Ausbau der MDV ist trotz der jüngsten Verlautbarung des Thüringer Ministeriums für Bau, Landesentwicklung und Verkehr (TMBLV) weiterhin nicht gesichert. Völlig unklar ist, ob es je eine Elektrifizierung geben wird. Die Zustände in den vom Land bestellten, regelmäßig überfüllten Regionalzügen haben sich in den letzten Jahren weiter verschlechtert und sind teilweise chaotisch und unzumutbar geworden.

Dennoch hat der Freistaat mit seinen jüngsten Leistungsvergaben das heutige Leistungsangebot in seiner Grundform bis über das Jahr 2020 hinaus ohne Kapazitätsausbau festgeschrieben. Bei der Vergabe des Ostthüringer Dieselnetzes wurden die Leistungen sogar an ein Unternehmen vergeben, dass sich mit einem Fahrzeug beworben hat, dass weniger Kapazität zur Verfügung stellt, als die bisher eingesetzten Fahrzeuge.

Die Initiativen lehnen diesen völlig unambitionierten Umgang mit der wichtigsten Thüringer Eisenbahnstrecke ab. Sie erwarten vom Freistaat als verantwortlichen Besteller des Nahverkehrs endlich eine Perspektive, wie es kurzfristig kapazitive Verbesserungen im Angebot geben kann. Die Landesregierung hat es in der Hand, auch kurzfristig Züge mit mehr Plätzen zu bestellen.

Zur vollwertigen Einbindung der Strecke in das Fern- und Ballungsnetz der DB ist die Elektrifizierung eine Grundvoraussetzung. Nach dem Vorbild der benachbarten Bundesländer müssen hier den jahrelangen Worten endlich Taten folgen. Wenn Thüringen im Jahr 2012 insgesamt 10 Millionen Euro eigentlich für die Bestellung von Nahverkehrszügen vorgesehene Mittel in die Ausbesserung von Landstraßen stecken kann, kann es zukünftig auch die Elektrifizierung seiner wichtigsten und nachfragestärksten Eisenbahnstrecke vorantreiben, wenn der Wille dazu tatsächlich vorhanden ist.

Es wurde von den Bündnissen verabredet, weitere Treffen und Aktionen zu planen.

PS. Das Bündnis „Fernverkehr für Jena“ ist ein Zusammenschluss von über 50 Unternehmen, Wissenschaftseinrichtungen, Interessenverbänden und Vertretern der Verwaltung.