Fernerkunder der Uni Jena starten Projekt mit der Europäischen Weltraumorganisation

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Heute beginnt das erste Projekttreffen einer neuen Ära der Erdbeobachtung zum Klimawandel: Die Europäische Weltraumorganisation ESA versammelt bis zum 11. Juni Fernerkundungsexperten aus ganz Europa in Jena, wo unter Leitung des Lehrstuhls für Fernerkundung der Friedrich-Schiller-Universität die Kartierung einer global besonders unbekannten Klimavariablen angegangen wird – der orberirdischen Biomasse.

Die Menge der Biomasse beschreibt den Kohlenstoffspeicher, der eine wichtige und bisher unbekannte Größe in Klimamodellen darstellt. Ein Klimamodell ist also nur so gut, wie die Speicherfunktion der Landoberflächen für das Treibhausgas Kohlendioxid beschrieben werden kann.

Die Landoberflächen der Erde sind zu gut einem Drittel von Wäldern bedeckt. Diese reichen von den borealen Nadelwäldern Sibiriens und Kanadas über Laub- und Mischwälder der mittleren Breiten bis hin zu den dichten tropischen Regenwäldern in den Regionen entlang des Äquators. Die Wälder der Erde sind dauernden Änderungen – egal ob natürlichen Ursprungs oder vom Menschen verursacht – unterworfen. Diese spiegeln sich in Veränderungen der Forstfläche und damit in der Menge der Waldbiomasse wider. Solche Veränderungen untersuchen in den nächsten drei Jahren Wissenschaftlerinnen und  Wissenschaftler aus insgesamt sechs europäischen Ländern im neuen ESA-Projekt „GlobBiomass“. „Anhand der drei zu untersuchenden Zeitschritte 2005-2010-2015 können Änderungen der Waldfläche sowie der Verteilung der Biomasse erkannt und verortet werden“, so Evelin Matejka von der Universität Jena. Die Geographin arbeitet am Lehrstuhl für Fernerkundung, der das Projekt unter Leitung von Prof. Dr. Christiane Schmullius koordiniert.

Das von der ESA mit knapp 1,5 Millionen Euro geförderte Forschungsprojekt verwendet zur Messung der Biomasse Bilddaten verschiedener Erdbeobachtungssatelliten, hat aber einen deutlichen Schwerpunkt im Bereich der Radarfernerkundung. Ziel des Projekts sind globale und, für intensivere Untersuchungen, regionale Waldbiomassekarten. Getestet wird in den Regionen Mexiko, Polen, Schweden, Borneo und Südafrika, für die alle verfügbaren Satellitendaten der Jahre 2005, 2010 und 2015 gesammelt und mit Hilfe neuester Bearbeitungstechniken und Auswertealgorithmen in digitale Biomassekarten umgewandelt sind.
 
Verknüpfung von optischen und Radar-Daten

Die Verknüpfung von optischen und Radar-Daten stellt das innovative Herzstück des Projektes dar. „Eines unserer Ziele ist es, methodische Unsicherheiten zu charakterisieren und zu verringern und so eine qualitative Verbesserung der Karten zu erreichen“, erklärt der Jenaer Fernerkundler Dr. Christian Thiel. Bereits existierende globale Biomasseschätzungen weichen regional zu stark voneinander ab, kennen die Experten eine Schwierigkeit. Ein weiteres methodisches Problem besteht darin, die Gültigkeit der neuen Biomasseinformationen bestätigt zu bekommen. „Das soll sich mit den Untersuchungen in den Testgebieten jetzt ändern“, sagt Matejka, „da wir hier Partner für das Projekt gewinnen konnten, die in den verschiedenen regionalen Testgebieten sehr gut vernetzt sind und somit auch die zwingend benötigten Validierungsdaten beschaffen können“.
 
Forschung für die Nutzer

Das Forschungsvorhaben setzt von Anfang an auf eine enge Kooperation mit den späteren Nutzern der Waldkarten. Daher wird mit einer Reihe externer Einrichtungen zusammengearbeitet, die die Ergebnisse der Wissenschaft für die Praxis testen. Dazu gehören zum einen Klimaforscher, zum anderen politische Entscheidungsträger, die sich für die wirtschaftliche Umsetzung der Forschungsergebnisse im Rahmen des Emissionshandels interessieren. Zudem werden die neuen Biomassekarten eine wichtige Informationsgrundlage für den Schutz der Wälder durch Umstellung auf nachhaltige Waldnutzungspraktiken sein. Daher arbeitet „GlobBiomass“ u. a. intensiv mit Prof. Dr. Markus Reichstein vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena zusammen, das als weltweit führende Einrichtung zum Kohlenstoffkreislauf gilt.

Im neuen internationalen Forschungsprojekt „arbeiten die führenden Erdbeobachtungsexperten aus Europa im Bereich der Biomassekartierung eng zusammen. Darüber hinaus bestehen enge Kontakte mit Brasilien, Kanada, China, Russland und Südafrika“, sagt Frank Martin Seifert, der zuständige Projektreferent bei der ESA. Für die europäische Weltraumagentur ist „GlobBiomass“ noch aus einem anderen Grund relevant: Das Projekt soll als Vorarbeit für die im Jahr 2020 geplante BIOMASS-Satelliten-Mission dienen. Dabei werden zum ersten Mal Antennen für 80 cm lange Radarwellen entwickelt, mit deren Hilfe sogar dichteste Tropenwälder „durchleuchtet“ werden können, was deren Kartierung ermöglicht.

Weitere Informationen unter: www.globbiomass.org

(Zum Beitragsbild: Eine Karte mit der Biomasse auf der Nordhalbkugel aus einem vorherigen Projekt. Unter anderem solche Biomassekarten in höchster Qualität sollen beim neuen Projekt entstehen. Abbildung: Biomasar-II)