Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt lädt einem zu öffentlichen Gastvortrag ein

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„Narzissmus der kleinen Differenzen. Warum Sozinianer aus Polen vertrieben wurden“ lautet der Titel eines Vortrag von Dr. Maciej Ptaszyński, zu dem das Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt am Montag, 11. März, in den Seminarraum im Pagenhaus auf Schloss Friedenstein einlädt. Beginn ist um 18.15 Uhr, der Eintritt ist frei.

Sigmund Freud bemerkte, „dass gerade benachbarte und einander auch sonst nahestehende Gemeinschaften sich gegenseitig befehden und verspotten, so Spanier und Portugiesen, Nord- und Süddeutsche, Engländer und Schotten“. Die Aggression zwischen benachbarten Nationen, verwandten Konfessionen, Lehrern und Schülern liegt in diesem „Narzissmus der kleinen Differenzen“ begründet. Diese Theorie kann die Abneigung der polnischen Protestanten gegenüber den sogenannten „Polnischen Brüdern“ („Arianer“, später auch „Sozinianer“) erklären. Diese Kirche entstand um 1562/63 infolge der Konflikte um Trinitätslehre und Kindertaufe, die zur Spaltung der reformierten Konfession geführt hatten.

Die radikale Haltung der „Sozinianer“ wurde nicht nur von katholischen, sondern auch von protestantischen Polemikern angegriffen. Dank den Bestimmungen der Warschauer Konföderation von 1573, die eine Duldung aller Konfessionen in Polen-Litauen zugestand, war ihre Lage teilweise gesichert. Im 17. Jahrhundert waren die „Arianer“ aber wieder ernsthaft bedroht, als die religiösen Freiheiten der Protestanten zwar zunächst nicht de iure abgeschafft, sondern de facto zunehmend eingeschränkt wurden. 1658 wurden die „Polnischen Brüder“ schließlich aus Polen-Litauen vertrieben.

Diese Vertreibung, die dem Mythos der „polnischen Toleranz“ widerspricht, überrascht nicht. Sie entsprach dem konfessionellen Zeitgeist, war lange geplant und genau vorbereitet. Der Vortrag im Forschungszentrum Gotha geht nun der Frage nach, ob und wie die „Polnischen Brüder“ selbst diesen Vorgang beschleunigt haben.

Die These lautet, dass sich die Vertreibung nicht nur durch das Konfessionalisierungsparadigma, sondern auch durch einen Freud’schen „Narzissmus der kleinen Differenzen“ erklären lässt. Genauer gesagt: Dieser Narzissmus erklärt nicht nur, warum die „Polnischen Brüder“ gehasst wurden, sondern auch, warum sie erst 1658 vertrieben wurden.

Dr. Maciej Ptaszyński hat Geschichte und Philosophie in Warschau und Berlin studiert und wurde 2007 mit einer Arbeit über die evangelische Geistlichkeit in den Herzogtümern Pommern zwischen 1560 und 1618 promoviert. Seit 2008 ist er Assistent und Adjunkt am Historischen Institut an der Warschauer Universität, außerdem Sekretär in der Kommission für Renaissance- und Reformationsforschung an der Polnischen Akademie der Wissenschaften.