Gegen das Vergessen: 25 Jahre friedliche Revolution

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An die epochalen Ereignisse im Herbst 1989 erinnern der Landkreis Gotha und die Kreissparkasse Gotha ab heutigem Mittwoch in einer gemeinsamen Ausstellung. Unter dem Titel „Gegen das Vergessen: 25 Jahre friedliche Revolution“ werden noch bis zum 26. September im Kundencenter der Kreissparkasse Gotha, Lutherstraße 2-4, sowohl Ölbilder, Grafiken und Zeichnungen als auch Informationstafeln und Original-Transparente der Montagsdemon­strationen 1989 gezeigt.

Die Schau setzt zwei Schwerpunkte: Einerseits informiert eine Retrospektive über die Ereignisse und Stimmungen 1989, die vom Gothaer Journalisten Klaus Simmen in sechs Tafeln zusammengefasst wurde. Darüber hinaus präsentiert die Ausstellung ausgewählte Werke von fünf bildenden Künstlern und einem Fotografen der Region. Sie vereinte einst ihren Nonkonformismus gegen die offizielle Kunstdoktrin der DDR, um in unterschiedlichen Genres an die Moderne anknüpfen zu können. Die Folgen waren Ausstellungsverbote und Ausschluss aus dem Verband Bildender Künstler bis hin zur Beschlagnahme von Bildern. Zu sehen sind Arbeiten von Gert Weber aus Gräfenhain, seines Mentors Werner Schubert-Deister (seinerzeit Friedrichroda), des Gothaers Kurt W. Streubel sowie von Karl Meusel und Hans Winkler, die zumindest zeitweise in und um Gotha wirkten, selbstredend aber weit darüber hinaus Beachtung erfahren haben. Komplettiert wird die Schau von Fotografien Roland Altznauers. Kuratiert wurde die Zusammenstellung der Werke von Matthias Mörstedt aus Tabarz. Über der gesamten Präsentation schweben drei Original­transparente, auf denen mutige Frauen und Männer 1989 ihre Forderungen nach Offenlegung der Stasiakten, ideologiefreier Bildung und Pressefreiheit bekannt gemacht haben. Großer Dank geht für diese Leihgaben an die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha.

„Einigen der ausgestellten Maler verschaffen wir die Öffentlichkeit, die ihnen und ihren Werken zu DDR-Zeiten versagt geblieben ist“, so Landrat Konrad Gießmann zur Intention der Ausstellung. „Ich danke der Kreissparkasse Gotha, die es in ihren Räumlichkeiten ermöglicht, die genannten Persönlichkeiten erstmals vereint einem breiten Publikum präsentieren zu können.“ Man habe, so Gießmann, aufgrund der Vorgeschichte bewusst einen gut frequentierten Ort für die Schau gesucht, der zur Begegnung mit der Geschichte nahezu zwingt.

Dieser Auseinandersetzung können sich alle Interessenten noch bis zum 26. September zu den regulären Öffnungszeiten der Kreissparkasse Gotha stellen. Anlässlich der Shopping-Nacht in Gotha am Freitag, 5. September, gibt es sogar die Chance auf einen Ausstellungsbesuch am Abend: Von 17 bis 23 Uhr steht das Kundencenter der Kreissparkasse für einen Besuch offen; neben der Ausstellung locken unter anderem auch Livemusik und eine Cocktail-Lounge in die Schalterhalle.

Flankierend zur Ausstellung bieten Mitarbeiter des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen eine Vor-Ort-Beratung im Kundencenter der Kreissparkasse Gotha an.

 

Übersicht zu den ausgestellten Künstlern

Karl Meusel (1912 – 1986)

Meusel war bis 1935 Meisterschüler an der Kunsthochschule Weimar, die er aus politischen Gründen verließ. Nach dem Krieg setzte er sich für den Aufbau einer Thüringer Kunstlandschaft ein, wurde aber rasch Opfer der politisch geführten Formalismus-Debatte. Vom Figürlichen her kommend experimentierte er mit immer stärkeren Verknappungen, die schließlich in einen abstrakten Expressionismus mündeten. 1960 bis 1966 lebte er in Gotha. Die weitgehende Ausgrenzung von offiziellen Kunstausstellungen trieb Karl Meusel in die innere Emigration.

 

Hans Winkler (1919 – 2000)

Winkler, in Gotha geboren, setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit Werner Schubert-Deister und Kurt W. Streubel für einen Neuanfang der Kunst in Thüringen ein. Er wechselte in seinem Schaffen vom expressionistischen zum informellen, abstrakten Stil, um im Spätwerk wieder zur figürlichen Darstellung zurückzufinden. Seinen Nonkonformismus bezahlte Winkler mit langjährigem Ausstellungsverbot und dem Ausschluss aus dem von ihm mit gegründeten Verband Bildender Künstler der DDR.

 

Kurt W. Streubel (1921 – 2002)

Streubel studierte 1945/46 Malerei in Weimar bei Hoffmann-Lederer und Schäfer-Ast, um an die Formensprache des Bauhauses anzuknüpfen. Zu DDR-Zeiten wurde er als „Formalist“ ausgegrenzt und diskreditiert. Er arbeitete und lebte zurückgezogen in Gotha und starb 2002 in Weimar. Seine Kunst charakterisierte Streubel als „abstrakt-konstruktiv-konkret“. Sie erstreckte sich nicht allein auf bildnerische Werke, sondern schloss auch musikalisch-literarische Exkurse wie die Anti-Oper ein.

Werner Schubert-Deister (1921-1991)

Schubert-Deister kehrte 1946 versehrt aus dem Krieg zurück und zeichnete zunächst nebenbei. Prof. Elisabeth Voigt, eine Meisterschülerin von Käthe Kollwitz, förderte das junge Talent. Die Vielfalt seines Schaffens beginnt ebenfalls bei figürlichen Darstellungen und Porträts und steigert sich meisterhaft bis ins Abstrakte. Schubert-Deister lebte seit den 1960er Jahren in Friedrichroda und widmete sich auch der Bildhauerei, insbesondere für Kirchenräume. Nach Repressalien, dem Einzug von Ersparnissen und Bildern durfte die Familie 1986 nach Intervention der UN-Menschenrechtskommission und Willy Brandts ausreisen.

 

Gert Weber (1951)

Weber arbeitete nach dem politisch begründeten Studienabbruch an der Kunsthochschule Dresden in den 1970er Jahren zunächst als Schüler von Werner Schubert-Deister. Der Mitarbeit am Panoramagemälde in Bad Frankenhausen (1980-82) folgte 1984 der Ausschluss aus dem Verband Bildender Künstler der DDR und damit einhergehend ein Ausstellungsverbot, das nur die Kirchen umgingen. Seinem figürlichen, expressiven Stil ist der in Gräfenhain lebende Maler und Grafiker zeitlebens treu geblieben. Nach der Wende sorgten unter anderem Deckenmalereien in der Kirche zu Reichensachsen und Wölfis für Aufsehen ebenso wie die Neuausmalung des Eisenacher Burschenschaftsdenkmals nach Originalbefunden.

 

Roland Altznauer (1955)

Altznauer schloss in Halle/Saale das Studium als Diplom-Formgestalter ab und lebte von 1985 bis 2000 in Gotha. Zu DDR-Tagen noch nicht freiberuflich tätig, reizte ihn vor allem die Schwarzweißfotografie im Stil von Henri Cartier-Bresson. Zentrales Sujet seiner Arbeiten waren und sind Menschen in ihrem Lebensumfeld. Altznauer lebt und arbeitet heute als freiberuflicher Fotograf, Grafiker und Produktgestalter in Erfurt.